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Hannelore Kraft liegt viel daran, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel sich bald zur Kanzlerkandidatur äußert.

© Wolfgang Kumm/dpa

Update

Landtagswahl und Bundestagswahl 2017: NRW-SPD für Gabriel als Kanzlerkandidat - Widerstand aus Niedersachsen

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und einer ihrer Vertrauten preisen SPD-Chef Sigmar Gabriel als den richtigen Kanzlerkandidaten. Dahinter steckt ein handfestes Eigeninteresse.

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Außerhalb von Nordrhein-Westfalen kennen ihn nur wenige, doch im Kernland der Sozialdemokraten gilt Norbert Römer als wichtigster Politiker hinter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Der Mann mit dem Bürstenschnitt und der Brille mit den feuerroten Bügeln ist Fraktionsvorsitzender der SPD im Düsseldorfer Landtag und zugleich Sprachrohr der mächtigsten deutschen Sozialdemokratin. Wenn Römer Position bezieht, kann man sicher sein, dass er Kraft und der NRW-SPD das Wort redet.

Nun hat Römer wieder Position bezogen – und zwar zu einer der heikelsten Entscheidungen, die die Bundes-SPD zu treffen hat. Es geht um Sigmar Gabriel und die Frage, ob er für die SPD 2017 als Kanzlerkandidat antreten soll. Nach wackeligen Monaten hat der SPD-Bundesvorsitzende mit dem Sieg bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, dem Gerade-noch-Erfolg von Berlin und der Zweidrittelmehrheit für das europäisch-kanadische Handelsabkommen Ceta auf einem Parteikonvent gerade viel Boden gut gemacht.

Wollte er die SPD in den Wahlkampf führen, könnte ihm das gegenwärtig niemand streitig machen. Die Frage ist nur: Will Gabriel das auch?

Hannelore Kraft will NRW-Wahl nicht mit Kandidaten-Debatte belasten

Was Hannelore Kraft will und vom Parteichef erwartet, ist mit einem Blogeintrag von Norbert Römer klar geworden: „Sigmar Gabriel spricht die Sprache der Menschen, er duckt sich nicht weg“, schreibt der Fraktionschef unter der Überschrift „Ein Plädoyer für Sigmar Gabriel“. Was folgt, ist eine Art Ausrufung des Kandidaten durch den mächtigsten Landesverband. Römer kommt zu dem Schluss: „Ich halte Sigmar Gabriel ohne Abstriche für geeignet, der nächste Kanzler zu werden.“ Weil Gabriel „unser Land und die Menschen mit ihren Problemen“ kenne, sei der „der richtige Mann für die SPD“.

Hinter Römers Plädoyer stecken handfeste Interessen. In Nordrhein-Westfalen muss Kraft im Mai 2017 ihr Amt verteidigen. Und nichts käme den Genossen an Rhein und Ruhr im anlaufenden Landtagswahlkampf weniger gelegen als eine monatelange Hängepartie in der K-Frage. Deshalb machen sie nun Druck: Gabriel soll sich entscheiden – und zwar schnell. Sofern er selbst nicht will, soll er sich erklären. Andernfalls steht er in der Pflicht.

Kraft ist schon länger der Meinung, dass der Parteichef selbst antreten muss. Zweiflern an Gabriels Eignung in anderen Landesverbänden habe sie deshalb ernsthaft ins Gewissen geredet, heißt es in Düsseldorf. Auf den bisherigen Zeitplan für die Ausrufung des Kandidaten nehmen die Nordrhein-Westfalen wenig Rücksicht. Demnach sollte erst frühestens Anfang kommenden Jahres geklärt werden, wer für die Sozialdemokratie ins Rennen geht. Doch inzwischen rücken auch Spitzengenossen im Bund davon ab: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte schon vergangene Woche wie nebenbei, die Kandidatenkür könne „vielleicht schon ein bisschen früher“ erfolgen.

Nur wenn Gabriel nicht selbst kandidieren will, drängt die Zeit

Auch dieser Satz lässt sich als Aufforderung an Gabriel verstehen: Mach’ es – oder sag’ bald, dass du nicht zur Verfügung stehst. Tatsächlich steht der Parteichef nur dann unter Zeitdruck, wenn er die Kandidatur einem anderen überlassen wollte – etwa dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz oder dem Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz. In diesem Fall müsste er sich wohl noch im Oktober aus dem Spiel nehmen, damit vor der NRW-Wahl noch ausreichend Zeit bliebe, um die K-Frage zu klären.

Was aber will Gabriel? Bis in die SPD- Führung herrschen Zweifel, ob er am Ende tatsächlich springen wird. Dagegen sprechen könnten seine niedrigen persönlichen Beliebtheitswerte und das Verharren der SPD bei Umfrageergebnissen von unter 25 Prozent. Auch weiß er, dass es nach wie vor viele Genossen gibt, die mit ihm hadern und sich dringend einen anderen Kandidaten wünschen.

Offenbar Widerstand aus Gabriels Heimat Niedersachsen

Ausgerechnet Bundestagsabgeordnete aus Gabriels niedersächsischer Heimat sollen am Donnerstag erhebliche Bedenken gegen eine Kandidatur des Vorsitzenden vorgetragen haben. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, hätten sie bei einem Treffen mit Fraktionschef Oppermann mangelndes Vertrauen der Bevölkerung in Gabriel beklagt. Das ließe sich aus Eindrücken im niedersächsischen Kommunalwahlkampf ableiten. Der Zeitung zufolge soll der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Matthias Miersch, eine verbreitete Meinung an der Parteibasis referiert haben, wonach die SPD mit Gabriel als Kandidat die Wahl nicht gewinnen könne.

Der im "Seeheimer Kreis" zusammengeschlossene rechte SPD-Flügel warnt vor einer verfrühten Debatte über die SPD-Kanzlerkandidatur. "Seeheimer"-Sprecher Johannes Kahrs sagte dem Berliner "Tagesspiegel" (Samstagausgabe):  "Die Debatte ist nicht sinnvoll, so lange wir nicht wissen, ob Frau Merkel überhaupt noch einmal antritt. Im Moment sieht es nicht so aus." Das Vorschlagsrecht für den SPD-Kanzlerkandidaten liege bei Parteichef Sigmar Gabriel, betonte Kahrs. Eine Entscheidung werde "frühestens um den Jahreswechsel" fallen. 

Für den Vizefraktionschef der Bundestagsfraktion Karl Lauterbach ist die Frage dagegen längst entschieden: „Ich gehe auf jeden Fall davon aus, dass es Gabriel wird“, sagt er. Und die SPD könne sich Zeit lassen – zumindest so viel Zeit wie die Konkurrenz. Lauterbach: „Wir müssen uns aber nicht bewegen, bevor Angela Merkel sich nicht erklärt hat.“ Die Kanzlerin will voraussichtlich auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember Klarheit schaffen.

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