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Politik: Lafontaine light

Von Albert Funk Erstmals seit Mai 1991, hat der bayerische Bundesratsminister Reinhold Bocklet (CSU) am Donnerstag mit Genugtuung verkündet, werde die Union an diesem Freitag im Bundesrat wieder die Mehrheit der Stimmen haben. Der Wahlsieg in Sachsen-Anhalt hat’s möglich gemacht.

Von Albert Funk

Erstmals seit Mai 1991, hat der bayerische Bundesratsminister Reinhold Bocklet (CSU) am Donnerstag mit Genugtuung verkündet, werde die Union an diesem Freitag im Bundesrat wieder die Mehrheit der Stimmen haben. Der Wahlsieg in Sachsen-Anhalt hat’s möglich gemacht. Und was macht die Union mit dieser Mehrheit? Alle wichtigen rot-grünen Rest-Vorhaben blockieren, wie es einst Oskar Lafontaine in der Endphase der Regierung Kohl in der Länderkammer trieb? Vorzeigeprojekte der Regierung Schröder wie das Verbraucherinformationsgesetz, die Erweiterung des Hochschulrahmenrechts oder das bundesweite Tariftreuegesetz kippen? Ganz so einfach ist es nicht. Allenfalls „Lafontaine light" wird Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber möglich sein. Der Grund: Die Union ist bei umstrittenen Gesetzen auch nicht ganz einig, alle Streitfälle werden wohl im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat landen. Dort aber hat die Union keine Mehrheit. „Das ist vorläufig das Problem", muss Bocklet eingestehen.

Beim Tariftreuegesetz, das die Union in der rot-grünen Fassung ablehnt, sind CDU und CSU in einer Zwickmühle, die der Stuttgarter Bundesratsminister Rudolf Köberle (CDU) auf den Punkt bringt: „Eine Zustimmung lehnen die ostdeutschen Länder ab, weil sie sagen, dass es für sie tödlich wäre. Andererseits haben die Unions-Länder Bayern und Saarland landeseigene Tariftreueregelungen." Stoiber hat in Bayern mit den Gewerkschaften einen Beschäftigungspakt ausgehandelt, zu dem der Ausschluss nicht tarifgebundener Unternehmen und Subunternehmen gehört. Die CDU-Regierungen in Sachsen und Thüringen aber lehnen eine Tarifbindung öffentlicher Aufträge ab, weil viele ostdeutsche Betriebe keine Tariflöhne zahlen oder umfangreiche Unteraufträge an osteuropäische Firmen vergeben. Der Kompromiss auf Unions-Seite: Man will den Vermittlungsausschuss anrufen, um eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden. Trotz des erklärten Widerstands in der Wirtschaft. Er sei zuversichtlich, so Bocklet, „dass wir zu einer hohen Konsensfähigkeit kommen". Er verweist auf das Regierungsprogramm der Union, wo in Sachen Tariftreue den ostdeutschen Ländern Ausnahmeregelungen zugestanden werden. Und dieses Regierungsprogramm, so Bocklet süffisant, „ist bis ins Detail mit allen Beteiligten ausgehandelt worden“. Im rot-grünen Entwurf seien solche Ausnahmen für den Osten dagegen nicht vorgesehen.

Beim Verbraucherinformationsgesetz von Renate Künast will Rot-Grün selbst die Vermittlung anrufen. Die Union lehnt das Gesetz aus drei Gründen ab: weil der Auskunftsanspruch von Bürgern gegenüber Behörden praxisfremd geregelt werde, das Vorhaben auf europäischer Ebene nicht abgestimmt worden sei und es die Länder zu viel Geld koste. Die Union wird zudem einen bayerischen Antrag unterstützen, der das Gesetz im Licht des Nitrofen-Skandals als unzulänglich geißelt: Vor allem, weil es Privatunternehmen nicht verpflichte, Behörden über kritische Ergebnisse bei Eigenkontrollen zu informieren. Bocklet nennt Künasts Gesetz „Etikettenschwindel". Die Anrufung der Vermittlung auf Grundlage des bayerischen Antrags aber lehnt er ab, obwohl andere Unions-Länder für eine an der Sache, nicht am Skandal orientierte Politik plädieren. Das Gesetz von Künast, so das Kalkül in München, soll wahlkampfwirksam scheitern. Künast sei eine „Ideologin", sagt Bocklet, sie habe in ihrer „Ökologiegläubigkeit den Eindruck vermittelt, es bedürfe in diesem Bereich keiner Kontrollen, weil dort nur Gutmenschen tätig sind". So etwas hören Bauern in Bayern gern. Käme Künast Forderungen der Union entgegen, riskierte sie Spannungen im Kabinett. Das weiß auch die Union. Bocklet kündigte an, eine Regierung Stoiber werde ein ganz neues Gesetz vorlegen.

Vermittlung ist auch beim dritten wichtigen rot-grünen Vorhaben angesagt: der Änderung des Hochschulrahmengesetzes. Die Bundesregierung will Studiengebühren verbieten und die verfasste Studierendenschaft wieder einführen. Hochschulpolitik ist freilich im Kern Ländersache, die Union argumentiert daher, dass der Bund hier seine Kompetenzen überschreite. Im Vermittlungsverfahren will sie erreichen, dass das Gesetz ganz gestrichen wird.

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