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Der türkische Präsident Recep Tayyib Erdogan während des G20-Gipfels in Hamburg.

© AFP/ Tobias Schwarz

Laut Bundesregierung: Türkei zieht Terrorliste deutscher Firmen zurück

Etwa 700 deutsche Unternehmen sollen auf einer Liste gestanden haben, die die Türkei wegen Terrorverdachts geführt hatte. Jetzt spricht Ankara von einem "Kommunikationsproblem".

Nach heftiger Kritik aus Deutschland hat die Türkei eine umstrittene Liste mit knapp 700 terrorverdächtigen deutschen Unternehmen wieder zurückgezogen. Das teilte ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag in Berlin mit. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu habe in einem Telefonat mit de Maizière von einem „Kommunikationsproblem“ gesprochen und versichert, dass weder türkische Behörden in der Türkei noch in Deutschland gegen Unternehmen ermittelten, die auf einer Liste geführt worden seien.

Die Liste terrorverdächtigter Unternehmen hatte für erhebliche Unruhe auch in der deutschen Wirtschaft gesorgt. Nach Darstellung der Bundesregierung hatte die Türkei im Mai über den Interpol-Weg an Deutschland eine Liste mit knapp 700 Unternehmen übermittelt, die nach der ursprünglichen Mitteilung aus Ankara aufgrund ihrer Geschäftsbeziehungen zu türkischen Firmen aufgefallen seien und gegen die türkische Behörden wegen Terrorfinanzierung ermittelten.

„Völlig unbescholtene Unternehmen“

Die Bundesregierung hatte die Vorwürfe als absurd zurückgewiesen. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) riet von Investitionen in der Türkei ab, da „völlig unbescholtene Unternehmen“ in die Nähe von Terroristen gerückt würden. Daraufhin wurden auch Export- und Investitionsabsicherungen auf den Prüfstand gestellt. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministerium sagte, trotz dieser Klarstellung herrsche für deutsche Unternehmen immer noch große Unsicherheit, was Investitionen und das Geschäftsgebaren der Türkei betreffe: „Das wird wohl auch noch eine Weile andauern.“ Es müsse auch weiter das klare Signal an die Türkei gesendet werden, dass Deutschland Rechtsstaatlichkeit erwarte. Die staatlichen Hermes-Bürgschaften zur Absicherung von Türkei-Geschäften und Ausfuhren in das Land würden nach wie vor geprüft. „Bei uns ist noch alles auf dem Prüfstand“, sagte die Sprecherin.

CDU-Fraktionschef will wirtschaftlichen Druck erhöhen

Unionsfraktionschef Volker Kauder hält wirtschaftlichem Druck weiter für ein geeignetes Mittel, um Einfluss auf Ankara zu nehmen. „Wir wissen, dass die Türkei erhebliche wirtschaftliche Probleme hat“, sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Deshalb sei Ankara ja auch so aufgebracht, wenn es Reisehinweise oder gar Reisewarnungen gebe. Die EU-Beitrittsverhandlungen und die Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion seien „Druckmittel gegenüber der Türkei“. Kauder betonte: „Wir müssen der Türkei schon sagen, dass es so nicht weiter geht.“

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg legte unterdessen einen Vorschlag zur Lösung des Streits um das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete in der Türkei vor. Er bot an, im Rahmen der Nato eine Parlamentarier-Reise zum türkischen Stützpunkt Konya zu organisieren, sagte ein Sprecher am Montag in Brüssel. Der Generalsekretär sei deswegen bereits in Kontakt mit deutschen und türkischen Regierungsvertretern. Die Türkei hatte vor kurzen einen geplanten Besuch von Bundestagsabgeordneten bei den rund ein Dutzend deutschen Soldaten in Konya auf unbestimmte Zeit verschoben.

In Istanbul begann am Montag der Prozess gegen zahlreiche Mitarbeiter der regierungskritischen türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ wegen Unterstützung von Terrororganisationen. Die ersten Angeklagten wiesen jede Schuld zurück. Der Prozessauftakt wurde von scharfer internationaler Kritik begleitet. Reporter ohne Grenzen (ROG) nannte die Vorwürfe gegen die 17 „Cumhuriyet“-Angeklagten „absurd“. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) forderte ein sofortiges Ende des Verfahrens und die Freilassung der Inhaftierten.

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