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Jürgen Trittin im Interview: "Lage nicht populistisch ausschlachten"

Der Fraktionschef der Grünen zur aktuellen Terrorgefahr: Wir werden den Rechtsstaat nicht sichern, indem wir ihn außer Kraft setzen, sagt er im Interview mit dem Tagesspiegel.

Herr Trittin, wie ernst nehmen Sie die aktuellen Warnungen vor einem Terroranschlag in Deutschland?

Der internationale Terrorismus ist eine Bedrohung für die globalisierte Welt. Wenn Polizei und Sicherheitsbehörden Hinweise haben, dass es konkrete Anschlagsvorbereitungen gibt, dann müssen wir uns auf solche Herausforderungen vorbereiten.

Geht die Bundesregierung mit der Bedrohung angemessen um?

Das Problem ist doch: Die Koalition hat keine einheitliche Haltung. Auf der einen Seite ist da der Bundesinnenminister, der eine sehr ruhige und ernsthafte Warnung ausgesprochen und Maßnahmen angeordnet hat. Auf der anderen Seite fordern prominente Koalitionspolitiker weitreichende Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, die mit dem konkreten Vorfall wenig oder gar nichts zu tun haben, die sie aber schon immer durchsetzen wollten. Damit dementieren sie die Ernsthaftigkeit der Warnung von Herrn de Maizière. Solche widersprüchlichen Botschaften verunsichern die Bürgerinnen und Bürger.

Sie denken an Forderungen von Koalitionspolitikern nach der Vorratsdatenspeicherung?

Das gilt für die Vorratsdatenspeicherung, das gilt auch für die Fantasien von Niedersachsens Innenminister Schünemann, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen, und ähnlichen Unsinn.

Der CSU-Politiker Norbert Geis schlägt vor, angesichts der Lage sogenannte Gefährder einzusperren.

Leute wie Herr Geis sind mit solchen Forderungen selbst eine Art von Gefährder des Rechtsstaats. Wir werden den Rechtsstaat nicht sichern, indem wir ihn außer Kraft setzen. Wir Grüne nehmen die Gefahr sehr ernst. Wir werden aber jeden Versuch abwehren, die ernste Lage in populistischer Absicht auszuschlachten.

Die FDP-Justizministerin fordert mehr Stellen bei der Polizei. Hat sie da recht?

Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir unsere Polizisten so ausbilden und so bezahlen und bei Großeinsätzen so versorgen würden, dass sie ihren Job gut machen können.

Ist die Terrorismusdebatte für die Grünen nicht gefährlich, weil Ihrer Partei auf dem Feld der inneren Sicherheit von den meisten Wählern nur wenig Kompetenz zugeschrieben wird?

Wir müssen uns bei Fragen der inneren Sicherheit bestimmt nicht verstecken. Ich finde zum Beispiel die Vorstellung ziemlich absurd, dass ich in ein Flugzeug steige, wo hinten Gepäck befördert wird, das nur einer Stichprobenkontrolle unterzogen wurde, während ich nicht einmal 200 Milliliter Haarwaschmittel an Bord bringen darf. Ich bin dafür, dass alles Gepäck im Frachtraum so kontrolliert wird wie das, was direkt an Bord genommen wird. Das ist viel wirksamer als die schräge Idee, man könne Paketflugzeuge über Deutschland mithilfe der Bundeswehr abschießen.

Das Gespräch führten Matthias Meisner und Hans Monath.

Jürgen Trittin (56) führt seit Oktober 2009 gemeinsam mit Renate Künast die Bundestagsfraktion der Bündnisgrünen. Von 1998 bis 2005 war er Bundesumweltminister.

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