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Unterricht in einem Gymnasium in Esslingen.

© dpa

Lehrer in Deutschland: Lämpels Lektion

Damit Lehrer in Deutschland zukunftsfähigen, modernen Unterricht machen können, muss der Staat endlich die Weichen für den Wandel stellen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Anja Kühne

Lehrer? Sein deutscher Archetyp ist Lehrer Lämpel, ein etwas wichtigtuerischer, aber gemütlicher Typ mit Schlafmütze, der gerne sein Pfeifchen raucht und von Max und Moritz nicht gemocht wird. Natürlich ist Lehrer Lämpel in die Zeitmaschine gestiegen und hat darin 150 Jahre pädagogischen Fortschritts durchmessen. Aber ist er in der Jetztzeit angekommen? Blickt man auf die Anforderungen, die die OECD an den Beruf des Lehrers stellt, kommen für Deutschland Zweifel auf. Deutsche Lehrerinnen und Lehrer tragen zu oft noch Lämpels Schlafmütze. Das ist nicht ihre Schuld. Der Staat setzt sie ihnen auf.

Bis zum heutigen Freitag diskutieren 400 Pädagogen beim internationalen Lehrer-Gipfel in Berlin darüber, wie der Beruf weiter professionalisiert werden kann. Mitveranstalterin ist die OECD. Was sie sich unter einem zeitgemäßen Unterricht vorstellt, hat nur noch wenig mit dem zu tun, was Generationen mit Schule verbunden haben.

Die Schüler sollen im Mittelpunkt des Unterrichts stehen

Nicht der Lehrer soll im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens stehen, sondern die Schüler, hat Andreas Schleicher, Chef der Bildungsabteilung der OECD, gerade erklärt. Die Pädagogen sollen den Schülern nicht Wissen vermitteln, sondern sie dabei anleiten, sich selbstständig Wissen anzueignen. Während die deutschen Lehrkräfte ihren Unterricht gerne an die Schüler auf mittlerem Niveau adressieren und dabei die Leistungsstarken und -schwachen aus den Augen verlieren, wie die Pisa-Ergebnisse zeigen, geht es in der modernen Schule darum, „individuelle Lernstrategien“ zu entwickeln und „motivierende Leistungsrückmeldungen“ zu geben. Wünscht sich die OECD eine naive Kuschelpädagogik? Wohl kaum. Wie schon ihr Name „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ sagt, interessiert sie sich ganz kühl für Wirtschaft. Bildung ist dafür die Grundlage.

Deutsche Lehrer hinken hinterher

Deutsche Lehrer tauschen sich zwar über ihre Schüler aus. Aber wenn es um ihren Unterricht geht, lassen sie sich nicht gerne in die Karten gucken. Die OECD verspricht sich viel davon, wenn Lehrer den Unterricht gemeinsam vorbereiten und verbessern. Und tritt das Kollegium nicht als Ansammlung von Einzelkämpfern auf, sondern als Team, wird es für Max und Moritz auch schwerer, Lämpel in der Pfeife zu rauchen.

Natürlich gibt es auch in deutschen Schulen zukunftsweisende Kollegien und viele Lehrer beherrschen moderne Unterrichtstechniken. Diese Kollegien und Pädagogen treiben den Wandel voran – aber nicht, weil der Staat die Weichen dafür gestellt hat, sondern obwohl er es versäumt hat.

Für die Politik sind Schulen lästige Kostgängerinnen

Die deutsche Politik sieht in Schulen seit jeher keine Zukunftslabore, sondern lästige Kostgängerinnen. Die Folge sind zu knappe Personaldecken, ein zu hohes Stundenpensum, fehlende Möglichkeiten zur Weiterbildung, fehlende Unterstützung durch Sozialarbeiter und Psychologen, ungeeignete, oft sogar verwahrloste Räumlichkeiten. All das lässt Reformen scheitern. Vor allem offenbart es eine erschreckende Lieblosigkeit gegenüber der jungen Generation. Zu allem Übel drückt die Schuldenbremse auf die Länder. Die jetzige Schulpolitik wird also fortgesetzt. Max und Moritz, diese beiden, mochten sie darum nicht leiden.

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