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Nur wenige Stunden vor dem Start des Transports in der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague warnte ein Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, die Neutronenbelastung der elf Behälter liege deutlich höher als in der Vergangenheit: „Es ist gefährlich, sich im Nahbereich aufzuhalten.“

© dapd

Lange Anfahrt: Was der Castortransport für Gorleben bedeutet

Zehntausende Demonstranten, 17.000 Polizisten: Das Wendland steht unter Hochspannung. Seit Freitag ist der Castortransport mit hochradioaktivem Müll unterwegs.

Beobachter befürchten für die nächsten Tage auch gewaltsame Aktionen. Wogegen richtet sich der Protest?

Gegen den Transport von elf Castor-Behältern mit hochradioaktivem Atommüll nach Gorleben. Der Zug ist Freitagnachmittag in Frankreich gestartet und soll am Sonntag im Wendland eintreffen. Er ist 600 Meter lang und wiegt insgesamt 2500 Tonnen. Die Castoren sollen ins Zwischenlager Gorleben. Umweltschützer befürchten, dass jeder weitere Atommülltransport Gorleben auch als Endlager festschreibt. Den Salzstock halten sie für einen völlig ungeeigneten Standort.

Wird im Wendland schon demonstriert?

Die Protestaktionen gegen Atommülltransporte beginnen traditionell mit einer Schülerdemonstration. Freitagmorgen zogen rund 1000 Jugendliche durch Lüchow. Auch 15 mit Fahnen und gelben „X“ geschmückte Traktoren rollten im Demozug mit. Die Aktion der Schüler hatte das Motto „Je länger eure Laufzeiten, desto größer unser Zorn“ und richtete sich gegen die von der Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Die Polizei hielt sich im Hintergrund. In den vergangenen Jahren hatte es bei den Schüler-Demos oft Auseinandersetzungen zwischen den Jugendlichen und Polizisten gegeben.

Allerdings gab es bereits erste kleinere Zwischenfälle. Kurz nach dem Start des Castortransports am Freitagnachmittag in Frankreich blockierten rund 30 Atomkraftgegner den Konvoi. Bereits am Donnerstagabend versperrten rund 200 Atomkraftgegner bei Metzingen die Bundesstraße 216 und zündeten auf der Fahrbahn eine Feuertonne an. Mehrere Traktoren kurvten kreuz und quer durch das Dorf. Der Durchgangsverkehr stand etwa eine Stunde lang still, auch mehrere LKW steckten fest. Als die Demonstranten die Straße auch nach mehrfacher Aufforderung nicht verließen, räumte die Polizei die Fahrbahn und drängte die Blockierer ab. Ebenfalls in der Nacht zu Freitag blockierten Unbekannte die Castor-Bahnstrecke mit einem großen Stein, der mit Anti-Atom-Parolen beschriftet war. Beamte entdeckten und entfernten ihn.

Was ist am Samstag geplant?

Zehntausende wollen zu einer Kundgebung auf einen Acker in die Nähe von Dannenberg kommen. Es gibt ein Kulturprogramm und etliche Redebeiträge. Die Demonstranten reisen in rund 300 Bussen und mindestens 6000 Autos an. Bürgerinitiativen und die Polizei befürchten erhebliche Verkehrsprobleme. Sie haben gemeinsam ein Konzept erarbeitet, um wenigstens das ganz große Chaos auf den Straßen zu vermeiden. Auch von den Atommüllstandorten Asse und Schacht Konrad sowie aus dem Kreis Göttingen werden Traktoren-Konvois erwartet.

Viele der auswärtigen Demonstranten übernachten in Zelten in einem der Camps, die an der Castor-Strecke errichtet wurden. Andere kommen in den Häusern und auf den Höfen einheimischer Atomkraftgegner unter. Auch alle Hotels und Pensionen im Wendland sind ausgebucht. Die Polizei hat ein Containerdorf in der Nähe des Castor-Verladebahnhofs errichtet. Viele Beamte übernachten in einer ehemaligen Bundeswehrkaserne.

Werden die Proteste gewalttätig?

Am Samstag eher nicht, für die kommenden Tage lässt sich das aber schwer vorhersagen. Die Polizei rechnet mit überwiegend friedlichen Protesten. Die organisierten Castor-Gegner haben erklärt, dass von ihnen keine Gewalt gegen Menschen ausgehen wird. Ab Sonntag sind Straßen-, Schienen- und Straßenblockaden geplant, auch die „Schotterer“ wollen sich dann an der Bahnstrecke zu schaffen machen und Schottersteine aus dem Gleisbett räumen. Das wird die Polizei nicht hinnehmen. Wenn es den Demonstranten überhaupt gelingt, an die Schienen zu kommen, wollen die Beamten gleich einschreiten. Dann könnte es gewaltsame Auseinandersetzungen geben.

Sind die Castor-Behälter gefährlich?

Das ist umstritten. Das niedersächsische Umweltministerium hat umfangreiche Messungen an den Behältern zum Schutz von Bevölkerung und Begleitpersonal vor Strahlung angekündigt. Die Behälter wurden demnach in Frankreich schon auf Kontaminationen an der Außenseite und auf Einhaltung der Grenzwerte für die Strahlung untersucht. Weitere Messungen gibt es beim Umladen in Dannenberg und der Ankunft im Zwischenlager Gorleben. Unstrittig ist, dass jeder Castor mehr radioaktive Strahlung enthält als das gesamte Atommülllager Asse. Umweltschützer wollen herausgefunden haben, dass in jedem Behälter pro Sekunde 350 000 000 000 000 000 Atomkerne zerfallen und dabei Strahlung aussenden.

Warum werden radioaktive Abfälle aus dem Ausland nach Deutschland gebracht?

Ein großer Teil des nun zurücktransportierten Atommülls stammt ursprünglich aus deutschen Atomkraftwerken. Bis Mitte 2005 durften abgebrannte Brennstäbe aus Deutschland zur Wiederaufarbeitung ins Ausland gebracht werden. Die Energieversorger, die Kernkraftwerke betreiben, sind verpflichtet, die bei der Wiederaufarbeitung entstandenen Abfälle zurückzunehmen. Seit dem 1. Juli 2005 ist die Wiederaufarbeitung von Brennelementen aus deutschen Akws verboten.

Seit wann und wie lange noch gibt es Castortransporte nach Gorleben?

Dieser Transport ist der 12. Der erste fand 1995 statt. Im Zwischenlager stehen bisher 91 Castoren. Dort sind insgesamt 420 Stellplätze vorhanden. Castortransporte aus der Wiederaufarbeitung im Ausland gibt es voraussichtlich noch bis 2025. Ein Teil dieser Abfälle, die hochradioaktiven HAW-Glaskokillen, sollen in das Zwischenlager in Gorleben, ein Teil in das Zwischenlager in Ahaus gebracht werden.

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