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Politik: Leise Töne

Die zurückhaltende Reaktion der USA und Großbritanniens auf die gewaltsamen Proteste löst Irritationen aus – Kritik kam erst spät

Die anfangs sehr gemäßigte Haltung der USA und Großbritanniens zu den gewaltsamen Protesten in islamischen Ländern gegen dänische Mohammed-Karikaturen sind zum Teil auf Verwunderung gestoßen. Die französische „Libération“ zum Beispiel stellte fest: „Es ist merkwürdig zu sehen, wie die USA und Großbritannien, die im Irakkrieg feststecken und Opfer schwerer Terroranschläge auf ihrem eigenen Boden waren, die Verteidigung der muslimischen Gläubigen voranstellen, während die EU eher auf das Recht auf Meinungsfreiheit abhebt.“

Richtig ist: Britische Muslime, die Labourregierung und die Polizei sind durch den Karikaturenstreit in ein Dilemma gestürzt, in einen Konflikt zwischen Meinungsfreiheit einerseits und der in Großbritannien hochgehaltenen Toleranz gegenüber der muslimischen Minderheit andererseits. Muslimorganisationen haben für kommenden Samstag zu einer Demonstration aufgerufen, die den Protest gegen die Mohammed-Karikaturen erneuern soll. Gleichzeitig wollen sich die Muslime auch von extremistischen Demonstranten distanzieren, die jüngst im ganzen Land eine Welle der Empörung auslösten: Am vergangenen Freitag hatten sich rund 2000 Muslime vor dem dänischen Botschaftsgebäude versammelt und gegen die Karikaturen demonstriert. Sie trugen Plakate mit Inschriften wie: „Massakriert alle, die den Propheten verspotten“ oder, in Anspielung auf die Terrorattacke gegen das World Trade Center 2001, „Europa, euer 9/11 kommt“. Einige riefen „Europe will pay, bin Laden is on his way" (Europa muss büßen, bin Laden ist auf dem Weg). Ein Demonstrant hatte sich als „Selbstmordbomber“ verkleidet. Die Polizei verhaftete zwei Gegendemonstranten, die im Namen der Redefreiheit die Mohammed-Karikaturen hochhielten, ließ die extremistischen Demonstranten aber unbehelligt.

Nur Tage, nachdem das Parlament ein umstrittenes Gesetz gegen den Religionshass verabschiedete, das Kritikern als Versuch gilt, Muslime auf Kosten der Meinungsfreiheit zu beschwichtigen, löste diese Tatenlosigkeit der Polizei Entrüstung aus. „Die Polizei muss unverzüglich gegen diese Demonstranten vorgehen, die zu Gewalt und Mord aufgerufen haben. Dies ist ein extrem schweres Vergehen“, sagte Schatteninnenminister David Davies. Auch Muslimgruppen verlangten Verhaftungen. „Muslimische Extremisten vergiften die Atmosphäre in diesem Land, das einmal eine großartige multikulturelle Gesellschaft hatte“, klagte der muslimische Labour-Abgeordnete Ashok Kumar.

Der als Selbstmörder verkleidete Demonstrant, Omar Khayam, sagte zunächst dem „Daily Express“, er würde es wieder tun. Einen Tag später entschuldigte er sich, umgeben von Moschee-Ältesten. Am Dienstag wurde er verhaftet. Omar war wegen Drogenhandels zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt und verstieß mit seiner Demonstration gegen seine Bewährungsauflagen.

Die US-Regierung durchlief in ihrer Reaktion seit Freitag mehrere Phasen. Zunächst sagte Außenamtssprecher Kurtis Cooper, dass die US-Regierung die Nachdrucke beleidigend finde. „Diese Karikaturen sind in der Tat ein Angriff auf den Glauben der Muslime“, sagte Cooper am Freitag. „Wir würdigen und respektieren alle vollkommen die Meinungs- und Pressefreiheit, aber dies muss im Zusammenhang mit Presseverantwortung geschehen“, sagte er. Auf derartige Weise religiösen oder ethnischen Hass anzustacheln sei nicht hinnehmbar. Erst am Samstag verurteilte das Weiße Haus dann die gewaltsamen Proteste in Damaskus auf das Schärfste und versicherte Dänemark seiner Solidarität. Am Montag fragte ein Korrespondent Außenamtssprecher Sean McCormack, ob die US-Regierung für einen standhaften Verbündeten im Irak und in Afghanistan wie Dänemark außer netten Worten auch Taten übrig habe. Am Dienstag nun appellierten die USA an die muslimischen Staaten, Schritte zur Entspannung der Lage zu unternehmen. „Wir verurteilen jede Form von Gewalt. Es muss einen konstruktiven und friedlichen Dialog geben, geprägt von Respekt gegenüber allen Glaubensrichtungen“, sagte der Sprecher von US-Präsident George W. Bush. Die größte Muslimorganisation in den USA, der Council on American-Islamic Relations (CAIR), richtete die Botschaft an ihre Glaubensbrüder weltweit, dass es anders geht. Effektiver als Proteste sei es, sich mit Briefen an Politiker zu wenden oder Gespräche mit Botschaftern zu führen, sagte Sprecherin Rabaih Ahmed. Gewalt sei schlichtweg inakzeptabel.

Der Fokus des Streits könne ganz schnell auf die USA als Führer der westlichen Welt zurückfallen, schreibt die „Washington Post“. Bushs Gerede von Freiheit und universellen Rechten und seine gleichzeitige Unterstützung für korrupte Diktaturen in Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und Pakistan trage zum Gefühl der Muslime bei, dass sie angegriffen würden und helfe, den Fundamentalismus zu stärken. mit dpa

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