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Otto von Bismarck

© AFP

Länderneugliederung: Von Bismarck lernen

Keine Debatte wird so dauerhaft geführt wie die über die Länderneugliederung. Auch in diesem Herbst. Soll das Saarland nun überleben dürfen? Oder nicht? Ein Glosse.

Eine Glosse von Albert Funk

Neulich diskutierte Deutschland mal wieder über seinen Zustand. Die Debatten zur Länderneugliederung kommen und vergehen ja wie Schluckauf. Die Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sich irgendwie in die Richtung geäußert, das Saarland könnte vielleicht irgendwann seine Eigenständigkeit aufgeben müssen. Da brauste es gleich mächtig durch die Debattenforen. Die Gegner des Saarlands, es sind verblüffend viele, äußerten ihre Wut, dass dieser Zwergstaat überhaupt noch existiere. Es folgte die übliche Forderung nach Abschaffung des Föderalismus mit Haut und Haaren.

Länderneugliederung ist ein Thema, bei dem alle mitreden, vergleichbar mit der Frage, wer in der Nationalmannschaft spielen soll und wer nicht. Das Saarland soll nicht mitspielen, Bremen auch nicht, Hamburg nicht, Berlin nicht (oder wahlweise Brandenburg). Sieben oder acht Länder sollen genügen, meinen viele. Oder auch sechs. Fünf. Vier. Alle Länder abzuschaffen ist eine Meinung, die verlässlich Gehör verschafft. Ordnung muss her. Schafft Einheit!

Hannover weg und Hessen dazu

Der Reichskanzler Otto von Bismarck (2015 jährt sich sein Geburtstag zum 200. Mal) ist ein großer Anhänger der Länderneugliederung gewesen. Er ging sie auch mit einigem Erfolg an. Bismarck, man würde ihn heute einen lupenreinen Demokraten nennen, setzte 1866 Blut und Eisen ein, und Knall auf Fall waren das vormalige Königreich Hannover und das Kurfürstentum Hessen sowie Nassau zu preußischen Provinzen gemacht. Schleswig und Holstein fielen ebenfalls der Eingliederung anheim. Doch Obacht: Sachsen durfte eigenständig bleiben, als Zeichen guten Willens Richtung Süddeutschland, das auch nicht preußisch werden musste. Und Bismarck nutzte auch die Chance zur ganz radikalen Flurbereinigung nicht. Waldeck zum Beispiel blieb bestehen. Auch Braunschweig. Dessau. Schwarzburg-Sondershausen. Warum bloß?

"Kleines Gemüse"

Weil Bismarck nicht nur ein großer Annektierer war, sondern auch ein Freund der Kleinstaaterei. Das „kleine Gemüse“, so nannte er Waldeck & Co., brauchte er als Stimmenlieferanten im damaligen Bundesrat, und da die mittel- und norddeutsche Kleinstaatenwelt von Preußen umschlossen und somit abhängig war, waren das verlässliche Konsorten. Damit ließ sich die preußische Hegemonie im Reich organisieren, obwohl Preußen selber nur 17 der 58 Länderstimmen hatte. Bismarck, ein wahrer Jongleur der Macht, vereinte so in einzigartiger Weise Großstaaterei und Kleinstaaterei.

Nun gibt es ja die Meinung, dass der Bund heute gegenüber den Ländern irgendwie auch hegemonial auftrete. Dass die Bundesregierungen den Landesregierungen gern reinregierten, Vorschriften machten, Zuständigkeiten wegnähmen. Im Bundesrat von heute brauchen sie dafür aber Stimmen. Die kommen gern aus dem Saarland, aus Bremen, aus Berlin, aus Brandenburg usw. Bisweilen begleitet von sogenannten Zuweisungen. Die Großstaaterei des Bundes ist ohne die Kleinstaaterei nicht denkbar. Wer also einen starken Bund will, eine mächtige Zentrale, die viel Kraft, die Einheit schafft – der muss das Saarland leben lassen.

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