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Hochrechnung 19:23 Uhr

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Landtagswahl in Bayern: CSU-Alleinherrschaft gebrochen

Ein politisches Erdbeben hat die Ära der CSU-Alleinherrschaft in Bayern beendet: Bei den Landtagswahlen haben die Christsozialen fast 18 Prozentpunkte verloren - das höchste Minus einer Partei bei Landtagswahlen seit 1950. Die SPD profitiert davon aber nicht und kommt nur auf knapp 19 Prozent.

Seit 1966 regiert die CSU in Bayern alleine - doch nun haben die Christsozialen nach den ersten Hochrechnungen ihre absolute Mehrheit verloren und erdrutschartige Verluste hinnehmen müssen. Bei der bayerischen Landtagswahl kam die CSU demnach nur auf 43,0 Prozent und braucht erstmals seit 46 Jahren einen Koalitionspartner. CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer sprach nach dem Wahldesaster für ihre Partei von einem schwarzen Tag für die CSU. "Wir haben das Wahlziel klar verfehlt", sagte sie am Sonntagabend in der ARD. Die zweistelligen Verluste stürzen die erst vor einem Jahr angetretene CSU-Spitze aus Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein in eine schwere Krise.

Beckstein (64) betonte trotz des Fiaskos für die CSU seinen Führungsanspruch: "Ich stehe für eine Koalitionsregierung zur Verfügung." Er werde vor allem mit der FDP, aber auch mit SPD und Freien Wählern reden. "Das ist für uns eine schwierige, schmerzliche und völlig neue Erfahrung." Als klarer Favorit der CSU gelten die Liberalen. FDP-Spitzenkandidat Martin Zeil bot der CSU unmittelbar nach der Wahl Gespräche an.

Größter Stimmengewinner sind die bürgerlichen Freien Wähler (FW), die mit einem wohl zweistelligen Ergebnis erstmals in das Münchner Maximilianeum einziehen, und die FDP. Die Liberalen schaffen den Hochrechnungen zufolge nach 14 Jahren Abstinenz mühelos den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Linke verpasst hingegen laut Hochrechnungen den Einzug in den Landtag. Im Parlament gibt es künftig also wohl fünf statt der bisher drei Fraktionen von CSU, SPD und Grünen.

Linkspartei unter der Fünf-Prozent-Hürde

Die CSU verliert laut der jüngsten Hochrechnung des ZDF fast 18 Prozentpunkte im Vergleich zum Spitzenergebnis von 2003 (60,7 Prozent). Damit verzeichnen die Christsozialen ihr schwächstes Ergebnis seit 1954 (38,0 Prozent). Die CSU holt demnach 87 Sitze (2003: 124). Die bisherigen Oppositionsparteien SPD und Grüne sowie die neu ins Parlament gewählten Parteien liegen gemeinsam über dem CSU-Ergebnis und erobern insgesamt mehr Sitze im Landtag (93). Die in Bayern seit fünf Jahrzehnten oppositionelle SPD kommt auf 18,7 Prozent (2003: 19,6). Die Sozialdemokraten mit Spitzenkandidat Franz Maget konnten damit von den CSU-Einbußen nicht profitieren.

Die Grünen verbessern sich auf 9,2 Prozent (2003: 7,7). Mit einem Zuwachs von mehr als fünf Punkten auf 8,1 Prozent (2003: 2,6) ist die FDP mit ihrem Spitzenkandidaten Martin Zeil der eigentliche Wahlgewinner. Die Liberalen galten für den Fall eines CSU-Debakels bereits als Favorit für eine Koalition. Die bisher nur auf kommualer Ebene relevanten Freien Wähler (FW) kommen laut der Hochrechnung auf 10,3 Prozent (2003: 4,4). Die zuletzt in Bremen, Hessen, Niedersachsen und Hamburg erfolgreiche Linkspartei liegt den aktuellen Hochrechnungen zufolge unter der Fünf-Prozent-Hürde (4,7).

Noch unter Parteichef und Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte die CSU vor fünf Jahren das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte des Freistaats eingefahren, verbunden mit einer Zweidrittel-Mehrheit der Landtagsmandate. Stoiber war vor einem Jahr auf Druck seiner eigenen Partei zurückgetreten. Der Start des Führungsduos Huber/Beckstein war durch die Milliarden-Belastungen bei der BayernLB, das Aus für den Transrapid, die Querelen um das Rauchverbot und den Dauerstreit um die Schulpolitik belastet worden. Beide hatten dennoch "50 Prozent plus X" als Wahlziel ausgegeben. Huber sieht die Verantwortung für die Verluste nicht nur bei der aktuellen Führungsspitze. "Der Wähler hat die gesamte Politik seit 2003 im Blick gehabt", sagte er, ohne seinen Vorgänger Stoiber namentlich zu nennen.

Spekulationen über personelle Konsequenzen

In den vergangenen Tagen wurde über personelle Konsequenzen für den Fall eines CSU-Debakels spekuliert. Dabei wurde Agrarminister und CSU-Vize Horst Seehofer als möglicher Huber-Nachfolger genannt. Er sagte in der ARD: "Ein einfaches Weiter so wird es nicht geben." Die Partei werde zügig Konsequenzen ziehen. Huber betonte, er halte an Generalsekretärin Christine Haderthauer fest. Der Parteichef selbst strebt 2009 ein Bundestagsmandat an, um seine bundespolitische Präsenz zu verstärken.

Besonders interessant war die Bayern-Wahl auch mit Blick auf die Bundesversammlung, die Ende Mai 2009 den Bundespräsidenten wählt. Der Rückgang der CSU-Stimmenzahl dort wird nun wohl weitgehend durch den Erfolg der FDP und der eher konservativen Freien Wähler kompensiert. Eine knappe Mehrheit für Amtsinhaber Horst Köhler in der Bundesversammlung ist angesichts unveränderter Lager in Bayern in Reichweite. Im Bundesrat schrumpft die klare Mehrheit für Schwarz- Rot, falls die CSU mit der FDP in Bayern koaliert.

CSU-Verluste schwächen auch die Union insgesamt

Bundespolitisch galt die Bayern-Wahl als Stimmungstest für die große Koalition aus CDU/CSU und SPD mit Blick auf 2009. Die massiven CSU-Verluste schwächen nun auch die Union insgesamt. 2005 hatte die CSU mit ihrem Bundestagswahl-Ergebnis von 49,2 Prozent der Union einen knappen Vorsprung vor der SPD beschert - ohne die Christsozialen wäre Merkel nicht Kanzlerin geworden. Eine neuerliche Schlappe der CSU im kommenden Jahr könnte die angestrebte schwarz-gelbe Koalition gefährden. Die neue SPD-Führung um Müntefering und Steinmeier strebt 2009 ein rot-grünes Bündnis oder eine "Ampel-Koalition" unter Einschluss der FDP an.

Wahlbeteiligung ähnlich niedrig wie 2003

Die bayerische Landtagswahl ist bei den Wählern insgesamt auf ähnlich wenig Interesse gestoßen wie vor fünf Jahren. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 57 Prozent. 2003 hatte die Wahlbeteiligung mit 57,1 Prozent den bisher niedrigsten Stand in Bayern erreicht. Insgesamt waren rund 9,3 Millionen Bürger dazu aufgerufen, den neuen bayerischen Landtag für die nächsten fünf Jahre zu wählen. (jam/dpa/AFP)

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