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Berlin braucht immer Geld, auch von anderen Bundesländern. Damit steht das Land aber nicht allein. Derzeit streiten die Länder darüber, wie der Ausgleich künftig aussehen soll.

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Länderfinanzausgleich: Welches Bundesland hat die besseren Karten?

Der Länderfinanzausgleich muss reformiert werden. Erst kommt das Reizen, bald das Hauen und Stechen. Um was geht es bei diesem politischen Spiel? Wie verteilen sich die Interessen? Ein Blick in die Karten von Bund und Ländern.

Nein, heißt es im Bundesfinanzministerium, einen solchen Überblick gebe es nicht. Und auch bei den Ländern wird man nicht fündig. Wer wissen will, wie viel Geld im deutschen Finanzausgleichssystem eigentlich in einem Jahr hin- und herwandert, wer wie viel zahlt und wer wie viel bekommt, der hat es schwer. Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) will es nun aber wissen, um eine Basis zu haben für die Gespräche über die Neugestaltung der bundesstaatlichen Finanzströme. Die bestehende Regelung läuft 2019 aus, und da die Parlamente ein bisschen Planungsvorlauf brauchen für die Etatgestaltung, sollten Bund und Länder sich 2016 oder 2017 einig werden. Vier oder fünf Jahre – angesichts des komplexen Themas eine eher kurze Zeit.

Die Übersicht zu den Finanzströmen sollte eigentlich schon zur MPK im Juni vorliegen. Doch die Verhältnisse scheinen etwas komplex zu sein. Nun soll bis kommenden März aufgelistet werden, was in dem umfangreichen Finanzausgleichswesen zwischen den Ländern umgeschichtet wird und was der Bund noch obendrauf legt. Es geht nicht nur um die Steuerverteilung und den Länderfinanzausgleich, sondern auch um andere Finanzströme, in den Sozialversicherungen, in der Hochschulförderung, bei den Verkehrsinvestitionen, bei Steuersubventionen und einiges mehr. Die Interessen sind klar. Die finanzkräftigen Länder wollen zeigen, dass ihre Belastung insgesamt zu hoch ist und die schwächeren Länder zu viel bekommen. Diese wiederum wollen zeigen, dass in Wirklichkeit die Lasten der Starken gar nicht so groß sind und ihr Bedarf die Finanzströme rechtfertigt.

So hat das Spiel um den neuen Finanzausgleich hinter den Kulissen schon begonnen. Demnächst beginnt das Reizen. Das wirkliche Hauen und Stechen beginnt aber erst nach der Bundestagswahl 2013. Wer gewinnt, ist unklar. Denn im großen Verhandlungsskat ist nicht gesagt, dass die Asse wirklich trumpfen. Tun sich die finanzschwachen Länder zusammen und spielen auf null, können auch sie gewinnen. Doch die Interessenlagen sind weitaus differenzierter als die aktuellen Klagen und Sorgen-Arien glauben machen. Es gibt nicht nur die zwei Lager der Zahler- und Nehmerländer. Letztlich kommt jedes Land mit seiner eigenen Rechnung, und am Ende spielt ja auch noch der Bund mit, der im Zweifelsfall ohnehin alles sticht.

Das Spiel wird hart werden. „Durch die Schuldenbremse im Grundgesetz werden die Verhandlungen über die Finanzbeziehungen heftiger und schwieriger als in der Vergangenheit“, prophezeit der Magdeburger Politologe Wolfgang Renzsch. Die Schuldenbremse zwingt alle Länder, ab 2020 ohne neue Schulden auszukommen. Gerade hier aber sind die Ausgangslagen der Länder mittlerweile sehr unterschiedlich. Der Süden steht relativ gut da, Sachsen auch. Auf der anderen Seite stehen die Länder mit Haushaltsnotlagen.

Zu den Verbindlichkeiten vor allem der West-Länder gehören freilich auch die wachsenden Pensionslasten – im Osten sind sie weit geringer. Gerade diese Zahlungszusagen, kumuliert wohl eine halbe Billion Euro, dürften in den Verhandlungen eine Rolle spielen. Und auch wenn der Finanzausgleich bisher als reiner Einnahmenausgleich angelegt war – angesichts der knappen Kassen wird künftig die Ausgabenpolitik nicht außen vor bleiben, das zeigen schon die Auflagen für die Notlagenländer durch den Stabilitätsrat, der die Einhaltung der Schuldengrenze überwacht.

Transparent ist das System nicht. Renzsch: „Es gibt 140 Rechenschritte, das muss einfacher werden.“ Grob gesagt besteht der Finanzausgleich aus vier Stufen. Die Umsatzsteuer wird nach der Einwohnerzahl auf die Länder verteilt, die Einkommen- und Körperschaftsteuer aber nach dem örtlichen Aufkommen, die daraus resultierenden regionalen Unterschiede werden durch die sogenannte Steuerzerlegung abgefedert. Das Ausgleichsvolumen dieser beiden Schritte betrug 2009 etwa 15 Milliarden Euro. Nun kommt der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne hinzu. Es sind jene Ausgleichszahlungen, die in der öffentlichen Debatte die größte Rolle spielen – denn sie tauchen als Ausgaben in den Etats der Zahlerländer auf. 7,3 Milliarden Euro mussten sie 2011 überweisen. Der Länderfinanzausgleich wird nach der Steuerkraft berechnet, er ist ein Einnahmenausgleich. Bayern war 2011 Hauptzahlerland mit knapp 3,7 Milliarden Euro, Berlin sackte als Hauptnehmerland gut drei Milliarden Euro ein. Schaut man hingegen auf den Umsatzsteuerausgleich, ist Nordrhein-Westfalen wegen seiner Bevölkerungsgröße Hauptzahler mit 2,4 Milliarden, den höchsten Zufluss hat Sachsen mit 2,2 Milliarden Euro. Addiert man Umsatzsteuerausgleich und Länderfinanzausgleich, um so einen annähernden Eindruck der regionalen Finanzströme zu bekommen, dann können auch NRW, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein als Zahlerländer gelten.

Die vierte Stufe des Finanzausgleichssystem versteckt sich hinter dem Begriff Bundesergänzungszuweisungen. 2011 kamen hier 12,2 Milliarden Euro zusammen, das Geld fließt vor allem Richtung Osten. Dank der BEZ-Mittel sind Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen finanziell recht gut ausgestattet. Möglicherweise zu gut. Die Debatte um die Ost-Förderung dürfte bald wieder aufleben. Die Ministerpräsidenten wollen darüber reden, ob die Abflüsse aus den Zahlerländern gedeckelt werden können. Das ginge im Rahmen des Länderfinanzausgleichs wohl nur durch einen Verzicht der Ost-Länder.

Addiert man die vier Stufen des Ausgleichssystems (Umsatzsteuerverteilung, Steuerzerlegung, Länderfinanzausgleich, Bundesergänzungszuweisungen), dann kommen regionale Transfers von weit über 30 Milliarden Euro zusammen. So viel, wie zum Beispiel das Land Baden-Württemberg in einem Jahr ausgibt. Da lohnt der Streit.

Für Renzsch, der sich seit Jahren mit dem Finanzausgleich beschäftigt, kommt auf die Politik eine Mammutaufgabe zu. „Die Finanzausgleichsreform ist vergleichbar mit der großen Finanzreform von 1969“, sagt er. Damals stellte die große Koalition das gesamte Steuer- und Ausgleichssystem um und band Bund und Länder eng aneinander. Von der Klage gegen den Finanzausgleich, die Bayern angekündigt hat, hält Renzsch wenig. „Das würde nur die Verhandlungen aufhalten, weil dann alle warten, bis Karlsruhe entscheidet. Die Zeit haben wir nicht.“

Baden-Württemberg, Bayern, Hessen: Drei Asse im Süden

Von der Wirtschaftskraft Bayerns, Baden-Württembergs und Hessens lebt ganz Deutschland. Der direkte Finanzausgleich zwischen den Ländern, der die Steuerkraftunterschiede nivelliert, bringt das deutlich zum Ausdruck: Im vorigen Jahr brachte Bayern die Hälfte, brachten Baden-Württemberg und Hessen jeweils ein Viertel des Ausgleichsvolumens auf. Und auch die Schuldenstände der drei Länder sind vergleichsweise gut: In Bayern sind es einschließlich der Gemeinden 3451 Euro pro Kopf (Stand 2010) – Berlin hat fünf Mal mehr –, in Baden-Württemberg kommt man auf noch komfortable 6044 Euro, in Hessen auf allerdings schon bedenkliche 8544 Euro. Doch gemessen an der beträchtlichen Wirtschaftskraft dieser drei Länder ist das überschaubar.

Baden-Württemberg gehört zu den wichtigsten Zahlerländern im Länderfinanzausgleich. Auch dank der guten Wirtschaftsdaten und Großkonzerne im Land, wie beispielsweise dem Autobauer Daimler.
Baden-Württemberg gehört zu den wichtigsten Zahlerländern im Länderfinanzausgleich. Auch dank der guten Wirtschaftsdaten und Großkonzerne im Land, wie beispielsweise dem Autobauer Daimler.

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Und diese Wirtschaftskraft sollte im Zeichen der Schuldenbremse zu soliden Etats führen. Die bayerische Regierung hatte sich schon darauf eingestellt, nicht nur ausgeglichene Haushalte zu schaffen, sondern auch mit der Schuldentilgung zu beginnen. Die höheren Zahlungen im Finanzausgleich vereiteln das jedoch, und die 3,6 Milliarden Euro an haushaltswirksamen Transfers aus dem Vorjahr dürften 2012 nochmals überboten werden. Hessen – nach den Pro-Kopf-Zahlungen im Länderfinanzausgleich sogar noch etwas höher belastet als Bayern – rechnet in den kommenden Jahren mit Zahlungen zwischen 1,9 und 2,2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2011 waren es 1,8 Milliarden. Der Wiesbadener Finanzminister Thomas Schäfer schlägt (CDU) daher einen harschen Ton an: „Die Grenze ist längst erreicht. Unsere Geduld ist am Ende.“

Der Finanzplatz Frankfurt am Main mit der Börse und den vielen Banken macht Hessen zu einem wirtschaftlich starken Land.
Der Finanzplatz Frankfurt am Main mit der Börse und den vielen Banken macht Hessen zu einem wirtschaftlich starken Land.

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So lautet die Devise in den drei Ländern: Runter von den hohen Transfers. Ob das durch eine Klage in Karlsruhe zu erreichen ist, daran gibt es freilich auch intern Zweifel. Der von München bereits angekündigte und in Wiesbaden und Stuttgart erwogene Schritt ist vorerst nur Teil einer Drohkulisse. Doch der Ärger hat einen ernsten Hintergrund. Auch starke Regionen müssen darauf achten, im internationalen Vergleich nicht zurückzufallen. Der Niedergang Nordrhein-Westfalens ist da Warnung genug. Im Süden will man daher das in der eigenen Region erwirtschaftete Geld lieber in die eigenen Hochschulen, in die eigene Wirtschaftsförderung, in die eigene Infrastruktur investieren, um die starke Wettbewerbsposition zu halten.

München ist Sitz von gleich vier der größten deutschen Konzerne: Die Allianz-Versicherungen, der größte Rückversicherer Münchener Rück, Siemens und BMW.
München ist Sitz von gleich vier der größten deutschen Konzerne: Die Allianz-Versicherungen, der größte Rückversicherer Münchener Rück, Siemens und BMW.

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In Stuttgart wappnet man sich für die Verhandlungen unter anderem mit dem Hinweis, dass schon die Beiträge der Süddeutschen in die Renten- und Krankenversicherungen auf einen massiven Finanzausgleich zugunsten des Nordens und des Ostens hinauslaufen. Alle drei Länder werden zudem durch ein gemeinsames Manko zusammengeschweißt: relativ hohe Personalkosten und damit auch höhere Risiken aus den Pensionslasten. Und sie haben noch ein gemeinsames Interesse. Die Finanzkraft ihrer im Schnitt ziemlich betuchten Kommunen soll auch in einem künftigen Finanzausgleich nicht zur Gänze einbezogen werden. Sonst fließt noch mehr Geld ab. Die Abstimmung zwischen München, Stuttgart und Wiesbaden ist trotz des Regierungswechsels in Baden-Württemberg eng. „Der Süden weiß, was er will“, urteilt Renzsch, „der Rest ist ein Hühnerhaufen.“

Nordrhein-Westfalen: Diva im Wandel

Es ist eine bemerkenswerte Wandlung: Das einst vor Wirtschaftskraft nur so strotzende Nordrhein-Westfalen ist zum Problemfall geworden und zählt nicht mehr zum Lager der starken Länder. Und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft scheint sogar in eine Rolle schlüpfen zu wollen, die ihre sozialdemokratischen Vorgänger Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück nie und nimmer gespielt hätten: Fähnleinführer der schwächeren Länder. Wenn auch mit dem klaren Interesse, dass NRW nach 20 Jahren mit dem Schwerpunkt Ostförderung nun seinerseits einen Teil erhalten muss.

Als die Hochöfen noch glühten und zugleich unter der Erde Kohle gefördert wurde, war Nordrhein-Westfalen das wirtschaftsstärkste Land Deutschlands. Doch seit dem Niedergang der Schwerindustrie sucht das Land nach einer neuen ökonomischen Basis.
Als die Hochöfen noch glühten und zugleich unter der Erde Kohle gefördert wurde, war Nordrhein-Westfalen das wirtschaftsstärkste Land Deutschlands. Doch seit dem Niedergang der Schwerindustrie sucht das Land nach einer neuen ökonomischen Basis.

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Und der soll groß sein. Das Land erhält mittlerweile drei Prozent der Finanzausgleichssumme, während es 1995 noch gut 30 Prozent einzahlte. Die rot-grüne Regierung verlangt ein Ausgleichssystem, bei dem „nicht nach Himmelsrichtung oder Länderschlüssel verteilt wird“, sondern nach „Problemlage“, wie der Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) es formuliert. Bedarf und Bedeutung, das seien die richtigen Kriterien – und von beidem billigt sich Nordrhein-Westfalen viel zu. Doch ob Brückenbau oder Hochschulen – die Düsseldorfer Regierung sieht das eigene Land systematisch übergangen. Und sie macht ganz neue Ausgleichsrechnungen auf. Die Kosten der Energiewende etwa würden über den Strompreiszuschlag stark von der Bevölkerung an Rhein und Ruhr und in Westfalen getragen, aus NRW seien 2011 etwa 2,25 Milliarden Euro abgeflossen, während Bayern (wo mehr Windräder und Sonnenkollektoren aufgestellt werden) ein Plus von 1,1 Milliarden Euro gemacht habe. Das müsse ausgeglichen werden.

In Nordrhein-Westfalen gibt es nach dem langen industriellen Niedergang mittlerweile Regionen, die wirtschaftlich so schlecht dastehen wie weite Teile des Ostens. Das treibt die Ausgaben für die Sozialpolitik, und diese Mittel fehlen dann für die Wirtschaftsförderung. Vor allem aber ist die Verschuldung des Landes ins Galoppieren geraten. Einschließlich der Kommunen kommen auf jeden NRW-Einwohner 12 283 Euro an Schulden (Stand 2010). Das ist doppelt so viel wie in Baden-Württemberg, fünf Mal so hoch wie in Sachsen. NRW steht ungefähr so schlecht da wie das Haushaltsnotlagenland Schleswig-Holstein. Die Zinslasten sind entsprechend, und da hilft es wenig, dass man beim Personal eher sparsam ist. Die Düsseldorfer Regierung braucht Geld, viel Geld – entsprechend wird Hannelore Kraft verhandeln.

Berlin, Bremen, Saarland, Schleswig-Holstein: Drohende Notlage

Vier Länder bilden das Siebener-Quartett, denn sie stehen am schlechtesten da. Es sind jene Länder, denen nach Ansicht des Stabilitätsrats eine Haushaltsnotlage droht. Sie stehen unter Aufsicht, müssen strenge Auflagen erfüllen, sind in ihrer Haushaltsautonomie beschränkt, bekommen dafür aber Hilfen des Bundes und der anderen Länder, um aus ihrer Überschuldung herauszukommen. Man kann sich leicht vorstellen, was das für den Verhandlungsspielraum bedeutet, den Schleswig-Holstein, das Saarland, Berlin und Bremen in den Gesprächen über den Finanzausgleich haben. Dazu kommt, dass diese Ländergruppe, was ihre Interessen betrifft, nicht sehr homogen ist. Es sind vier Einzelschicksale, die mehr oder weniger arm und mehr oder minder sexy, am Tisch sitzen.

Bremerhaven ist die Basis vieler Windkraftunternehmen, die von dort aus Offshore-Windparks beliefern wollen. Dennoch gehört Bremen weiterhin zu den ärmsten Bundesländern.
Bremerhaven ist die Basis vieler Windkraftunternehmen, die von dort aus Offshore-Windparks beliefern wollen. Dennoch gehört Bremen weiterhin zu den ärmsten Bundesländern.

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Immerhin sind Bremen und das Saarland in einer ähnlichen Situation: Jedes Entgegenkommen des Bundes und der anderen Länder ist im Grunde mit der Erwartung verbunden, dass die beiden Länder ihre Selbstständigkeit aufgeben – das Saarland würde ein Teil von Rheinland-Pfalz, Bremen würde von Niedersachsen geschluckt. Andererseits: Weder in Hannover noch in Mainz wäre man wohl ohne Weiteres bereit, die Bremer Schulden (fast 18 Milliarden Euro oder mehr als 27000 Euro pro Einwohner) beziehungsweise die Verbindlichkeiten des Saarlands (15 Milliarden oder knapp 15000 Euro pro Kopf) zu übernehmen. Da müsste wohl vom Bund etwas nachgeholfen werden. Ziel der Regierungen in Bremen und Saarbrücken ist allerdings, die Eigenständigkeit zu wahren.

Mit einer großen Koalition gebildet von Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Heiko Maas (SPD) will das Saarland aus dem wirtschaftlichen Niedergang wieder auferstehen. Die Regierungschefin und ihr Vize mussten jedoch zunächst einmal das Ende des Bergbaus im ärmsten westlichen Bundesland besiegeln.
Mit einer großen Koalition gebildet von Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Heiko Maas (SPD) will das Saarland aus dem wirtschaftlichen Niedergang wieder auferstehen. Die Regierungschefin und ihr Vize mussten jedoch zunächst einmal das Ende des Bergbaus im ärmsten westlichen Bundesland besiegeln.

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Bremen immerhin kann darauf bauen, dass es eigentlich gar kein schwaches Land ist, es kommt bei den Steuern immerhin auf 97 Prozent des Länderschnitts. Ein Problem ist, dass viele Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz in Bremen ist, ihre Steuern am Wohnort im Umland zahlen. Das Saarland hingegen kommt nur auf 82 Prozent des Schnitts bei den Steuern und ist damit das schwächste West-Land.

Vertrackt ist die Lage von Schleswig-Holstein. Das Küstenland profitiert nicht vom Finanzausgleich über alle Stufen hinweg (die Rechnung läuft auf plus/minus null hinaus), aber die Schulden sind für ein (trotz der Nähe Hamburgs) wirtschaftsschwaches Land mit mehr als 11000 Euro pro Kopf viel zu hoch. Berlin wiederum ist ein Stadtstaat, der zudem ein halbes Ost-Land ist und sich mit dem Hauptstadtstatus in einer ganz besonderen Lage wähnt. Daher dürfte der Berliner Senat vor allem darauf zielen, mit dem Bund ins Geschäft zu kommen. Renzsch verweist auf die schlechte Einnahmesituation Berlins, zu der auch gehöre, dass der Großarbeitgeber Bund in der Stadt keine Steuern zahle: „Berlin hat viel Verwaltung, München hat Siemens, BMW und Allianz.“ Ähnlich wie in den USA könnte seiner Ansicht nach die Lösung darin liegen, dass der Bund der Hauptstadt fiktive Steuerzahlungen zukommen lässt, als ob die Ministerien und nachgeordneten Behörden eigene Unternehmen wären. Das würde auch die Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich, sollte er bleiben, wie er ist, verringern. Und Berlin ist ja vor allem deshalb in der Defensive, weil es als Hauptempfängerland etwa 40 Prozent der Zahlungen abgreift. Hier spielt die „Einwohnerveredlung“ eine Rolle, die es gemeinsam mit Hamburg und Bremen zu verteidigen gilt.

Der Kieler Ministerpräsident Torsten Albig hat eine potenzielle Einnahmequelle entdeckt, die auch der Berliner Regierungschef Klaus Wowereit attraktiv findet: eine Art Finanzausgleich für Studienplätze. Dass man im Land für teures Geld Studenten ausbilde, die dann zum Geldverdienen abwanderten, ärgert beide Landeschefs. Freilich ist kein Land gezwungen, über Bedarf auszubilden. Und hat die Höherwertung der Berliner Einwohnerschaft nicht ihren Grund auch darin, dass hier zum Wohle der Provinzen gelehrt und geforscht wird?

Niedersachsen und Rheinland-Pfalz: In der Mitte

Nicht arm, nicht reich: Niedersachsen und Rheinland-Pfalz sind im großen Spiel um die Finanzverteilung die grauen Mäuse, die wenig zu gewinnen und wenig zu verlieren haben. Doch ist es nicht ganz unbedeutend, wie sie sich zu den einzelnen Vorschlägen verhalten. Sie können die Starken stärken oder das Lager der Schwachen dominant werden lassen. Das gibt den Regierenden in Hannover und Mainz die Möglichkeit, zwischen den Fronten pendelnd die eigenen Interessen bedienen zu lassen. So ist etwa Kurt Beck schon in den Vorgesprächen dem Süd-Trio entgegengekommen, indem er dafür plädierte, über den Wunsch nach einer Entlastung der finanzstarken Länder zumindest mal zu reden. Die Mainzer Politik ist zudem traditionell auf eine starke Position der Länder gegenüber dem Bund ausgerichtet – man will sich nicht so gern etwas aus Berlin diktieren lassen. Und man fühlt sich als Teil des Südens, auch wenn die Finanzkraft (trotz des Weltkonzerns BASF) nur für eine Mittelposition reicht.

Der Wein war schon immer eine wichtige Einnahmequelle in Rheinland-Pfalz. Er wird es wohl auch bleiben.
Der Wein war schon immer eine wichtige Einnahmequelle in Rheinland-Pfalz. Er wird es wohl auch bleiben.

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Niedersachsen war einst Anführer der schwachen Länder, aber nun, da man nur noch knapp drei Prozent der Ausgleichsmasse erhält, ist das Interesse am Kämpfen nicht mehr so groß. Jedenfalls gilt das für Schwarz-Gelb unter Ministerpräsident David McAllister. Ein Wechsel zu Rot-Grün im kommenden Januar könnte das ändern, Niedersachsen wäre dann an der Seite von NRW. Dort steht auch Rheinland-Pfalz, das im Schnitt seit 1995 etwa 3,6 Prozent der jährlichen Ausschüttungen erhielt. Denn die westdeutschen Länder, die zwischen Hauptzahlern und Hauptempfängern stehen, dürften dann ein gemeinsames Interesse entwickeln, wenn die Verhandlungen dazu führen, dass angesichts des weiterhin hohen Finanzbedarfs der Ost-Länder praktisch der gesamte Westen in eine Zahlerposition käme.

Hamburg: Klein, aber mit Gewicht

Stark und doch nicht: Die Hansestadt ist immens reich, die Steuerkraft liegt bei 151 Prozent des Länderdurchschnitts, aber sie hat wie jede Großstadt auch enorme soziale Probleme und damit hohe Kosten. Hamburg zahlt seit jeher brav in den Länderfinanzausgleich ein, zuletzt allerdings nur noch 0,8 Prozent des Volumens. Es war schon mal nahe an zehn Prozent. Die ökonomische Stärke der norddeutschen Handels- und Medienmetropole zeigt sich nicht zuletzt im Vergleich zu der nach Einwohnern nahezu doppelt so großen Bundeshauptstadt: Während Berlin trotz boomender Tourismusbranche beim Umsatzsteuerausgleich knapp 200 Millionen Euro einnimmt, werden aus Hamburg 240 Millionen Euro abgezweigt.

Der Hafen war einmal der Hauptgrund für den Hamburger Wohlstand. Doch inzwischen haben sich längst neue Wirtschaftszweige entwickelt. Hamburg geht es dabei offenbar nicht schlecht.
Der Hafen war einmal der Hauptgrund für den Hamburger Wohlstand. Doch inzwischen haben sich längst neue Wirtschaftszweige entwickelt. Hamburg geht es dabei offenbar nicht schlecht.

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Hamburg hat als Zahlerland natürlich eine gewisse Interessenkongruenz mit den süddeutschen Ländern, aber die Schnittmenge mit den Interessen der schwächeren Länder dürfte mindestens so groß sein. Nicht zuletzt gibt es eine enge Bindung zu Berlin und Bremen: Die Einwohnerzahlen der Stadtstaaten werden im Länderfinanzausgleich mit 135 Prozent angesetzt, es wird also fiktiv mit mehr Einwohnern gerechnet (wegen der Leistungen, die Metropolen erbringen). Das dämpft die Zahlungen Hamburgs und erhöht die Zuflüsse nach Berlin und Bremen. Die Zahlerländer würden das gerne kappen, mussten freilich in der letzten Reformrunde erleben, dass zur „Einwohnerveredelung“ der Stadtstaaten noch der „Dünnsiedlerzuschlag“ für weniger dicht bewohnte Länder wie Mecklenburg-Vorpommern eingeführt wurde.

Mit Verbindungen in beide Lager könnte dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz eine gewisse Mittlerrolle zukommen. Der frühere Bundesarbeitsminister ist ein erfahrener Politiker – auf beiden Ebenen, Bund und Land. Andererseits haben in beiden Föderalismuskommissionen seit 2002 Ministerpräsidenten aus starken Ländern Regie geführt – erst Edmund Stoiber, dann Günther Oettinger. Denn nur größere Länder haben genügend Fachkompetenz in der Bürokratie, die nötig ist, um die Verhandlungen leiten zu können.

Die neuen Bundesländer: Fünf im Armenhaus

Eigentlich wird das große deutsche Transfertheater nur wegen ihnen aufgeführt: Die Regionen, die sich 1990 in die „fünf neuen Länder“ verwandelten, waren am Ende der DDR-Zeit so heruntergewirtschaftet, dass Milliardenhilfen nötig waren, und alle Aufbauförderungen und Großinvestitionen seither konnten nicht verhindern, dass Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern (und auch Berlin) eine Zuschussgroßregion geblieben sind. Nicht weil sie durchweg schlecht gewirtschaftet hätten (das mag partiell schon stimmen), sondern weil ihre Chancen im internationalen Wettbewerb gering geblieben sind. Der Westen dominiert beim Bruttoinlandsprodukt – und deshalb muss er zahlen. Das wird so bleiben, wie auch immer die Verhandlungen enden. Denn der Osten besitzt zwar dank der Transfermilliarden mittlerweile eine moderne Infrastruktur – aber immer noch nicht genügend Wirtschaftskraft.

Der Schornstein raucht. Beim Braunkohlekraftwerk Jänschwalde steigt Wasserdampf auf. Im Vordergrund ist zudem ein Windrad zu sehen. Die Energieerzeugung wird für Brandenburg auch in Zukunft ein wichtiger Wirtschaftszweig bleiben. Dennoch bleibt das Land ein Hilfeempfänger.
Der Schornstein raucht. Beim Braunkohlekraftwerk Jänschwalde steigt Wasserdampf auf. Im Vordergrund ist zudem ein Windrad zu sehen. Die Energieerzeugung wird für Brandenburg auch in Zukunft ein wichtiger Wirtschaftszweig bleiben. Dennoch bleibt das Land ein Hilfeempfänger.

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Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle hat unlängst festgestellt, dass das Bruttoinlandsprodukt bei zwei Dritteln des Westniveaus stagniert. Der Aufholprozess ist festgefahren. Und daher fehlen den Ost-Ländern die nötigen Steuereinnahmen. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen kommen hier nur auf etwa die Hälfte des Durchschnitts aller Länder. Brandenburg liegt immerhin bei 62 Prozent, es profitiert als Umland von der Berliner Wirtschaft und der Neigung wohlhabender Hauptstädter, aufs Land zu ziehen (Berlin selbst liegt bei den Steuern aber auch nur bei 86 Prozent des Schnitts).

Ein Problem des derzeitigen Finanzausgleichs ist, dass der Osten bei der Steuerverteilung benachteiligt wird. Viele westdeutsche Unternehmen haben Fabriken und Niederlassungen im Osten. Die Körperschaftsteuer, die sie zahlen, wird nach der örtlichen Lohnsumme auf die Länder verteilt. Die Gehälter im Osten aber sind niedriger als im Westen. Insofern wird der Osten bei der Körperschaftsteuerzerlegung dafür bestraft, dass die Einkommen hier geringer sind. Die Ost-Länder werden das in den Verhandlungen thematisieren.

In Desden müht sich die Universität, junge Akademiker auch zu außeruniversitärer Forschung und zur Gründung von Unternehmen zu bewegen. Doch selbst das wirtschaftlich stärkste ostdeutsche Bundesland Sachsen wird weiterhin zu den Nehmerländern gehören.
In Desden müht sich die Universität, junge Akademiker auch zu außeruniversitärer Forschung und zur Gründung von Unternehmen zu bewegen. Doch selbst das wirtschaftlich stärkste ostdeutsche Bundesland Sachsen wird weiterhin zu den Nehmerländern gehören.

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Freilich wissen die Regierungen und Landtage in Schwerin, Potsdam, Magdeburg, Erfurt und Dresden auch, dass die Transfers nicht auf dem im Solidarpakt festgeschriebenen Niveau bleiben können. Die Hilfen werden ohnehin schon Jahr für Jahr abgeschmolzen. Die Gefahr, dass die Zahlungen noch früher verringert werden, ist nicht gering – der Druck aus dem Westen, vor allem aus Nordrhein-Westfalen, wird jedenfalls nicht nachlassen. Denn wer mehr möchte vom Ausgleichskuchen, der muss sich zwangsläufig mit den Ost-Regierungschefs anlegen. Die aber halten zusammen, haben ihre eigene Mini-Ministerpräsidentenkonferenz und stimmen sich ab. Nur sind sie in der Minderheit und ihr Feld ist allein die Defensive.

Nicht zu übersehen ist, dass die finanzielle Lage der Ost-Länder mittlerweile durchaus differenziert ist. Und auch das bestimmt die Interessen. Sachsen etwa, das sich gern etwas stärker fühlt, als es ist, hat nur sehr geringe Schulden (2400 Euro pro Kopf) und damit mehr Spielraum als die überdurchschnittlich verschuldeten Länder Sachsen-Anhalt (10 340 Euro) oder Brandenburg (8788 Euro). Die Verantwortlichen in Dresden könnten also in Einzelfragen durchaus mit den stärkeren Ländern paktieren, wenn es darum geht, etwa die Ausgabenpolitik oder die Schuldensituation in den Blick zu nehmen. Und während Sachsen-Anhalt, obwohl kein Land mit drohender Haushaltsnotlage, Konsolidierungshilfen bekommt, beklagt Mecklenburg-Vorpommern, dass es zu diesen Hilfen beitragen muss – eine Art Strafe dafür, dass man früher als die Magdeburger Regierung damit begonnen hat, den eigenen Etat in Ordnung zu bringen.

Was die Ost-Länder wiederum eint, sind die Sonderzuweisungen aus dem Bundesetat. Sie machten 2011 etwa 6,5 Milliarden Euro aus. Natürlich will man auch nach 2019 davon profitieren. Der Verhandlungspartner dafür ist vor allem der Bund, aber die West-Länder werden darauf achten, dass die Summen sich in Grenzen halten. Die künftige Finanzausstattung für den Osten dürfte die härteste Nuss sein , die in den Gesprächen zu knacken ist.

Der Bund: Die Macht im Hintergrund

Der Bund hält sich vorerst zurück. Erst sollen die Länder mal unter sich zu einer Verständigung kommen. Die wird im Zweifelsfall darauf hinauslaufen, den Bund stärker als bisher in die Pflicht zu nehmen – also mehr Bundeszuweisungen. Dafür wird sich der Bund aber einen höheren Anteil bei der Steuerverteilung sichern wollen. In einem Punkt kommt die Zentrale den Ländern schon entgegen: Bei Sozialleistungen gibt es einen Trend zu mehr Bundesbeteiligung, zuletzt etwa bei der kompletten Übernahme der Grundsicherung im Alter. Das entlastet vor allem die Stadtstaaten, NRW und den Osten. Eine andere Baustelle ist das Bafög, dessen Leistungen derzeit die Länder noch zu 35 Prozent mitfinanzieren. Auch hier könnte es zu einer Vollübernahme durch den Bund kommen. Es gibt auch Überlegungen, den gesamten (horizontalen) Finanzausgleich zwischen den Ländern abzuschaffen, weil er doch nur zu Streitereien führt, und nur noch (vertikale) Zahlungen des Bundes an bedürftige Länder vorzusehen. Ob die Länder das wollen, ist ungewiss – zu mächtig soll der Bund auch nicht werden.

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