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Sehen sich als die Guten. Angestellte Lehrer in Berlin im Warnstreik.

© dpa

Lehrerstreik: Berlin braucht keine Beamten an den Schulen

Die Prophezeiungen, Berlin werde nicht genügend angestellte Lehrer finden, ist widerlegt. Berlin ist als Stadt attraktiv. Auf Lehrer, denen es vor allem um den Beamtenstatus geht, kann die Hauptstadt getrost verzichten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

In Deutschland, der erfolgreichen Industrienation, schlummern die Rohstoffe nicht unter der Erde. Lange vorbei sind die Zeiten, als mit dem schwarzen Gold ein Volk zu Wohlstand kam. Deutschlands Ressource, der Schatz, der hier geschürft werden muss, ist das intellektuelle Potenzial. Die Bergleute des Geistes sind in Deutschland deshalb die Lehrer. Sie sollen den veredelten Rohstoff zutage fördern, der die Zukunft des Landes sichert. Und diese Lehrer gehen auf die Straße, stören in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Berlin den Lehrbetrieb, wie die bösen Jungs aus der letzten Reihe? Sie verhalten sich wie Werktätige, die an ihren Geldbeutel denken, nicht ans große Ganze.

Ja, wo sind wir denn? In Deutschland – wo der Studienrat mit lebenslanger Vollversorgung und fetter Pension eben nicht mehr überall der Regelfall ist, sondern zunehmend ein Auslaufmodell. Schon jeder vierte Lehrer in der Bundesrepublik, mehr als 200 000, arbeiten als Angestellte, und es werden immer mehr. In Berlin und in Thüringen wird überhaupt nicht mehr verbeamtet, in Sachsen werden es nur Schulleiter. Und wer kein Beamter ist, der darf streiken. Aber darf das sein, wenn doch in Deutschland eine Schulpflicht gilt und Eltern bestraft werden, deren Kinder die Schule schwänzen?

Zu viel wissenschaftliche Spezialisierung

Dem Lehrbetrieb kommt die Qualität einer hoheitlichen Aufgabe zu; die erforderte den Beamtenstatus. Aber so wenig, wie heutzutage der Arzt ein Beamter ist, obwohl wir unser Leben in seine Hände geben, oder der Bankkassierer, dem wir unser sauer verdientes Geld anvertrauen, oder der Straßenbahnfahrer, der uns sicher zur Familie kutschiert, so wenig muss der Lehrer Beamter sein. Entscheidend ist nicht die Frage, welchen Status die Lehrer haben – wichtiger ist, wie wir bessere Lehrer bekommen. Zum Aufspüren der Ressource Geist brauchen wir die bestmöglich ausgebildeten Lehrer.

Was aber Lehrer lernen sollen, ist höchst umstritten – und wie sie es tun, auch: zu wenig Praxisbezug, zu viel wissenschaftliche Spezialisierung. Von mangelhafter Finanzausstattung der Unis zu schweigen. Deren Curricula müssen Lehrkräfte besser befähigen, auf pädagogisch kluge Art bei den Kindern Wissensdurst zu wecken und Lust aufs Lernen zu fördern. Fachlehrer sollten lernen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse so darzubieten, dass wir weiter ein Volk der Tüftler, Forscher, Unternehmer bleiben.

Mögen Länder wie Baden-Württemberg an der Verbeamtung als Standortvorteil festhalten, es werden dennoch künftig immer mehr Angestellte im Klassenzimmer stehen. Der Berliner Systemwechsel wird aufmerksam verfolgt in anderen Ländern, denn jeder Finanzminister weiß um die Zeitbombe in seinem Etat. Zwar sparen sich die Länder für beamtete Lehrer aktuell die Rücklagen für die Altersversorgung, dafür aber wachsen exorbitante Pensionslasten, die ihren Haushalt in der Zukunft belasten. Die Prophezeiungen, Berlin werde nicht genügend Bewerber finden, die als angestellte Lehrer arbeiten wollen, ist widerlegt. Berlin ist als Stadt attraktiv – und mit einem Einstiegsgehalt von 4222,49 Euro für eine Berufsanfängerin in der Grundschule sowieso. Auf Lehrer, denen es vor allem um den Beamtenstatus geht, kann Berlin getrost verzichten. Angestellte an der Schultafel statt beamtete Staatsdiener – Deutschland hält das aus. So wie Berlins Schulen den Streik aushalten. Das große Ganze ist davon nicht bedroht.

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