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Libanon: Bundeswehreinsatz in schwerer See

Die deutsche Marine überwacht die Küsten Libanons – wenn es nach der FDP geht, nicht mehr lange.

Von Michael Schmidt

Beirut ist eine geschundene Stadt. Eine verwundete. Von Einschusslöchern übersäte Ruinen und marode Häuserfronten prägen das Stadtbild: Der Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 und die Angriffe Israels im Sommer 2006 haben schwer verheilende Narben hinterlassen. Und doch sieht man der libanesischen Hauptstadt, die einst ob ihres legendären Nachtlebens als das „Paris des Nahen Ostens“ galt, die Anstrengung an, die zerstörerische Vergangenheit vergessen zu machen. Die Innenstadt ist aufwendig renoviert und strahlt in neuem Glanz. Weithin sichtbar ragen seit kurzem am Märtyrerplatz die Minarette der Mohammed-Al-Amin-Moschee, der größten des Landes, in den Himmel. An den Ausfallstraßen entstehen Einkaufszentren, die Menschen erobern sich Plätze und Straßen zurück, auf denen auffallend viele Sportwagen und SUV unterwegs sind. Der Zedernstaat ist auf dem Weg in eine nicht ganz normale Normalität. Und Unifil soll dabei helfen.

Unifil ist jene UN-Mission, in deren Namen Blauhelmsoldaten sich seit fast 30 Jahren für ein Ende der Gewalt in der Nahost-Krisenregion einsetzen. Die United Nations Interim Force in Lebanon wurde im März 1978 gegründet. Die Bundeswehr beteiligt sich seit 2006 mit Marineeinheiten und einem zweigeteilten Auftrag: Seeraumüberwachung zum Schutz der libanesischen Grenze vor Waffenschmuggel – und Ausbildungshilfe für die libanesische Marine.

„Der Schwerpunkt der Mission hat sich gewandelt“, sagte der Flensburger Flottillenadmiral Jürgen Mannhardt (55), als er am Montag nach dreimonatigem Einsatz das Kommando des Einsatzes mit insgesamt etwa 1000 Soldaten an den Italiener Paolo Sandalli übergab. Von den derzeit rund 450 Bundeswehrsoldaten bleiben rund 200 vor der libanesischen Küste im Einsatz. Ihr Hauptaugenmerk, vermutet Mannhardt, werde künftig auf der Ausbildung und Ausrüstung der libanesischen Marine liegen, damit diese die Seegrenze selbst absichern kann.

Davon könne angesichts der gerade einmal 1200 Mann starken Truppe, die nach europäischen Maßstäben bestenfalls einer Küstenwache gleiche, derzeit noch keine Rede sein. Doch trügen eine neue Küstenradarkette – sechs Stationen melden jedes Schiff, das sich in dem überwachten Seegebiet bewegt –, deutsche Polizeiboote und Ausrüstungsmaterial aus den Marinearsenalen Kiel und Wilhelmshaven dazu bei, dass das Land selbst für die Überwachung seiner Küstengewässer sorgen kann. Die Libanesen sind dankbar, melden aber weiteren Bedarf an: größere Boote, mehr Waffen und eine Aufstockung auf rund 3000 Kräfte seien unerlässlich, heißt es aus der Armee.

Am heutigen Donnerstag entscheidet der Bundestag über eine Verlängerung des Unifil-Mandats bis zum 30. Juni 2010, deren Kosten auf 32,6 Millionen Euro beziffert werden. Berlin will den deutschen Beitrag reduzieren und eine fürs Frühjahr erwartete Evaluation des Einsatzes durch die UN abwarten, bevor sie entscheidet, was über die nächsten sechs Monate hinaus geschehen soll. Die bisher nie ausgeschöpfte Mandatsobergrenze wird wohl von derzeit 1200 auf 800 Soldaten sinken. Während die FDP auf eine Beendigung der Mission drängt und einen entsprechenden Passus im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat, sieht die Union in der Mission auch ein Zeichen der Solidarität mit Israel und die Möglichkeit, sich als „ehrlicher Makler“ in der Region zu präsentieren.

Tatsächlich sei die Präsenz der Marineschiffe unter blauer Flagge von Israel wie vom Libanon weiterhin erwünscht, sagt der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey. Allzu oft werde „die politische Dimension des Einsatzes unterschätzt“. Durch den Einsatz sei Stabilität in eine Region gekommen, die zu den „leichtentzündlichsten Punkten der Welt“ gehöre. Die israelische Blockade vor der Küste des Libanons habe beendet werden können, Israel werde nicht mehr aus dem Süden Libanons angegriffen, es gebe keine Flüchtlingsströme mehr, die Menschen kehrten in einst umkämpfte Gebiete zurück. Die Pläne der schwarz-gelben Koalition, über ein Ende des Unifil-Beitrags nachzudenken, hätten Libanesen wie Israelis deshalb überrascht und erschrocken. „Unser Ausstieg wäre eine Enttäuschung“, sagt Kossendey.

Dass beim Versuch, den Waffenschmuggel für die Hisbollah zu unterbinden, bisher zwar mehr als 28 000 Schiffe nach Herkunft, Ladung und Bestimmung befragt wurden, 400 anschließend an die für eine nähere Untersuchung zuständigen libanesischen Streitkräfte überwiesen – aber nicht eine Waffe gefunden wurde, mag der Staatssekretär hingegen nicht enttäuschend finden. Das zeige doch nur, dass „allein die Präsenz der Unifil-Truppe den Seeweg wirkungsvoll verstopft“ habe. Was jetzt noch an Waffen ins Land komme, gelange eher über die syrische Grenze in den Libanon. Dort aber ist die UN-Mission nicht zuständig.

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