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Politik: Länder fürchten Chaos bei Arbeitslosengeld

Wulff warnt vor Ruin der Städte bei Zusammenlegung mit der Sozialhilfe – und fordert die Verschiebung der Pläne

Berlin. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat eine Verschiebung der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe gefordert. Die jetzige Gesamtfinanzierung des Pakets Hartz IV werde die Kommunen in den Ruin treiben, erklärte Wulff am Samstag. Unions-Politiker werfen der Bundesregierung außerdem vor, den Kompromiss aus dem Vermittlungsausschuss kippen zu wollen. „Ein Wortbruch wäre eine Frechheit“, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl-Josef Laumann, dem Tagesspiegel am Sonntag. Am Mittwoch wollen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) in erneuten Spitzengesprächen eine Lösung finden.

Regierung und Opposition hatten sich im Vermittlungsausschuss Ende des vergangenen Jahres darauf verständigt, 2005 Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II zusammenzulegen. Umstritten sind die finanziellen Wirkungen. Rot-Grün hatte den Kommunen mit der Reform eine finanzielle Entlastung um 2,5 Milliarden Euro zugesagt. Der niedersächsische Ministerpräsident Wulff befürchtet, dass seine Kommunen statt der versprochenen Entlastung von 290 Millionen Euro mit rund 500 Millionen Euro zusätzlich belastet werden. Das habe eine Berechnung der Landesregierung ergeben, erklärte Wulff. Würde die niedersächsische Erhebung auf den Bund hochgerechnet, summierten sich die Mehrkosten für Städte und Gemeinden deutschlandweit auf bis zu fünf Milliarden Euro, berichtet der „Spiegel“. Für die Fehlkalkulation sei eine Panne während des Vermittlungsverfahrens von Bund und Ländern verantwortlich. Das Bundesfinanzministerium habe die Wohnkosten, die künftig die Kommunen für die Empfänger von Arbeitslosen- und Sozialhilfe übernehmen sollen, deutlich zu niedrig angesetzt. Zudem steige die Zahl der Leistungsberechtigten stärker als bislang prognostiziert.

Heftigen Streit zwischen Union und Rot-Grün gibt es außerdem weiter in der Frage, wer die rund 2,7 Millionen Betroffenen betreuen soll: Arbeitsämter oder Kommunen. Im Hartz IV-Gesetz der Bundesregierung ist vorgesehen, dass Arbeitsämter und Kommunen Arbeitsgemeinschaften bilden sollen. Auf Druck der Union sollen die Kommunen jedoch die Option erhalten, die Betreuung in Eigenregie zu übernehmen.

Das Problem: Der Bund kann den Kommunen die Kosten für die Betreuung der Arbeitslosen nicht direkt erstatten, weil es keine direkten Finanzbeziehungen zwischen den Ebenen gibt. Eine Grundgesetzänderung war in den vergangenen Wochen jedoch weder im Kabinett noch in den Ländern durchsetzbar. Stattdessen brachte Clement das Instrument einer „Organleihe“ ins Gespräch. Danach könnte die Bundesagentur für Arbeit befristet einzelnen Kommunen die Zuständigkeit übertragen. Den überarbeiteten Gesetzentwurf leitete er am Freitag der Unionsseite zu.

Die Unions-Vertreter aus Bundestag und Ländern sehen das Instrument der Organleihe jedoch skeptisch. „Mir ist schleierhaft, wie das funktionieren soll“, sagte Laumann. Er befürchtet, dass die Betreuung der Langzeitarbeitslosen dann für die Kommunen wenig attraktiv sei, wenn die Bundesagentur für Arbeit zu viel reinreden könne. „Die Zeit läuft uns davon“, warnt der CDU-Politiker außerdem. Bis August sollen die Kommunen entscheiden, ob sie die Zuständigkeit übernehmen wollen. Ende des Jahres müssen alle Vorbereitungen getroffen sein, damit die Betroffenen und ihre Angehörigen pünktlich zum 1. Januar 2005 das neue Arbeitslosengeld II erhalten können.

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