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Landtagswahl in Hessen: "Die SPD ist der Gewinner"

Tagesspiegel.de sprach mit Nils Diederich, Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und SPD-Mitglied, über die Chancen für Roland Koch, das Geheimnis von Andrea Ypsilanti und die Zukunft der großen Koalition.

Wer gewinnt die Wahl in Hessen?

Das kommt drauf an, wie man Gewinnen definiert. Wer stärkste Partei wird, kann man jetzt noch nicht sagen, dafür sind die Umfrageergebnisse zu ungewiss. Aber Gewinner wird auf jeden Fall die SPD sein, weil sie einen deutlichen Zuwachs erreichen wird.

Können Sie das als SPD-Mitglied neutral bewerten?
Als Wahlforscher und auch als Hochschullehrer bemühe ich mich immer, die Dinge aus der Distanz zu betrachten und neutral und analytisch zu beurteilen. Das können Sie auch meine Studenten fragen, die werden das bestätigen. Ich verheimliche meine Parteizugehörigkeit nicht, aber ich muss dazu sagen, dass ich seit Jahren nicht mehr politisch aktiv bin.

Kochs Umfragewerte sanken nach seiner Kampagne zur Jugendkriminalität ja erheblich. Kann er das Ruder durch seine Anti-Links-Kampagne noch herumreißen?

Ich glaube nicht. Denn es zeigt sich ja, dass die Linkspartei in den Umfragen in die Nähe der fünf Prozent gerückt ist und somit diese Anti-Links-Kampagnen überhaupt nichts bewirken. Es ist nicht so, dass man damit sozialdemokratische Wähler für die CDU abjagen kann. Offenbar haben die Wähler vor der dort propagierten Gefahr des Kommunismus heute weniger Angst als früher. Ich glaube, sie lassen sich davon wenig beeindrucken.

Die SPD schließt eine Koalition mit der Linken aus. Glauben sie das?

Das ist so glaubwürdig wie jede Aussage von Politikern vor den Wahlen. Da hat man ja schon so allerlei Überraschungen erlebt. Dass man mit der Linkspartei eine Koalition eingeht, halte ich aber trotzdem für eher unwahrscheinlich: Nicht, weil da einmal ein Wort gegeben worden ist, sondern weil sie für die SPD keine Perspektive bildet. Die Linkspartei ist einfach noch nicht koalitionsfähig.

 Aber mit wem könnte die SPD dann koalieren?

Da die SPD auch eine große Koalition ausgeschlossen hat, weiß ich gar nicht, was sie machen will, wenn die Linkspartei in den Landtag reinkommt und weder die CDU noch die SPD eine mehrheitsbildende Kraft haben. Die letzte Möglichkeit wäre eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP, die die FDP aber auch kategorisch ablehnt. Das Problem am deutschen Wahlsystem ist, dass die Koalitionsentscheidungen immer erst nach der Wahl getroffen werden. Somit kann es sein, dass es eine große Koalition geben wird oder eine Ampelkoalition.

Warum ist Andrea Ypsilanti plötzlich so erfolgreich?

Die SPD hat es geschafft, den Wählern erstmals die Wende, die sie auf dem Bundesparteitag vollzogen hat, nahezubringen: das heißt die Abkehr von der Agenda 2010. Weil Frau Ypsilanti schon immer diese Linie vertreten hat, ist sie jetzt besonders glaubwürdig. Außerdem profitiert sie auch davon, dass sich Roland Koch mit seinem zugespitzten Wahlkampf bei einem Teil der Wähler unbeliebt gemacht hat, besonders bei den Wählern der Mitte.

Welche Bedeutung hätte eine Niederlage der CDU in Hessen für die große Koalition in Berlin?

Ich nehme an, dass die große Koalition bis 2009 fortgesetzt wird, weil es überhaupt keine andere Möglichkeit gibt. Aber unionsintern gäbe es natürlich Auswirkungen. Erstens würde das Image von Frau Merkel als moderierende Kraft in der Partei vielleicht in Frage gestellt werden. Denn wenn die CDU in Hessen schlecht abschneidet, könnte man auch die Bundespolitik dafür verantwortlich machen und sagen: Das liegt daran, dass Angela Merkel so nachgiebig in der großen Koalition ist. So könnten die konservativen Kräfte der Union argumentieren. Das zweite wäre, dass Herr Koch ausscheidet als ein möglicher Nachfolger von Angela Merkel.

Das Interview führte Ulrike Thiele

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