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Unter Druck: Der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri.

© dpa

Libanon: Massenrücktritt von elf Ministern bringt Hariri-Regierung zu Fall

Elf Minister der schiitischen Hisbollah und ihrer Verbündeten haben in Beirut ihren Rücktritt eingereicht und damit die "Regierung der Nationalen Einheit" von Ministerpräsident Hariri zum Einsturz gebracht.

Wie Energieminister Gebran Bassil auf einer Pressekonferenz mitteilte, sind unüberbrückbare Meinungsdifferenzen zum Hariri-Tribunal der Grund für diesen dramatischen Schritt. Das „Sondertribunal für den Libanon“ in Den Haag will in nächster Zeit bekannt geben, ob es Mitglieder der Hisbollah wegen des Attentats auf Rafik Hariri anklagen wird, bei dem vor fünf Jahren der libanesische Ex-Premier und 22 seiner Begleiter starben. Offenbar sprechen mehr und mehr Hinweise dafür, auch wenn sich die Ermittler nach wie vor offiziell in Schweigen hüllen. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte zunächst im Juli 2010 auf einer mysteriösen Pressekonferenz eingeräumt, einige „undisziplinierte Mitglieder“ seiner Organisation stünden im Visier der Fahnder, denunzierte den Gerichtshof aber postwendend als „israelische Verschwörung“ und ließ keinen Zweifel daran, dass sich Hisbollah zu wehren wisse. Für seine Organisation steht viel auf dem Spiel. Ihr Nimbus auf der arabischen Straße könnte schweren Schaden nehmen, sollten ihre Kader die Megabombe nahe der Corniche von Beirut tatsächlich gezündet haben.

Ursprünglich hatte das Sondertribunal seine Ermittlungsergebnisse bereits vor Weihnachten veröffentlichen wollen, dies aber aufgeschoben, weil der saudische König Abdullah sich wegen eines Bandscheibenvorfalls in den USA operieren lassen musste. Abdullah, der immer noch in New York ist, gilt zusammen mit dem syrischen Staatschef Bashar al-Assad als einflussreichster arabischer Politiker in dem innerlibanesischen Machtkampf.

Die Ankündigung des Massenrücktritts kam genau zu dem Zeitpunkt, als sich Regierungschef Saad Hariri im Weißen Haus in Washington mit US-Präsident Barack Obama traf. Hariri, der Sohn des Ermordeten, ließ durch einen Sprecher erklären, er werde „Druck und Ultimaten“ nicht nachgeben. Im Libanon könnten wegen der Regierungskrise erneut bewaffnete Kämpfe ausbrechen zwischen dem Lager der schiitischen Hisbollah, die von Syrien und dem Iran unterstützt wird, sowie dem sunnitischen und christlichen Lager von Regierungschef Hariri, der Saudi-Arabien und die westliche Staatengemeinschaft hinter sich weiß. Die Christen im Libanon allerdings sind politisch gespalten. Eine kleinere Fraktion unter dem früheren Bürgerkriegsgeneral Michel Aoun steht auf Seiten der Hisbollah. Zuletzt war der Zedernstaat im Mai 2008 an den Rand eines Bürgerkrieges geraten, als die sunnitisch geführte Regierung versuchte, das spezielle Telefonnetz der Hisbollah abzuschaffen. Damals starben bei Straßenkämpfen mehr als hundert Menschen, bis es dem Golfstaat Qatar gelang, einen Waffenstillstand zu vermitteln.

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