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Lehrstellen: Ausbildungsstatistik: Weniger ist mehr

Die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden sinkt, aber auch die der freien Stellen. Außerdem schützt ein hoher Bildungsabschluss nicht vor Arbeitslosigkeit. Wie schwer ist es für Jugendliche, einen Job zu finden?

Die Zahl aus der offiziellen Ausbildungsstatistik sieht auf den ersten Blick passabel aus: Bis Ende September hatten 9600 Jugendliche in Deutschland noch keine Lehrstelle gefunden. Das waren 4900 weniger als noch 2008. Erstmals seit der Wiedervereinigung rutschte die Zahl der Bewerber, die zum Start des Ausbildungsjahres keinen Vertrag in der Tasche hatten, unter die 10 000er-Marke.

Für die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die Wirtschaftsverbände, die seit einigen Jahren im „Ausbildungspakt“ zusammenarbeiten, ist diese Zahl Anlass, eine „positive Bilanz“ zu ziehen. Trotz der Rezession, so BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker, habe sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt entspannt. Die Gewerkschaften sprechen hingegen von „geschönten“ und „frisierten“ Statistiken, die Realität auf dem Ausbildungsmarkt werde nicht korrekt abgebildet.

Zu den Daten: Wegen der Wirtschaftskrise ist die Zahl der Lehrstellen deutlich zurückgegangen. Insgesamt wurden von Oktober 2008 bis September 2009 in Deutschland 475 400 Ausbildungsstellen gemeldet – das sind gut sieben Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. In Westdeutschland war der Rückgang mit 5,1 Prozent weniger stark als in Ostdeutschland mit 14,5 Prozent.

Dass viele Firmen ihre Ausbildungsstellen streichen, wird abgemildert dadurch, dass gleichzeitig die Zahl der Bewerber sinkt, und zwar im dritten Jahr in Folge. Die geburtenschwachen Jahrgänge verlassen inzwischen die Schulen, aber es gibt laut Bundesagentur für Arbeit zugleich auch eine Tendenz zu höheren Schulabschlüssen: Wenn Jugendliche länger im Schulsystem bleiben, tauchen sie auch erst später auf dem Ausbildungsmarkt auf – oder entscheiden sich gleich für ein Studium. Insgesamt waren in diesem Jahr 533 400 Jugendliche auf der Suche nach einer Lehrstelle – im Westen waren das knapp elf Prozent weniger als noch ein Jahr zuvor, im Osten sogar mehr als 25 Prozent.

Eine Lücke bleibt dennoch: Auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz kamen bundesweit im Durchschnitt 1,3 Bewerber, in den neuen Bundesländern sind es sogar 1,5. Das bedeutet: Vielen Jugendlichen bleibt nur die Notlösung, eine außerbetriebliche Ausbildung anzutreten. Häufig mit schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Zu den Problemgruppen am Ausbildungsmarkt gehören außerdem die sogenannten Altbewerber. Das sind diejenigen, die bei der Lehrstellensuche schon mindestens einmal leer ausgegangen sind, aktuell laut BA etwa 244 000 Personen. Was wiederum die Chancen verschlechtert, einen Ausbildungsplatz zu finden.

Nach Ansicht der Gewerkschaften kann daher noch keine Entwarnung gegeben werden. So hätten in Deutschland anderthalb Millionen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren – also 15 Prozent dieser Altersgruppe – keine abgeschlossene Ausbildung, erklärte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). „Angesichts solcher Zahlen zu behaupten, jeder ausbildungswillige und -fähige junge Mensch bekomme einen Ausbildungsplatz, ist schlicht zynisch“, kritisierte die stellvertretende DGB-Chefin Ingrid Sehrbrock.

Hinzu kommt: Unter der aktuellen Wirtschaftskrise leiden laut einer DGB-Studie vor allem junge Menschen. Die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen sei zwischen August 2008 und 2009 doppelt so stark wie die Arbeitslosigkeit insgesamt gestiegen, heißt es in einer Untersuchung des Arbeitsmarktexperten Wilhelm Adamy. Besonders stark sei die Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen betroffen. Adamy führt dies vor allem darauf zurück, dass junge Menschen nach ihrer Ausbildung nicht übernommen oder nur kurzfristig beschäftigt würden, „so dass sie in der Krise schnell arbeitslos werden“. Überraschend sei die Arbeitslosigkeit bei den Personen mit Abitur oder einem Hochschulabschluss besonders stark gestiegen. „Auch eine gute schulische Ausbildung schützt längst nicht immer vor Arbeitslosigkeit“, urteilt Adamy. Doch auch wenn die Krise mittlerweile bei den besser Qualifizierten angekommen ist, haben Akademiker nach Einschätzung der BA nach wie vor das geringste Risiko, arbeitslos zu werden.

Wann sich die Aussichten für Berufseinsteiger verbessern, ist ungewiss. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag rechnet fest mit einer Trendwende. Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben prophezeit: „Die Betriebe werden künftig Lehrstellenbewerber suchen müssen.“

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