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Landärzte: Bis der Arzt kommt

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung schlägt gegen den Fachkräftemangel auf dem Land ein System mit „reisenden Medizinern“ vor. Ansonsten stehe die flächendeckende ärztliche Versorung auf der Kippe.

Berlin - Rezepte gegen den Ärztemangel auf dem Land gab es schon viele. Sie reichten vom finanziellen Lockangebot für Uniabsolventen bis zur Aufwertung von Arzthelferinnen zu „Versorgungsassistentinnen“. Das neueste, das die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am Dienstag präsentierte, ist auch ein Eingeständnis ihres Scheiterns. In manchen Dörfern und Kleinstädten werde es nicht gelingen, dauerhaft Haus- und Fachärzte anzusiedeln, räumte Verbandschef Andreas Köhler ein. Ballungsräume seien für Mediziner nun mal attraktiver. Und in manchen Gegenden Deutschlands gebe es inzwischen auch schlicht zu wenig Versicherte, um eine Arztpraxis voll auszulasten.

Damit die Kranken dennoch nicht unversorgt bleiben, schlug Köhler nun eine Art Filialsystem vor: „Reisende Mediziner“ verschiedenster Fachrichtungen sollten in verwaisten Gegenden wechselweise Sprechstunden anbieten, die Räume dafür sollten ihnen die Kommunen stellen. An bestimmten Tagen könne dort dann ein Allgemeinmediziner seine Dienste offerieren, an anderen etwa ein Augenarzt, ein HNO-Spezialist oder ein Gynäkologe. Hinzu kommen müsse eine stärkere Kooperation zwischen Hausärzten und Krankenhäusern sowie eine Honorierung ohne die bisherigen Budgetobergrenzen

Ohne solche neuen Wege stehe die flächendeckende Versorgung auf der Kippe, warnte Köhler. Bis 2015 müssten knapp 28 000 niedergelassene Ärzte aus Altersgründen ersetzt werden. Gerade auf dem Lande aber seien Nachfolger kaum zu finden. Helfen soll dabei nun ein attraktiveres Honorarsystem, wonach Ärzte nicht mehr pauschal nach Fallzahlen, sondern nach ihrem Zeitaufwand bezahlt werden. Das könne die hohe Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte senken helfen. Zudem müssten die Kassenärzte komplett aus ihrer bisherigen Preis- und Kostenverantwortung entlassen werden, forderte Köhler. Regressansprüche wegen überschrittener Budgets dürfe es nicht mehr geben.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen zeigte sich offen für die Vorschläge. Allerdings dürften sie insgesamt nicht zu höheren Kosten führen, mahnte Verbandssprecher Florian Lanz. Schließlich handle es sich allein um ein Verteilungsproblem, in Deutschland gebe es so viele Mediziner wie nie zuvor.

So hatte vor kurzem ausgerechnet die „Ärztezeitung“ die KBV daran erinnern müssen, dass die Zahl freier Arztsitze in den vergangenen sieben Jahren nicht gestiegen, sondern gesunken sei – und zwar auch hinsichtlich der angeblich immer rarer werdenden Spezies der Hausärzte. Genau 2030 fehlten davon zu Beginn des Jahres 2009 in Deutschland – das seien 30 Prozent weniger als noch 2003. Zuvor hatte Köhler pauschal über einen sich verschärfenden Ärztemangel geklagt und zur Behebung desselben bessere Bedingungen für Ärzte gefordert – ohne groß zwischen Stadt und Land zu differenzieren.

Bei den Psychotherapeuten habe sich der Mangel sogar um fast die Hälfte verringert, rechnete das Blatt dem Verband vor. 2003 fehlten 2490 Therapeuten, Anfang 2009 waren es nur noch 1260. Den größten  Hausarztengpass hat Niedersachsen, laut Statistik fehlen dort 498 Allgemeinmediziner. Dahinter rangiert Sachsen-Anhalt mit 255 fehlenden Hausärzten. An Psychotherapeuten hat Sachsen den höchsten Bedarf, 268 Stellen sind dort unbesetzt. Ganz anders ist es in den Großstädten. In Berlin sind 90 Therapeuten- Sitze, aber keine einzige Hausarztstelle vakant. In Hamburg wiederum fehlt es derzeit an keinem Psychotherapeuten und gerade mal an zwölf Hausärzten.

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