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Politik: Lange Schatten in Pjöngjang

Fahren Südkorea und China ihre Hilfen zurück?

Nach der Erschütterung durch den Atomtest folgt das politische Beben: Südkorea und China, die Nordkorea bislang politisch und wirtschaftlich am stärksten gestützt haben, denken über eine neue Strategie im Umgang mit dem Regime in Pjöngjang nach.

Südkoreas Präsident Roh Moo Hyun erklärte, die Regierung müsse die „Sonnenscheinpolitik“ überdenken, mit der Südkorea sich in den vergangenen Jahren um eine politische Annäherung an den Norden bemüht hatte. Südkoreas militärische Führung traf sich zu einem Krisensitzung unter Leitung von Verteidigungsminister Yoon Kwang Ung – um, wie es hieß, die „Militärbereitschaft des Landes zu überprüfen“. Südkoreas Armee sei nicht in Alarmbereitschaft. Man habe jedoch die Überwachung der See- und Landgrenze zum kommunistischen Norden verstärkt.

Die „Sonnenscheinpolitik“ geht auf Rohs Vorgänger zurück, den früheren Präsidenten und Nobelpreisträger Kim Dae Jung. Kim war im Jahr 2000 bei einem historischen Gipfeltreffen mit Nordkoreas Führer Kim Jong Il zusammengetroffen. Seoul unterstütze seitdem das Regime im Norden mit großzügigen Wirtschaftshilfen. Beobachter rechnen damit, dass Seoul sich nun stärker an die USA anlehnen und eine härtere Politik gegenüber Nordkorea einschlagen wird. Obwohl die Südkoreaner seit Jahrzehnten mit der militärischen Bedrohung durch den Norden leben, waren viele Menschen schockiert über die Atomdrohung des Regimes.

Immer deutlicher wird auch das politische Dilemma, in dem sich Peking durch den Atomtest des ehemaligen sozialistischen Bruderlandes befindet. In einer ersten Reaktion hatte Pekings Außenministerium Pjöngjangs Vorgehen noch als „skrupellos“ kritisiert – ein Wort, mit dem China normalerweise nur diplomatische Rivalen und ehemalige Feinde bezeichnet. Am Dienstag jedoch ruderte Peking wieder etwas zurück. Ein Sprecher des Außenministeriums wollte internationale Sanktionen weder unterstützen noch ausschließen.

Beobachter vermuten, dass Peking in der Atomkrise auf Zeit spielen wird. Denn egal wie sich Chinas Führer im Umgang mit Pjöngjang entscheiden, droht diplomatisches Ungemach. Wenn sie sich weiter gegen Sanktionen sperren, schädigt das die Beziehungen zu den USA und anderen Staaten. Umgekehrt, sollte Peking sich für einen harten Wirtschaftsboykott aussprechen, würde dies faktisch das Ende der Beziehungen zu Pjöngjang bedeuten. „China ist in einer sehr schwierigen Position“, sagte ein Diplomat in Peking. „Noch haben sie Einfluss auf das Regime in Nordkorea, wenn auch nicht viel.“

Chinesische Nordkorea-Experten warnen, dass zu harte Sanktionen zu einem Zusammenbruch des Landes oder gar einem Suizidangriff des Regimes führen könnten. China ist für Nordkorea der wichtigste Lieferant von Öl und Nahrungsmitteln. Peking duldet zudem einen regen Grenzhandel, die wichtigste Versorgungslinie für die 23 Millionen Nordkoreaner mit Alltagsutensilien und Kleidung. Das letzte und vermutlich härteste Druckmittel gegenüber Pjöngjang wäre, wenn Peking diesen Handel unterbricht.

Harald Maass[Peking]

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