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Lafontaines Rücktritt: Wie ist das Verhältnis von SPD und Linkspartei?

Vor zehn Jahren hat Oskar Lafontaine seine Ämter als Finanzminister und SPD-Chef aufgegeben. Heute ist er Vorsitzender der Linkspartei. Blockiert er die Annäherung der beiden Parteien?

Von Matthias Meisner

Das Wort vom „Verrat“ hallt nach, als wäre Oskar Lafontaines spektakulärer Rücktritt vom Amt des SPD-Vorsitzenden und Bundesfinanzministers vor zehn Jahren erst gestern gewesen. Lafontaine, der als Sozialdemokrat einmal für ein „normalisiertes Verhältnis“ von PDS und SPD sorgen wollte, hat inzwischen die Hauptrolle im Stück über Kabale zwischen SPD und Linkspartei inne. Ein „Nichtverhältnis“ auf Bundesebene diagnostiziert der Linken-Politiker Lothar Bisky.

„Hängen tue ich an der SPD“, hat Lafontaine mal gesagt, kurz bevor er sich an die Spitze der Linken wählen ließ. Wenn man ihn heute reden hört, kann es sich allenfalls um Hassliebe handeln. Vor ein paar Tagen auf dem Parteitag der Linken in Essen hat Lafontaine gegen eine SPD gewettert, deren Politik „auf einer Lüge aufgebaut“ sei: Sie fordere „Wunderbares“ wie die Vermögenssteuer, und wolle das dann in einer Koalition mit der FDP umsetzen. „Nur Wählerbetrug“, höhnt Lafontaine dazu.

SPD-Chef Franz Müntefering will gelernt haben, die Linkspartei in der Sache anzugreifen und sich Spott gegen Lafontaine zu verkneifen. Das liest sich dann in Interviews so, dass die Linke „ökonomisch ignorant“ und „sozial romantisch“ sei, dass sie die in die Welt entsandten Bundeswehrsoldaten als „aggressive Krieger“ darstelle. Erst im Januar aber hat er sich doch anmerken lassen, dass er mit Lafontaine persönlich nie abgeschlossen hat. Die Linkspartei mache eine „nationale soziale Politik“, hat er da gesagt. Das klingt nach Nationalsozialismus – und selbst SPD-Vize Andrea Nahles fand das „überzogen“. Mit Lafontaine ein Bündnis auf Bundesebene? Müntefering hat mit ihm nie mehr gesprochen und verspricht: unmöglich. Und Versprechen müssen eingehalten werden, das ist die Lehre aus dem Debakel der SPD in Hessen.

Welche Verletzungen wirken noch nach?

Es ist die fortgesetzte Demütigung. Das fing mit Lafontaines Kolumnen für „Bild“ an und gilt erst recht, seit Lafontaine die SPD verlassen hat und sich zum Chef der Linken hat wählen lassen. SPD-Politiker nervt, dass Lafontaine Gefühle links wie rechts bedient, aber vor allem seiner alten Partei Wähler abspenstig macht. Aus der ostdeutschen Regionalpartei PDS hat Lafontaine eine gesamtdeutsche Kraft gemacht. Die Linke schwimmt auf der Erfolgswelle, und für ihren eigenen Niedergang macht die SPD den Ex-Genossen Lafontaine haftbar. Selbst wenn der sich gar nicht einmischt: Das Linksbündnis in Hessen ist nicht an Lafontaine gescheitert. Demontiert hat sich die SPD dort selbst nach Andrea Ypsilantis Wortbruch.

Die SPD wirkt im Umgang mit der Linken noch immer so tief verunsichert wie Anfang der 90er Jahre, als sie in der „Dresdner Erklärung“ festlegte, dass es mit der PDS „keine Zusammenarbeit“ geben dürfe. Ein Jahr später kam das „Magdeburger Modell“ zustande, eine von der PDS tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung. Die SPD hat den Verdacht nicht ausräumen können, dass für sie bis heute machttaktische Überlegungen im Vordergrund stehen, wenn es um linke Bündnisse geht. Auch deshalb erwägt sie Rot-Rot in Thüringen und im Saarland nur unter der Bedingung, dass sie selbst den Ministerpräsidenten stellen darf. Ex-Juso-Chef Björn Böhning, Wowereits Chefstratege im Roten Rathaus, sagt, dass ein linker Ministerpräsident der SPD derzeit „das Rückgrat brechen“ würde. Indirekt heißt das: Den Triumph dürfen wir Oskar Lafontaine, der sich als Regierungschef im Saarland bewirbt, nicht gönnen.

Wo gibt es Anknüpfungspunkte?

Vordenker sind jetzt vor allem die Jüngeren. Leute wie Böhning, die 1999 nicht dabei waren und die Aufregung nicht nachvollziehen können. Auch Angela Marquardt zählt zu denen, die entspannt Kontakte knüpfen. Sie war mal stellvertretende Bundesvorsitzende der PDS, ist inzwischen Mitglied der SPD und hat mit ihrer neuen Partei gleich mehrere Arbeitsverträge, einen davon bei Müntefering. Marquardt hat junge Leute von SPD und Linkspartei, nur solche aus der zweiten und dritten Reihe, mehrfach miteinander ins Gespräch gebracht. Sie sagt: „Wir müssen kein unverkrampftes Verhältnis zur Linken finden. Wir haben es.“

Voraussetzung für eine Annäherung im Bund sind weitere reibungsfrei arbeitende rot-rote Koalitionen in den Ländern – neben Berlin. Zudem muss sich bei den Protagonisten die Sehnsucht nach neuen Spitzenleuten erfüllen – in der SPD wie in der Linkspartei. Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Dietmar Bartsch, meint, nach einem Einbruch der SPD bei den Wahlen in diesem Jahr würden „die Dämme brechen“. Sein Szenario: Müntefering und Außenminister Frank-Walter Steinmeier werden abgeschrieben, Fraktionschef Peter Struck sowieso – und 2013 sieht alles viel entspannter aus. Über Lafontaine sagt der Parteimanager selbstverständlich kein böses Wort. Der ist jetzt 65, auch er tritt irgendwann ab. Noch aber soll der Saarländer der Linkspartei garantieren, dass sie zweistellig bleibt.

Welche Rolle spielen die Gewerkschaften?

Ottmar Schreiner, saarländischer SPD- Abgeordneter, war unter Lafontaine Bundesgeschäftsführer. Er ist bis heute mit Lafontaine befreundet und sagt, in zentralen Streitfragen seien die Gewerkschaften dichter an SPD und Linkspartei als an anderen Parteien. Auch Bartsch glaubt das. Irgendwann in den nächsten Jahren, so hoffen beide, müssen die Gewerkschaftschefs Michael Sommer (DGB), Frank Bsirske (Verdi) und Berthold Huber (IG Metall) daraus die „richtigen Schlüsse“ ziehen. Zu einer Regierung addieren können hätte man die Bundestagsmandate von SPD, Linken und Grünen ja schon vor vier Jahren. Ohne Akzeptanz in der Gesellschaft war das aber graue Theorie.

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