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© dpa

Landtagswahl: Knappe Entscheidung im Norden

CDU-Ministerpräsident Carstensen kann in Schleswig-Holstein wohl wieder regieren. Strahlender Sieger ist aber ein anderer.

Der erwartete Jubel blieb den CDU-Anhängern sofort im Halse stecken. Als kurz nach 18 Uhr auf der Wahlparty der Union am Sonntagabend im Kieler Landeshaus die erste Prognose über die Bildschirme flimmerte, herrschte bei den meisten tiefe Enttäuschung.

Mit 31 Prozent für die CDU, die nur knapp unter dem später veröffentlichten vorläufigen amtlichen Endergebnis von 31,5 Prozent lagen, steuerte die Union auf das schlechteste Landtagswahlergebnis im nördlichsten Bundesland seit 55 Jahren zu. Erst die vage Aussicht auf eine schwarz-gelbe Mehrheit durch eventuelle Überhangmandate löste befreienden Beifall und verhaltenen Jubel aus. Eine lange Zitterpartie begann.

Am Ende zeichnete sich in Schleswig-Holstein eine neue Landesregierung ab. Der bisherige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) wird wohl mit einer denkbar knappen Mehrheit eine Koalition mit dem Wunschpartner FDP bilden können. Union und FDP liegen bei zusammen 43 Sitzen, die SPD, die Grünen, der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) und die erstmals ins Landesparlament eingezogenen Linken zählen 42 Mandate.

Die CDU könnte durch den Gewinn von Überhangmandaten diesen minimalen Vorsprung sogar noch ausbauen, oder Schwarz-Gelb eventuell doch ohne eine Mehrheit bleiben. Carstensen zeigte sich unzufrieden mit dem Ergebnis, ging aber auch an dem langen Wahlabend davon aus, dass es für eine Koalition mit der FDP reichen würde. Er verwies auf einen seiner Vorgänger, nämlich Gerhard Stoltenberg (CDU), der in Schleswig-Holstein gleich zweimal bewiesen habe, notfalls auch erfolgreich mit nur einer Stimme Mehrheit regieren zu können. „Ich gehe davon aus, dass erste Sondierungen bereits am Montag stattfinden“, sagte der CDU-Spitzenmann. Die beiden bisherigen Koalitionäre, CDU und SPD, haben jeweils historische Minusergebnisse erzielt, klammert man mal die ersten beiden Urnengänge der Nachkriegszeit aus, zu denen ein gänzlich anderes Parteienspektrum sich zur Wahl stellte.

Bei der SPD kam als erste Reaktion sofort die Frage nach der Zukunft des Landes- und bisherigen Fraktionschefs Ralf Stegner auf. Der Spitzenkandidat, der sich bereits im vergangenen Jahr dazu küren ließ, gab unumwunden die bittere Niederlage zu, schob sie aber unter anderem dem Umstand zu, dass man nach dem Mitte Juli erfolgten Bruch der großen Koalition durch Carstensen nicht auf eine vorgezogene Wahl vorbereitet gewesen sei. Die langjährige Bildungsministerin Ute Erdsiek- Rave, die von Carstensen wie die drei übrigen SPD-Minister nach dem Koalitionsbruch entlassen wurde, gestand, dass eine Personaldebatte auf die SPD-Gremien zukomme. Stegner sagte, in der SPD dürfe es nicht ein „einfach so weiter“ geben. Künftig sei besonders der Kurs gegenüber den Linken zu überdenken, die sich auf Kosten der Sozialdemokraten vermehren.

Als strahlender Wahlsieger präsentierte sich die FDP, die sich in Schleswig-Holstein seit 38 Jahren in der Opposition befand und ihr bislang bestes Resultat 1962 mit 7,9 Prozent eingefahren hatte. Dieses Mal erreichte die Partei 14,9 Prozent. Dementsprechend selbstbewusst traten die Liberalen im Kieler Landeshaus vor die Interviewmikrofone. Reichte es für ein schwarz-gelbes Bündnis, dürfte es unter anderem harte Verhandlungen in der Energiepolitik geben, wie ein bereits als denkbarer liberaler Sozialminister gehandelter Heiner Garg feststellte. Im Gegensatz zur Bundes-FDP steht die Partei in Kiel für den Atomausstieg.

Würde ein dritter Partner benötigt, wären eine Jamaika-Troika ebenso denkbar wie ein Regieren mit dem SSW. Beide kleinen Parteien verschließen sich dieser Idee nicht, machen es aber von inhaltlichen Zugeständnissen der großen abhängig. Während Carstensen zum wiederholten Male sein gutes Verhältnis zu dem Grünen-Landeschef Robert Habeck hervorhob und auf das gute Verhältnis zwischen CDU und Grünen in der Hamburger Regierung hinwies, hieß es auf den Fluren der CDU-Fraktion, dass Verhandlungen mit dem SSW gegebenenfalls einfacher seien und die Partei dann wohl auch der verlässlichere Partner sei.

Die Grünen holten in Schleswig-Holstein mit 12,4 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis. Das eigene Ziel, vor der FDP drittstärkste Kraft im Land zu werden, hat die Partei verfehlt. Die Linken freuten sich nach einem Votum von 6,0 Prozent über den Einzug in ein weiteres Landesparlament. Die innerparteilichen Querelen samt Mitgliederaustritte haben sich offenbar nur bedingt negativ ausgewirkt. Die Spitzenkandidatin Antje Jansen kündigte an, dass sie sich nicht nur auf die Oppositionsrolle freue, sondern auch auf den Wettstreit mit den konkurrierenden Oppositionsparteien.

Dieter Hanisch[Kiel]

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