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Politik: Lebensläufe der Wende

Abgeordnete, Geschäftsführer, Ruheständler, Arbeitslose – Was aus den 23 Ministern des letzten DDR-Kabinetts unter de Maizière geworden ist

Von Matthias Schlegel

Nach 15 Jahren sind nur noch wenige Minister aus dem letzten DDR-Kabinett in der Politik aktiv. Ex-Außenminister Markus Meckel (SPD) gehört seit Dezember 1990 bis heute dem Bundestag an. Der 52-Jährige ist zugleich Vorsitzender des Stiftungsrates der „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Deren Vorstandsvorsitzender ist Rainer Eppelmann , damals Minister für Abrüstung und Verteidigung. Wie Meckel von Hause aus Pfarrer, hatte Eppelmann im Oktober 1989 den Demokratischen Aufbruch (DA) mitbegründet, der mit der CDU fusionierte. Der 62-Jährige, seit 1990 im Bundestag, hat angekündigt, sich 2006 aus der Politik zurückzuziehen.

Bis zu ihrem Tod im November 2001 war auch Regine Hildebrandt , SPD-Ministerin für Arbeit und Soziales im De-Maizière-Kabinett, in der Politik aktiv. In Brandenburg bleibt sie als streitbare Sozialministerin unvergessen. Hans-Joachim Meyer , 1990 DDR-Minister für Bildung und Wissenschaft, war von 1990 bis 2002 sächsischer CDU-Minister für Wissenschaft und Kunst. Seit 1992 Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, ist Meyer seit 1997 dessen Präsident. Cordula Schubert , CDU-Ministerin für Jugend und Sport, ist in Sachsens Sozialministerium für Europakoordinierung zuständig.

Der SPD-Minister für Post- und Fernmeldewesen und promovierte Physiker Emil Schnell (51) bietet nach zwölf Jahren Bundestagszugehörigkeit nun als Freiberufler in Potsdam Automatisierungslösungen für Labore und Industrie an. Der 59-jährige Klaus Reichenbach (CDU), einstiger Staatskanzleichef, führt nach vier Jahren Bundestagszugehörigkeit eine Anwaltskanzlei in seinem Heimatort Hartmannsdorf. Er ist Präsident des sächsischen Fußballverbandes. Peter-Michael Diestel , Ex-Innenminister, war einst Mitbegründer der Deutschen Sozialen Union (DSU). Im August 1990 zur CDU gewechselt, war er bis 1992 Fraktionschef im Potsdamer Landtag. Seit 1993 führt der heute 53-Jährige eine Rechtsanwaltskanzlei in Potsdam und im mecklenburgischen Zislow. Der einstige Wirtschaftsminister Gerhard Pohl (CDU) ist geschäftsführender Gesellschafter einer Firma zur Entwicklung veredelter Kunststoffe in Forst/Lausitz. Als Vorsitzender des Vereins der Forster Tuchmacher versucht der 67-Jährige, den einst typischen Industriezweig der Region wiederzubeleben. Nach vierjähriger Bundestagszugehörigkeit ist der frühere Verkehrsminister Horst Gibtner (CDU/64) heute Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Mecklenburg-Vorpommern. Der 52-jährige Axel Viehweger , für die Liberalen einst Bauminister, ist Direktor des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V. in Dresden. Der 63-jährige Chemieprofessor Karl-Hermann Steinberg (CDU), Ex-Minister für Umwelt, Naturschutz, Energie und Reaktorsicherheit, ist heute selbstständiger Unternehmer im Umweltbereich in Merseburg (Sachsen-Anhalt). Geschäftsführender Gesellschafter eines privaten Reha-Zentrums in Dresden ist Orthopädie-Facharzt Jürgen Kleditzsch , der frühere Gesundheitsminister. Zugleich betreibt der 61-jährige Professor eine Praxis in Neu-Ulm (Bayern), wo er auch wohnt. Aus der CDU ist er vor ein paar Jahren ausgetreten – wegen deren „Konzeptlosigkeit im Gesundheitswesen“. Der Minister für regionale und kommunale Angelegenheiten Manfred Preiß (Liberale) ist in Magdeburg Geschäftsführer einer Umweltfirma.

Kulturminister Herbert Schirmer (59) ist 1991 aus der CDU aus- und 1992 in die SPD eingetreten, die er 1998 wieder verließ. Im gleichen Jahr schied er als Leiter aus dem von ihm initiierten „Dokumentationszentrum Kunst in der DDR“ auf Burg Beeskow aus. Seit 2004 ist der in Lieberose ansässige Schirmer selbstständiger Kunst- und Kulturmanager. Die frühere Fachschuldozentin Sybille Reider (SPD) war im De-Maizière-Kabinett Ministerin für Handel und Tourismus. Frustriert von Fraktionszwang und Westberatern („Das war es nicht, wofür wir 1989 auf die Straße gegangen waren“) trat sie kurz nach ihrer Ministerzeit aus der SPD aus. Sie lebt heute als „Arbeitslose und Hausfrau“ in ihrem Geburtsort Wengelsdorf in Sachsen-Anhalt, wo sie ehrenamtliche Bürgermeisterin ist.

Medienminister Gottfried Müller (70) war im Oktober 1990 als Landtagspräsident in das Thüringer Parlament eingezogen. Von 1994 bis zum Ruhestand 1999 war Müller dann Präses der Vereinigten Kirchen- und Klosterkammer in Erfurt. Ebenfalls zur Ruhe gesetzt hat sich Forschungsminister Frank Terpe (SPD) nach einem langen Wissenschaftlerleben als Professor an der Greifswalder Ernst-Moritz-Arndt-Universität. Auch der liberale Justizminister Kurt Wünsche (75), der zur Wendezeit schon eine lange politische Karriere in der Blockpartei LDPD hinter sich hatte und als DDR-Justizminister 1972 in Ungnade gefallen war, ist längst im Ruhestand. Hans-Wilhelm Ebeling (71), Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und vormalig Pfarrer an St. Thomas in Leipzig sowie Gründungsvorsitzender der DSU, lebt ebenfalls als Ruheständler in Berlin, ebenso Finanzminister a.D. Walter Romberg (SPD). Die frühere CDU-Ministerin für Familie und Frauen Christa Schmidt ist seit zwei Jahren Rentnerin und lebt in Leipzig. Zuletzt hatte sie Lehrerseminare gegeben. Der 1990 parteilose Landwirtschaftsminister Peter Pollack , später SPD, lebt als Rentner in Paulinenaue bei Nauen. Der 74-jährige Professor war mehrere Jahre Agrarberater der SPD in Sachsen-Anhalt, später in Brandenburg.

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