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Geläutert? Der Ex-Eta-Terrorist Ander Errandonea Arruti zeigt bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis ein Banner, das das Wahlbündnis Bildu mit Eta in Verbindung bringt. Foto: dpa

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Politik: Letzte Ausfahrt Demokratie

Das linke Wahlbündnis Bildu könnte die politischen Verhältnisse im Baskenland auf den Kopf stellen

Ein herrlicher Tag in Pamplona, der Hauptstadt der Region Navarra im Norden Spaniens. Maiorga Ramírez sitzt in seinem Büro in der Parteizentrale von Eusko Alkartasuna (EA), was Baskische Solidarität bedeutet. Hinter ihm fällt der Blick auf die sonnenüberflutete Plaza del Castillo, den schönsten Platz Pamplonas. „Wir erleben gerade einen historischen Moment im Basken-Konflikt“, ist sich Ramírez sicher. Der Mittdreißiger hat allen Grund zur Zuversicht. Schließlich war lange unklar, ob er an diesem Sonntag als Spitzenkandidat des Wahlbündnisses Bildu bei den Kommunal- und Provinzwahlen antreten darf. Erst am 5. Mai ließ das spanische Verfassungsgericht Bildu zu den anstehenden Wahlen zu. Dem linken Bündnis gehören außer den Sozialdemokraten der EA die Mikro-Partei Alternatiba und vor allem sogenannte unabhängige Kandidaten an. Letztere kommen aus dem Umfeld von Batasuna, der 2003 verbotenen Partei, die der baskischen Separatisten-Organisation Eta nahestand. Viele Beobachter werteten das Urteil als Anerkennung dafür, dass sich die linken baskischen Nationalisten glaubhaft von Gewalt und der Eta distanzieren.

Genau diesen Richtungswechsel meint Ramírez, wenn er von einem historischen Moment spricht. „Wir wollen zuerst einen sofortigen Frieden im Baskenland“, nennt er das Hauptziel seiner Politik. Weitere Anliegen sind die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, das Ende des sozialen Kahlschlags, den die Zentralregierung als Rezept gegen die Wirtschaftskrise verordne – und natürlich die Selbstbestimmung der Basken. Dabei geht es den Nationalisten um die Bewohner der autonomen Region Baskenland, der Region Navarra sowie des französischen Baskenlandes. „Die ideale Situation für uns wäre die Unabhängigkeit des Baskenlandes und normale, respektvolle Beziehungen mit Spanien, Portugal, Andorra und so weiter“, sagt Ramírez. selbstbewusst fügt er hinzu: „Es kann sein, dass wir am Wahltag die Überraschung sind.“ Und das glauben durchaus auch die Leute auf der Straße, wie jener Spediteur, der behauptet, 90 Prozent der Leute in den Dörfern um San Sebastián würden Bildu wählen: „Bildu dürfte zweit- oder drittstärkste Kraft im Baskenland werden.“ In einer vom baskischen Innenministerium veröffentlichten Umfrage in Guipúzcoa, einer der drei Provinzen der autonomen Region, liegt Bildu gar an erster Stelle.

Gegen die Legalisierung des Bündnisses war und ist Mari Luz Anglade. Im Gemeinderat von Hernani bei San Sebastián ist sie die einzige Vertreterin der Partido Popular, Spaniens großer Mitte- Rechts-Partei. „Bildu hat durchaus Fortschritte im Verzicht auf Gewalt gemacht, aber ich glaube nicht, dass dieser Verzicht ehrlich gemeint ist“, sagt Anglade. Als Beleg nennt sie jenes Eta-Mitglied, das jüngst bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis ein doppeldeutiges Plakat in die Höhe streckte. „Bildu“ stand da drauf, darunter „Unabhängigkeit und Sozialismus.“ „Eta“, das baskische Wort für „und“, war farblich hervorgehoben.

Einer, der den Erfolg von Bildu eigentlich fürchten müsste, ist Luke Etxeberria. Er sitzt für die zentristische Baskische National-Partei (PNV) im Parlament der autonomen Region, deren Regierungspräsidenten die PNV seit der Autonomie 1976 bis 2009 ununterbrochen stellte. Doch Etxeberria gibt sich beim Kaffee in seinem Heimatort Asteasu unweit von San Sebastián entspannt. „Bildu sollte mal sein Programm offen auf den Tisch legen: Sie wollen keinen Hochgeschwindigkeitszug, keinen neuen Hafen und zudem die Unternehmenssteuer erhöhen.“ Dabei seien doch Asteasu und das Baskenland überhaupt mit seiner wirtschaftsfreundlichen PNV bisher sehr gut gefahren. Stolz zeigt Etxeberria auf das Kulturzentrum und die nagelneue Mehrzweckhalle seines 1400- Einwohner-Ortes, in dem er Bürgermeister-Kandidat ist.

Seit 40 Jahren habe Eta die Richtung der radikalen Linken vorgegeben, erklärt Etxeberria die aktuelle Entwicklung. Doch damit sei es nun vorbei. Das Ergebnis aus seiner Sicht: „Lange Zeit fuhren viele nur im Kreis, nichts ging voran. Jetzt haben auch die Letzten die richtige Ausfahrt genommen.“

Matthias Sander, Lucas Merlos[Pamplona]

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