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Der eine zahlt (links), der andere profitiert (rechts) - der Länderfinanzausgleich soll jetzt vors Bundesverfassungsgericht.

© dpa

Länderfinanzausgleich: Bayern und Hessen wollen in Karlsruhe klagen

Bayern und Hessen gehören zu den Zahlern beim Länderfinanzausgleich. Nun wollen beide gemeinsam beim Bundesverfassungsgericht gegen das Prozedere klagen. Das träfe vor allem die Nehmer-Länder im Bund, wie Berlin oder Sachsen. Was soll der Gang nach Karlsruhe bringen?

Lange haben sie es angekündigt, am Dienstag wird es offiziell: Auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung werden die schwarz-gelben Regierungen von Bayern und Hessen beschließen, in Karlsruhe gegen den Länderfinanzausgleich zu klagen. Damit muss das Gericht wieder über den komplizierten und umstrittenen Geldverteilungsmechanismus zwischen den Ländern (und dem Bund) entscheiden. Das letzte Mal war das 1999 der Fall, was zur Finanzausgleichsreform von 2001 führte. Für Berlin ist das Verfahren von besonderer Bedeutung – denn zentrale Klagepunkte betreffen die Hauptstadt direkt, bei einem Erfolg müsste sie mit weniger Geld der anderen Länder und einer größeren Abhängigkeit vom Bund rechnen.

Warum klagen Bayern und Hessen?

Karlsruhe soll den bestehenden Länderfinanzausgleich (der nur ein Teil des größeren Gesamtsteuerausgleichs zwischen Bund und Ländern ist) für verfassungswidrig erklären. Im Artikel 107 des Grundgesetzes heißt es, es sei sicherzustellen, „dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird“. Was angemessen ist, wird im Maßstäbegesetz angedeutet, das nach dem Karlsruher Urteil von 1999 erlassen worden war: Von Mehreinnahmen gegenüber dem Durchschnitt müsse einem starken Land ein Eigenbehalt bleiben. Der ist den Regierungen in München und Wiesbaden nun aber zu gering. „Das System ist aus der Balance, nur noch drei Länder zahlen“, sagt der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Er verweist auch auf die Erfordernisse der Schuldenbremse – sie einzuhalten, wäre ohne Zahlungen in den Länderfinanzausgleich leichter. In Bayern ärgert sich die CSU, dass die relativ hohen Abflüsse – 2012 waren es 3,9 Milliarden Euro – das Ziel eines Etats ohne Neuverschuldung vermasseln. Dass in Bayern und Hessen im September Landtagswahlen sind, erklärt die Klagen natürlich auch. Freilich geht der Unmut mit dem Länderfinanzausgleich im Süden quer durch alle Lager: Der bayerische SPD-Spitzenkandidat Christian Ude fordert auch eine Reform.

Wie funktioniert der Finanzausgleich?

Der Finanzausgleich darf nach dem Gesetz die Finanzkraft der Länder nicht völlig nivellieren. 2012 blieb den drei Zahlerländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen ungefähr ein Drittel ihrer überdurchschnittlichen Einnahmen. Der Rest fließt ab – vor allem nach Berlin. Von den 7,9 Milliarden Euro, die die drei Länder zahlten, gingen 3,3 Milliarden in die Hauptstadt. Dadurch wird Berlin zwar nicht reicher als Bayern – die Geber liegen immer vor den Nehmern, wie Karlsruhe das verlangt hat. Allerdings gibt es noch weitere Zahlungen, vor allem die Bundesergänzungszuweisungen (Geld, das natürlich vor allem in den stärkeren Regionen erwirtschaftet wird). Diese Zuweisungen bekommen alle Länder, die nach den vorhergehenden Stufen des Ausgleichssystems noch unter dem Durchschnitt liegen (genauer: unter 99,5 Prozent). Die Differenz wird zu drei Vierteln ausgeglichen. Am Ende schafft das gesamte Ausgleichswesen also doch einen sehr hohen Grad an Nivellierung bei der Finanzkraft der Länder. Setzt man den Durchschnitt mit 100 Prozent an, lag die Spanne 2011 zwischen 105,3 Prozent (Hessen) und 97,5 Prozent (Berlin). Die Stadtstaaten profitieren dabei durch eine um 35 Prozent höhere Bewertung ihrer Einwohnerzahl, womit ihre Metropolenfunktion berücksichtigt wird.

Zudem bekommen die Ost-Länder und Berlin Solidarpaktmittel, so dass sie letztlich je Einwohner mehr ausgeben können als die meisten West-Länder. Die „Dummen“ in diesem System sind vor allem Länder in der Mitte wie Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen, die wenig Zahlungen bekommen, aber pro Kopf auch nur wenig ausgeben können. Der Solidarpakt läuft 2019 aus – das heißt, dass in den nächsten Jahren ein neues Verteilungssystem geschaffen werden muss. Die Klage Bayerns und Hessens ist ein Mittel, die Verhandlungen dafür zu beeinflussen.

Was sind die Klagegründe?

Wie lauten die Klagegründe konkret?

Alle Stufen des Finanzausgleichs führten zu einem „für die Zahlerländer nicht mehr akzeptablen Übermaß, so dass eine verbotene Übernivellierung vorliegt“, heißt es in den Eckpunkten zu der Klage. Die Einwohnerwertung der Stadtstaaten „entbehrt nach Grund und Umfang einer tragfähigen Rechtfertigung“. Im Fall Berlins werde zudem die Funktion der Bundeshauptstadt durch die Länder mitfinanziert. Auch sei der Anteil, zu dem die Finanzkraft der Kommunen einbezogen werde, derzeit mit 64 Prozent zu hoch.

Daraus leiten Bayern und Hessen Forderungen ab, die natürlich auch ohne Klage eine Rolle spielen. Die Stadtstaatenwertung solle modifiziert werden. Mit Blick auf die Hauptstadtaufgaben sei eine „Sonderfinanzierung Berlins durch den Bund“ nötig. Die Deckelung der Abflüsse aus den Zahlerländern soll zu deren Gunsten verändert werden. Zudem müsse das Ausgabeverhalten der Länder in den Finanzausgleich einbezogen werden – ein Punkt, den Berlins Finanzsenator Nußbaum mit dem Hinweis kontert, der Ausgabenzuwachs in der Hauptstadt habe seit 2001 bei 2,4 Prozent gelegen, in Hessen hingegen bei 28,9 Prozent. Freilich ist Berlin auch sehr hoch verschuldet, Hessen hingegen nicht. Ausdrücklich fordern Hessen und Bayern auch mehr Steuerautonomie für die Länder, inklusive Zu- und Abschlägen bei der Einkommensteuer.

Wie reagieren die anderen Länder?

Baden-Württemberg sympathisiert mit den Klägern in der Sache, hält die Klage selbst aber für kontraproduktiv. Verhandlungen seien der bessere Weg, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Der Mainzer Finanzminister Carsten Kühl (SPD) hält die Klage für eine „reine Show“. Er verweist darauf, dass die Finanzminister der Länder derzeit in großer Harmonie die Gespräche über Reformen vorbereiteten. Im Sommer solle eine Übersicht über alle relevanten föderalen Finanzströme vorliegen. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hält die derzeitigen Regelungen für verfassungsfest, sie seien schließlich das Ergebnis der früheren Klage Bayerns, Baden-Württembergs und Hessens. Die jetzige Klage habe daher keine Chance.

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