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Joachim Gauck im Reichstagsgebäude. Dort soll er am Sonntag zum Bundespräsidenten gewählt werden.

© rtr

Letzter Tag als normaler Bürger: Gaucks "gemischte Gefühle"

Wenn Joachim Gauck zum neuen Bundespräsidenten gewählt wird, kann er auf große Zustimmung bauen. Der Kandidat selbst sieht der Wahl am Sonntag aber nach eigenen Worten mit "gemischten Gefühlen" entgegen.

Einen Tag vor seiner wahrscheinlichen Wahl zum Bundespräsidenten nimmt Joachim Gauck mit „sehr gemischten Gefühlen“ Abschied vom Leben als normaler Bürger. „Ich kann Ihnen die nicht beschreiben“, sagte der 72-Jährige am Samstag auf Journalistenfragen vor einem Besuch bei der Unionsfraktion der Bundesversammlung in Berlin.

Gauck wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den Sitzungssaal begleitet. Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, er sei zuversichtlich, dass der von CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen nominierte Gauck am Sonntag eine große, breite Mehrheit als Ermunterung für seine Arbeit bekomme.

Sehen Sie in den Bildern die Umbauarbeiten für die Bundesversammlung:

Gauck geht mit großem Vertrauensvorschuss der Bürger in die Wahl zum Bundespräsidenten. Das voraussichtliche neue Staatsoberhaupt halten 80 Prozent der Deutschen für glaubwürdig, wie eine Umfrage für die ARD-Sendung „Günther Jauch“ ergab. Gut ein Drittel (37 Prozent) weiß allerdings noch nicht, wofür der 72-Jährige steht. Neben dem großen Thema der Freiheit wird von Gauck erwartet, zu anderen Fragen wie dem Euro oder dem Rechtsextremismus Position zu beziehen.

Die Wahl des von Union, FDP, SPD und Grünen unterstützten Kandidaten an diesem Sonntag in der Bundesversammlung in Berlin gilt als sicher. Für die Linke kandidiert die Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld. Die Bundesversammlung tritt um 12 Uhr im Reichtstag zusammen. Zuvor wird es Fraktionssitzungen sowie einen ökumenischen Gottesdienst geben.

Diese Berliner wählen den Bundespräsidenten mit:

Die FDP-Vizevorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte, Gauck werde ein Bürgerpräsident sein, der in der Mitte der Gesellschaft stehe und viele Menschen ansprechen könne. „Er hat Empathie und ist unprätentiös, er ist staatsmännisch und bürgernah“, sagte die Bundesjustizministerin dem „Hamburger Abendblatt“ (Samstag). Sie verwies darauf, dass die FDP „ganz entscheidend in einer schwierigen Situation einen Mann mehrheitsfähig gemacht“ habe, der die „richtige Wahl zur richtigen Zeit“ sei. Die Liberalen hatten Gauck gegen Widerstand der Union in der Koalition durchgesetzt.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, rechnet mit einem Eintreten Gaucks für Toleranz und gegen Rechtsextremismus. „Ich bin zuversichtlich, dass sich der künftige Bundespräsident klar für die freiheitliche Demokratie, gegen Diskriminierung und Antisemitismus positionieren sowie ein Engagement des Herzens für das Existenzrecht und die Sicherheit Israels zeigen wird“, sagte er „Handelsblatt Online“.

Bürger wünschen sich Freiheit und Familie als Themen

Gut zwei Drittel (68 Prozent) der Bürger gehen laut der Umfrage im Auftrag der ARD davon aus, dass Gauck sich als Bundespräsident auch für die sozial Schwachen einsetzen wird. Ähnlich viele (67 Prozent) rechnen damit, dass er den politischen Parteien deutlich seine - auch unbequeme - Meinung sagen wird. Vom Institut Infratest dimap wurden 1000 Menschen befragt.

In kommenden Reden solle sich Gauck vordringlich mit den Themen Freiheit und Familie beschäftigen, wünschen sich laut einer Umfrage für das Magazin „Focus“ je 76 Prozent der Befragten. 65 Prozent erwarten ein Engagement zur Bekämpfung der EU-Finanzkrise, 51 Prozent Anstrengungen zur Vollendung der Einheit. 49 Prozent hoffen, dass Gauck sich zum Thema Afghanistan positioniert. Befragt wurden vom Institut Emnid 1005 Menschen.

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Altbundespräsident Roman Herzog sprach sich unterdessen dafür aus, die Amtszeit des Staatsoberhaupts neu zu regeln. „Eine Begrenzung auf eine siebenjährige Amtszeit, also keine Möglichkeit der Wiederwahl, wäre besser“, sagte er der Tageszeitung „Die Welt“ (Samstag). Derzeit kann ein Bundespräsident nach fünf Jahren für eine zweite Amtszeit wiedergewählt werden. „Wenn die ersten fünf Jahre gut laufen, erwartet das Volk von den zweiten fünf Jahren Wunderdinge. Sie können aber keine Wunder produzieren“, sagte Herzog.

Voraussichtlich an diesem Montag soll Gauck als Nachfolger des vor vier Wochen zurückgetretenen Christian Wulff in sein Amt eingeführt werden. Die Vereidigung des neuen Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen. Offiziell im Amt ist er aber bereits, sobald er die Wahl durch die Bundesversammlung am Sonntagnachmittag annimmt.

(dpa)

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