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Landarzt-Mangel: Ärztekammer kritisiert Rösler-Pläne

Können mehr Studienplätze den Ärztemangel auf dem Land beheben? Die Ärztekammer, aber auch Politiker von Regierung und Opposition bewerten den Vorstoß von Gesundheitsminister Rösler skeptisch.

Eine Aufstockung der Medizin-Studienplätze oder eine Bevorzugung künftiger Landärzte bei der Vergabe ist nach Ansicht der Bundesärztekammer der falsche Weg, um den Ärztemangel auf dem Land zu bekämpfen. "Ich glaube nicht, dass wir mehr Medizinstudenten brauchen, denn wir bilden eigentlich genügend Ärzte aus", sagte der Vizepräsident des Verbands, Frank Ulrich Montgomery, dem Deutschlandfunk.

Montgomery wandte sich damit gegen Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). Dieser hatte am Wochenende vorgeschlagen, solche Bewerber für das Medizinstudium zu bevorzugen, die sich für einige Jahre zur Arbeit als Landarzt verpflichten. Der FDP-Politiker plädierte auch für eine Abschaffung des Numerus Clausus, um den Zugang zum Medizinstudium zu erleichtern.

In den Dortmunder Ruhr Nachrichten forderte Montgomery die Kommunen auf, die Arbeitsbedingungen für Landärzte zu verbessern. "Die Gemeinden müssen auch die Infrastruktur schaffen, damit ein Arzt abwechselnd in verschiedenen Dörfern Sprechstunden abhalten kann." Auch die Zusammenarbeit zwischen Praxen und Krankenhäusern sei verbesserungswürdig.

Nach Ansicht des Vizepräsidenten der Ärztekammer ist es zudem wichtig, für die angehenden Mediziner die Arbeit attraktiv genug zu machen. Dazu gehörten eine bessere Infrastruktur für Ärzte und eine vernünftige Bezahlung. Daneben müsse der Anteil an Studienabbrechern in der Medizin gesenkt werden. "Man muss auch die Frage stellen, ob wir uns wirklich weiterhin leisten können, dass 40 Prozent derjenigen, die das Medizinstudium anfangen, am Ende nicht in der Medizin arbeiten wollen, sondern etwas anderes machen", sagte Montgomery. Zudem stelle sich die Frage, wer die von Rösler vorgeschlagenen zusätzlichen Medizin-Studienplätze bezahlen solle. "Damit ist uns nicht gedient, sondern gedient ist damit, dass man die Studienbedingungen verbessert und die Arbeitsbedingungen hinterher besser macht."

Rösler verteidigte seine Pläne im ZDF-Morgenmagazin. Die Menschen beurteilten eine gute Gesundheitspolitik vor allem danach, wo sie einen Arzt finden und wie lange sie auf einen Termin warten müssen, sagte er. "Geld allein wird das Problem nicht lösen." Entscheidend sei ein Bündel von Maßnahmen. Als Vorbild nannte Rösler das Engagement in Nordrhein-Westfalen, wo trotz angespannter Haushaltslage 100 zusätzliche Medizin-Studienplätze geschaffen worden sein. "Das ist eine enorme Anstrengung", sagte der Minister. Im Schnitt kostet ein Medizin-Studienplatz rund 250.000 Euro.

Kritik an Röslers Vorschlägen kam auch von Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD). Der Vorstoß sei "gut gemeint, aber daneben geschossen", sagte er im MDR-Info-Radio. Der Ärztemangel liege an zu wenig Ausbildungsplätzen, weil Länder wie Nordrhein-Westfalen ihre Ausbildungsverpflichtungen nicht wahrnehmen würden. Zudem gehe ein beachtlicher Teil der Absolventen in die Wirtschaft, die Verwaltung oder ins Ausland, wo die Arbeitsbedingungen für die Mediziner offensichtlich besser seien.

Zöllner nannte es deshalb eine Aufgabe des Gesundheitssystems, die Attraktivität des Arzt-Berufes zu erhöhen. Wenn die Gesellschaft den Ärztemangel beseitigen wolle, müsse sie die Rahmenbedingungen für die Berufsgruppe verbessern. Das sei aber kein bildungspolitisches Problem. "Das ist ein Problem, für das Herr Rösler zuständig ist."

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kritisierte in der Passauer Neuen Presse: "Wenn der Facharzt in der Stadt mehr verdient als der Hausarzt auf dem Land, nutzen auch neue Auswahlverfahren und Quoten nichts." Auch der niedersächsische Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) sagte der Financial Times Deutschland: "Quoten helfen uns überhaupt nicht weiter."

Für eine finanzielle Stärkung der Allgemeinmedizin sprach sich der Chef des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, aus. Ein angehender Hausarzt müsse kalkulieren können, wie viel Geld er bekommt, verlangte Weigeldt in der Frankfurter Rundschau. Ohne finanzielle Sicherheit werde kaum noch ein Arzt "das Wagnis einer Praxisgründung auf dem Land" eingehen. "Hausärzte arbeiten derzeit mehr und verdienen weniger als Fachärzte", beklagte Weigeldt. 

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters

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