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Leben in Ostdeutschland: Die Einheit steht nicht hoch im Kurs

Die Zahl der Einheitsskeptiker in Ostdeutschland wächst. 43 Prozent der Menschen in den neuen Ländern und Ost-Berlin haben keine Hoffnung mehr, dass die deutsche Einheit jemals erreicht werden kann.

Von Matthias Meisner

Das ist eines der Ergebnisse einer Erhebung zum „Leben in Ostdeutschland“, die das Sozialwissenschaftliche Forschungszentrum Berlin-Brandenburg im Auftrag der Linksfraktion des Bundestages erstellt hat. Die Wissenschaftler haben im März/April fast 1300 Ostdeutsche befragt. Nur noch acht Prozent von ihnen sehen die deutsche Einheit bereits als vollendet an – vor zwei Jahren hatte ein Zusammenwachsen von Ost und West noch jeder Fünfte konstatiert. Besonders skeptisch sind Frauen und Ältere.

Die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch sprach bei einer Präsentation der Studie von einer „gewissen Resignation“ in den neuen Ländern. „Vieles, was man sich 1989/90 vorgestellt hat, ist so nicht eingetreten“, sagte sie. Als Kriterien für die deutsche Einheit werden von den Befragten an vorderer Stelle Chancengleichheit und Einkommensgerechtigkeit genannt. Zwei Drittel der Befragten wollen, dass „positive DDR-Errungenschaften“ wie Kindergärten oder Polikliniken übernommen werden.

Immerhin ein Viertel der Ostdeutschen fordert, dass im Osten „ähnlich hohe Vermögen“ vorhanden sein müssten wie im Westen. Kritisiert wird von einem Großteil der Befragten, dass auch noch in der Gegenwart zu wenige Ostdeutsche in „gesellschaftlichen Schlüsselpositionen“ wie Politik, Wirtschaft, Militär, Diplomatie oder Hochschulen vertreten seien. Drei Viertel der dazu Befragten glauben, die Ostdeutschen hätten zu wenig einflussreiche Kontakte oder ihnen werde von Westdeutschen keine Führungsposition zugetraut.

Eine große Mehrheit der Befragten stellt ein wachsendes Ungleichgewicht in den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen fest. Dazu zählt die Einschätzung der Ostdeutschen, Banken, Stromkonzerne, Pharmaindustrie und Rüstungsindustrie hätten mehr Einfluss als Bundespolitiker. Gewerkschaften und Sozialverbände dagegen hätten weniger Einfluss beispielsweise als Kommunalpolitiker, Ärzteverbände oder Landespolitiker. Besonders kritisch zu diesem Punkt äußern sich Hochschulabsolventen. Von denen sieht nicht einmal die Hälfte der Befragten einen „sehr großen oder großen“ politischen Einfluss der Bundespolitiker, hinsichtlich der Landespolitiker sind es sogar nur 30 Prozent, bezüglich der Kommunalpolitiker gar nur 22 Prozent.

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