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Landtagswahl: Althaus muss künftig zu Skiunfall schweigen

Mehrmals hat Thüringens Ministerpräsident seinen Unfall zum Wahlkampfthema gemacht. Die Familie der getöteten Skifahrerin wehrt sich jetzt: Althaus soll endlich schweigen.

Mit den Folgen des schweren Unfalls am Neujahrstag wird Dieter Althaus noch lange leben müssen. Damals prallte er auf einer Skipiste in Österreich mit einer Skifahrerin zusammen; die Frau starb später im Krankenhaus. Nach einer Blitz-Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und einer Genesungsphase kehrte Althaus nach Thüringen zurück und begann als Spitzenkandidat seiner Partei mit dem Wahlkampf für die Landtagswahl am 30. August.

Eigentlich gab es eine stillschweigende Vereinbarung zwischen allen Parteien, dass der Unfall nicht Thema des Wahlkampfs sein solle. Doch der Einzige, der sich nicht daran hielt, war Althaus selbst. Immer wieder sprach der Ministerpräsident in Interviews mit der Boulevardpresse über das Unglück, seine Rekonvaleszenz und seine Gefühle. Zuletzt äußerte er sich über einen Besuch am Grab der Toten und das freundschaftliche Verhältnis zum Witwer der Verstorbenen.

All dies ging der Familie der 41-Jährigen offenbar zu weit: Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung erwirkte sie eine Stillschweigenvereinbarung. Geschlossen wurde sie zwischen Althaus' Rechtsvertreter und Alexander Rehrl, Anwalt des Witwers. Beide Seiten hätten sich darauf geeinigt, dass in der Öffentlichkeit keinerlei Einzelheiten mehr über den Unfall oder die laufenden Schadenersatzverhandlungen erklärt würden. Dies beinhalte auch, dass Althaus keine Äußerungen mehr mache über seinen Besuch am Grab der Toten oder andere Details, welche die Familie betreffen. Damit sei die Vereinbarung faktisch eine Art Maulkorb für den CDU-Politiker, schreibt die Zeitung.

Die Vereinbarung gilt auch als Reaktion auf die öffentliche Kritik von Anwalt Rehrl an Althaus. Er hatte erklärt, die Familie des Opfers beobachte mit Unbehagen die Medienberichte, die ihre "zutiefst private Angelegenheit" an die Öffentlichkeit bringe. Der Witwer empfinde das Vorgehen des Regierungschefs als Vertrauensbruch und Pietätlosigkeit.

Zudem war der Mann nach Angaben seines Anwalts über den Friedhofsbesuch von Althaus mit seiner Ehefrau Katharina nicht informiert und hatte erst durch seine Mutter davon erfahren. Auch von einem freundschaftlichen Kontakt zwischen den beiden könne keine Rede sein. "Bis auf zwei Briefwechsel ist mir nichts bekannt", sagte Rehrl und wies damit erneut Aussagen von Althaus zurück.

Althaus selbst weist die Vorwürfe zurück. Er habe lediglich auf Fragen der Presse geantwortet, sagte er laut Süddeutscher Zeitung vor Journalisten in Gera. Dies gehöre "auch zur Pflicht eines Politikers". Zu der Vereinbarung wollte er sich ebenfalls nicht äußern. "Die Anwälte haben sich miteinander unterhalten", so der CDU-Politiker, "ich kann nichts dazu sagen, über was". Allerdings bestätigte Althaus die Vereinbarung indirekt, indem er erklärte, dass er sich nicht mehr zu dem Unfall äußern wolle.

Nicht nur in der Slowakei, dem Geburtsland der toten Skifahrerin, gibt es erhebliche Kritik an seinem Verhalten – so schrieb die Zeitung Sme, einige Äußerungen seien "jenseits des Geschmacks" gewesen –, auch bei den Vertretern der anderen Parteien stießen die Äußerungen des Regierungschefs zunehmend auf Unverständnis. So hatte ihm der SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie vorgeworfen, "kaltschnäuzig den tragischen Unfall für Wahlkampfzwecke auszuschlachten".

Für die Linke hat Althaus mit den Interviews die Grenze des guten Geschmacks längst überschritten. "Ich würde in der Bild-Zeitung
gerne mal eine Geschichte lesen, wie es der Witwer jetzt mit seinem einjährigen Kind geht, und nicht nur, wie sensibel Herr Althaus nach dem Unfall geworden ist", sagt Herausforderer Bodo Ramelow. Die Dementis des Ministerpräsidenten, er nutze das Thema nicht, sondern antworte nur auf Anfragen der Medien, hält Ramelow für unglaubwürdig. "Althaus setzt das Thema gezielt.» Dies zeige auch ein umfangreiches Interview mit seiner Frau in der soeben erschienen Illustrierten tollesthüringen, in dem sie ausführlich auf den Unfall und die Folgen eingeht. "Das ist die Berlusconisierung des Wahlkampfes."

In die Debatte schalten sich vermehrt auch Bundespolitiker ein. So bezeichnete die Fraktionschefin der Bündnisgrünen, Renate Künast, das Vorgehen von Althaus als unanständig. "Von allen anderen erwartet er, dass sie sich nicht mit seiner Straftat auseinandersetzen, für die er verurteilt wurde. Er selbst setzt den Skiunfall aber emotional im Wahlkampf ein." Für die Grünen sei dies ein weiterer Grund, Althaus nach den Landtagswahlen auf keinen Fall zu unterstützen.

Auch die FDP rückt zusehends von Althaus ab. Damit könnte sich das Thema auch nach der Wahl als Hemmnis erweisen. Laut aktueller Umfragen wird die CDU nach zehn Jahren ihre absolute Mehrheit verlieren und ist auf Koalitionspartner angewiesen. Derzeit liegt sie bei knapp 35 Prozent. Und selbst die CDU glaubt nach eigenen Angaben nicht daran, dass sie mit ihrer Wahlkampfstrategie noch die erforderlichen Prozentpunkte für eine Alleinregierung einfahren kann.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters 22.8.2009

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