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Politik: Lage in Fukushima verschärft sich

Die Arbeiten in den Reaktoren 1 und 2 wurden wieder gestoppt – wegen verstrahlten Wassers

Tokio/Berlin - Zwei Wochen nach dem Reaktorunglück in Japan hat sich die Lage am Atomwrack in Fukushima zugespitzt. Am Freitag stoppte radioaktiv belastetes Wasser die Einsätze an den Reaktoren 1 und 2, wie die Nachrichtenagenturen Kyodo und Jiji Press berichteten. Das Wasser wurde im Untergeschoss der Turbinenräume entdeckt. Als hohe Radioaktivität festgestellt wurde, mussten sich die Techniker zurückziehen. Bereits am Donnerstag hatte stark strahlendes Wasser die Arbeiten an Reaktor 3 gestoppt. Drei Arbeiter hatten beim Austausch eines Kabels in radioaktiv verseuchtem Wasser gestanden. Weil dort am Mittwoch weder Wasser noch erhöhte Strahlung festgestellt worden war, trugen die Arbeiter keine Schutzstiefel, so dass ihnen das Wasser in die Schuhe lief. Zwei der drei Arbeiter kamen mit Verbrennungen in eine Spezialklinik.

Nach Angaben der Betreiberfirma Tepco hatte das Wasser eine Radioaktivität von 3,9 Millionen Becquerel pro Kubikzentimeter – 10 000 Mal so viel wie üblich. Vermutlich seien an Block 3 der Reaktorbehälter oder das Abklingbecken für abgebrannte Kernbrennstäbe beschädigt, berichtete Tepco. Die Atomaufsichtsbehörde Nisa fügte hinzu, das Wasser in dieser Anlage komme vermutlich vom Kern des Reaktors. Greenpeace forderte, die Internationale Atomenergiebehörde müsse den Reaktorunfall nun als „katastrophalen Unfall“ bewerten. Das entspricht Stufe 7, der höchsten, in der internationalen Ines-Skala. Bislang wird nur das Unglück in Tschernobyl so eingestuft. Japanische Behörden gehen von Stufe 5 aus.

Tepco gab den verstrahlten Arbeitern eine Mitschuld an ihren Verletzungen. Die Arbeiter hätten Strahlenzähler bei sich getragen, den ausgelösten Alarm aber ignoriert, teilte Tepco mit. Nisa forderte das Unternehmen zu einem wirksameren Schutz vor Radioaktivität auf. „Wir haben Probleme mit dem Strahlenschutz“, stellte Sprecher Hidehiko Nishiyama fest.

Am Freitag begann Tepco, die Reaktorblöcke 1 und 3 mit Süßwasser aus einem Staudamm zu kühlen. Dasselbe sei in Kürze auch bei Block 2 geplant. Zunächst setzte Tepco zur Kühlung Meerwasser ein, weil kein Süßwasser zur Verfügung stand. Doch Salz im Meerwasser greift das Metall in den Reaktoren an, verstopft die Mechanik und begrenzt so die Menge an Wasser, mit dem die Brennstäbe gekühlt werden können. An Reaktor 5 ist das reguläre Kühlsystem inzwischen wieder repariert. Die defekte Pumpe sei ausgetauscht worden, die Kühlung laufe wieder, meldete Tepco. Ansonsten sind seit der Bereitstellung der Stromversorgung für alle sechs Reaktorblöcke am Dienstag keine Fortschritte zu verzeichnen. In den Kontrollräumen von Block 1 und Block 3 konnte zwar die Beleuchtung instandgesetzt werden – das wird nun auch für Block 2 angestrebt. Was die Techniker sehen, stimmt aber nicht zu optimistisch, wie es Regierungssprecher Yukio Edano formulierte. In keinem Fall ist es bislang gelungen, das Pumpsystem für die Hauptkühlleitung zum Reaktorkern wieder in Gang zu bringen.

„Die Regierung tut das Äußerste, um die Situation unter Kontrolle zu bringen“, sagte Japans Ministerpräsident Naoto Kan am Freitag bei einer Pressekonferenz. Kan räumte ein, die Lage in Fukushima sei noch immer „sehr ernst“. „Wir sind noch nicht in einer Position, in der wir optimistisch sein können.“ Er dankte ausdrücklich den Einsatzkräften am Krisen-Akw: Sie riskierten ihr Leben. Die Verstrahlten hätten sein Mitgefühl.

Um der Erhitzung der Blöcke 1, 3 und 4 entgegenzuwirken, sollen diese Reaktoren weiter von außen mit Meerwasser gekühlt werden. Bei diesen drei Reaktoren stieg am Freitag erneut weißer Dampf auf. Die Millionenmetropole Tokio wird von den radioaktiven Partikeln in den nächsten Tagen verschont bleiben. Der Wind werde die Schadstoffe aus den japanischen Unglücksreaktoren in den nächsten Tagen auf das offene Meer tragen, sagte Meteorologe Bernd Zeuschner vom deutschen Wetterdienst in Offenbach.

Die großen Fischbestände im Pazifik sind aus Expertensicht aber nicht bedroht. „Die ersten Messergebnisse aus dem Umkreis des Unglücksreaktors in Fukushima geben keinen Anlass zur Besorgnis“, sagt Ulrich Rieth vom Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut in Hamburg. Für das wichtige Fanggebiet in der Beringsee, über 2500 Kilometer von Fukushima entfernt, sei nicht mit einer nachweisbaren Erhöhung der Radioaktivität zu rechnen. Die Lebensmittelkontrollen in Deutschland werden angesichts des Atomunglücks in Japan verstärkt. „Künftig dürfen Lebensmittel aus den betroffenen japanischen Regionen nur noch in Deutschland eingeführt werden, wenn sie in Japan streng kontrolliert und zertifiziert wurden“, teilte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner mit. Erstmals wurde in der Luft in Deutschland radioaktives Jod aus Japan gemessen. Die Dosis sei absolut unbedenklich, teilte das Bundesumweltministerium mit. dpa/rtr/kkp

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