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Leichenschändung: "Jetzt haben wir unser Abu Ghraib"

Die Stimmung bei der Bundeswehr ist nach der Veröffentlichung der Skandal-Bilder aus Afghanistan auf dem Tiefpunkt. Es werden weit reichende Konsequenzen für den Einsatz befürchtet.

Berlin - "Es gab einen Dienstgrad, der in dieser Zeit im Einsatz war und der sich gemeldet hat", sagt Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan am Mittwoch - noch sichtlich verärgert über Fotos, die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan in schockierenden Posen zeigen: Ein entblößter Penis neben einem Totenschädel, der als makabere Trophäe auf den Drahtschneider des deutschen Isaf-Fahrzeuges aufgespießt wird.

"Auch wir haben jetzt unser Abu Ghraib", sagt resigniert ein Offizier im Verteidigungsministerium, wo Ressortchef Franz Josef Jung (CDU) harte Konsequenzen ankündigt. Der Minister betont: "Ich empfinde Abscheu und Entsetzen." Und fügt entschlossen hinzu, wer sich "so verhält, hat in der Bundeswehr keinen Platz".

Diese deutlichen Worte sind nötig. Schließlich wächst in Berlin und beim Einsatzführungskommando in Potsdam die Sorge, dass die Schändungs-Fotos ähnliche Auswirkungen haben könnten wie vor Monaten die Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung. Verstärkte Angriffe waren die Folge. Ohnehin hat sich die Sicherheitslage am Hindukusch für die deutschen Soldaten verschärft, die immer mehr Ziele von direkten Anschlägen werden.

2869 Soldaten sind derzeit im Rahmen der Afghanistan-Mission Isaf eingesetzt. Bei ihnen macht am Mittwoch die Warnung vor einer "Irakisierung" der Lage die Runde. Schließlich hatten die Folterungen von Gefangenen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib zu einer Welle der Gewalt geführt, die bis zum Hindukusch reichte. Ihnen bleibt momentan die Hoffnung, dass es sich nicht um einen nach muslimischer Art bestatteten Toten handelt, sondern "nur" um die Knochen aus einem Massengrab.

Zwei Verdächtige ermittelt

Bis das geklärt ist, muss Berlin rasch handeln. Innerhalb weniger Stunden sind die ersten zwei Verdächtigen ermittelt. Dabei handelt es sich um einen "Stabs- oder Hauptgefreiten der Reserve" und einen noch aktiven Stabsunteroffizier, "der von seinem Kompaniechef angehört wird", wie der Generalinspekteur mitteilt.

Die erste Reaktion aus dem Ausland kommt prompt: US-Justizminister Alberto Gonzales fordert eine "lückenlose" Aufklärung. Nach den täglichen Anschlägen im Irak kann die US-Armee in Afghanistan keine "zweite Front" gebrauchen, wie die Militärs sagen.

Original-Fotos werden zurückgehalten

Doch gestaltet sich die Aufklärung schwierig, da die "Bild"-Zeitung die Original-Fotos unter Verweis auf "Informantenschutz" nicht rausgeben will, auf denen das Nummernschild des Geländewagens und die Gesichter zu sehen sind. Doch ist auf den über drei Jahre alten Bildern Technik zu sehen, die mit dem so genannten Kabelschneider am Geländewagen "nicht zur Standardausrüstung" der Bundeswehr in Afghanistan gehört und der Bundeswehr "mehr als einen ersten Anhaltspunkt" geliefert hat.

Während die politische und militärische Führung die Frage umtreibt, warum diese mehrere Jahre alten Bilder ausgerechnet bei der Vorlage des neuen Weißbuches zur Zukunft der Bundeswehr auftauchten, reagiert die Truppe handfester: "Peinlich" und "geschmacklos", so lautet das einhellige Urteil zu den Skandal-Fotos. Allerdings, so fügen Soldaten im Einsatz hinzu, "kann sich das Blatt nicht mehr reinwaschen, wenn es die nächsten Toten bei uns gibt". (Von André Spangenberg, ddp)

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