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Politik: Landesverband Möllemann

Die Bundes-FDP wünscht sich einen radikalen Neuanfang in Nordrhein-Westfalen, doch dort tobt ein Streit um die Führung – mit Folgen auch für Parteichef Westerwelle

Von Robert Birnbaum

Das Fax umfasst vier Blatt und liest sich wie eine Anklageschrift. Und so ist der am Freitag verfasste Brief von FDP-Bundesschatzmeister Günter Rexrodt an seinen nordrhein-westfälischen Landeskollegen Andreas Reichel ja wohl auch gemeint. Formal listet Rexrodt nur seitenlang Fragen auf, die ihm der „sehr geehrte Herr Dr. Reichel“ doch bitte bis zu diesem Dienstag beantworten solle. Tatsächlich lässt das Schreiben nur den Schluss zu, dass der Bundes- dem Noch-Landeskassenwart mindestens fahrlässige, wenn nicht absichtliche Komplizenschaft mit dem Ex-Landesvorsitzenden Jürgen W. Möllemann unterstellt.

So will Rexrodt – nur ein Beispiel unter mehreren – wissen, warum Reichel ihm mehrfach versichert habe, dass er einen bestimmten Brief Möllemanns dem Verfassungsrechtler Ulrich Battis zur Verfügung gestellt habe, dieser das Schreiben aber nie erhielt. Das Versäumnis hatte Folgen: Battis kam bei der rechtlichen Würdigung des Möllemann-Kontos zu einem für den Spendensünder nicht ungünstigen Schluss. Hätte er den Brief gekannt, wäre sein Urteil wohl anders ausgefallen. Hat also, so die deutlich herauslesbare Vermutung Rexrodts, Reichel in Wahrheit zugunsten Möllemanns getrickst? Womöglich in der Hoffnung, das Urteil des renommierten Juristen Battis würde die Staatsanwaltschaft Düsseldorf beeindrucken? Das Kalkül wäre, wenn es denn so bestanden hätte, nicht aufgegangen: Seit Montag ermittelt die Behörde wegen des Verdachts, dass Möllemann gegen das Parteiengesetz verstoßen hat. Möllemann seinerseits gibt sich überzeugt, dass die Ermittlungen bald im Nichts enden, bleibt aber bei seiner Linie, erst nach seiner Gesundschreibung eine – dann allerdings „umfassende“ – Sachdarstellung geben zu wollen. Allerdings kritisierte Möllemann Rexrodt scharf: Als Liberaler sehe er „in Kommissar Rex“ nicht den „Schutzpatron des Rechtsstaats“, schrieb Möllemann in einem offenen Brief an die Mitglieder des Landesvorstandes in Nordrhein-Westfalen.

Der Fragenkatalog an Reichel kommt zu einem Zeitpunkt, an dem der erste Versuch von FDP-Chef Guido Westerwelle in Scherben bricht, die NRW-FDP nach dem erzwungenen Abgang ihres Oberchefs Möllemann neu zu ordnen. Dass Möllemanns Stellvertreterin Ulrike Flach die Richtige ist, den größten Landesverband in die Zukunft zu führen, glaubt inzwischen kaum noch jemand. Dass die langjährige Parteigängerin des Münsteraners am Montag gleichzeitig dessen Parteiausschluss forderte und Rexrodt dafür anging, dass der nicht auf den Abschluss der internen Ermittlungen gewartet, sondern die Öffentlichkeit immer sofort über Teilerkenntnisse unterrichtet hat, hat das Kopfschütteln verstärkt. Flachs Mit-Vize Andreas Pinkwart hatte am Wochenende den Fehdehandschuh hingeworfen und den von Flach quasi schon als Tatsache angekündigten Rücktritt des gesamten Landesvorstands in der Sondersitzung am Montagabend abgelehnt. Er hat sich nun mit seiner Forderung durchgesetzt, dass ein Sonderparteitag „ohne Vorgabe des Landesvorstands“ – also auch ohne die bisherige Empfehlung für Flach – über einen Neuanfang entscheidet.

Davon, wie es in NRW weitergeht, hängt viel für Westerwelle ab. Die Nominierung Flachs rechnen ihm Parteifreunde als Fehler an: Der FDP-Chef habe übertaktiert und auf die Pro-Möllemann-Fraktion Rücksicht genommen statt für Erneuerung zu kämpfen. Noch hält sich der Schmäh im parteiüblichen Rahmen. Aber dass Partei-Vize Rainer Brüderle im Interview in der „Saarbrücker Zeitung“ plötzlich seinen Vorsitzenden als „persönlichen Freund“ umarmt – das kann, wer die Bedeutung von Freundschaften in der FDP über längere Zeit verfolgt, nur als subtile Form der Warnung deuten.

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