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Libanon: Ministerpräsident fordert Waffenstillstand

Angesichts der anhaltenden israelischen Angriffe auf sein Land hat der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora einen sofortigen Waffenstillstand unter Aufsicht der Vereinten Nationen vorgeschlagen.

Beirut/Jerusalem/Kairo - Der Einsatz der israelischen Streitkräfte stelle eine "unmoralische kollektive Bestrafung" der Libanesen dar, sagte Siniora am Samstagabend in einer Fernsehansprache. Er appellierte an die internationale Gemeinschaft, einen "vollständigen und unverzüglichen Waffenstillstand" zu vermitteln. Die israelischen Angriffe hätten eine Katastrophe ausgelöst. "Israel hat nicht das Recht, den Libanon zu zerstören."

Siniora bekräftigte, dass seine Regierung nichts mit der Entführung israelischer Soldaten durch die radikalislamische Hisbollah zu tun habe. Die Regierung "war nicht informiert und heißt die Verschleppung nicht gut". Zugleich unterstrich Siniora, dass "allein die Regierung die Vollmacht zur Entscheidung über Krieg und Frieden" habe. Dies wurde als versteckte Warnung an die Hisbollah verstanden, deren Verschleppungsaktion den israelischen Militäreinsatz nach sich gezogen hatte. Israel fordert von der Regierung in Beirut, die einflussreiche Hisbollah zu entmachten.

Israels Luftwaffe greift Hamas-Vertretung in Beirut an

Die israelische Luftwaffe griff am Samstagabend erneut strategische Ziele in Beirut an. Ein Angriff der Luftwaffe habe sich gegen das Hauptquartier der palästinensischen Hamas-Bewegung in Beirut gerichtet, sagte ein israelischer Armeesprecher. Daneben seien mehrere andere Ziele im vornehmlich von Schiiten bewohnten Süden der Hauptstadt angegriffen worden. Welche Schäden dabei entstanden, war zunächst unklar. Zuvor hatte die israelische Luftwaffe bereits das Hauptquartier der schiitischen Hisbollah in Süd-Beirut bombardiert.

Weitere israelische Angriffe richteten sich offenbar gezielt gegen Einrichtungen der Seefahrt. Am Hafen der Hauptstadt Beirut schlugen zwei Raketen in den neu errichteten Leuchtturm ein, wie ein AFP-Reporter berichtete. Dabei wurde der Kontrollraum an der Spitze des Turms beschädigt. Ein libanesischer Soldat wurde verletzt.

Nach Angaben von Augenzeugen wurde am Abend auch der Hafen von Dschunjeh nördlich von Beirut bombardiert. Es handelte sich um den ersten israelischen Angriff in dieser vornehmlich von Christen besiedelten Region. Zuvor hatten israelische Kampfflugzeuge bereits den Hafen der nordlibanesischen Stadt Tripoli unter Beschuss genommen und dabei Getreidesilos getroffen.

Israelische Armee: Kein Angriff auf Syrien geplant

Die israelische Armee plant nach eigenen Angaben keine Ausweitung ihrer Angriffe vom Libanon auf Syrien. "Syrien ist kein Ziel unserer Operation", sagte der israelische General Gadi Asinkot. "Was uns betrifft, kämpfen wir gegen die Hisbollah, nicht gegen die Syrer. Zugleich rief der General Syrien zur Zurückhaltung auf. Er gehe davon aus, dass die Hisbollah Syrien in den Konflikt hineinziehen wolle. "Die Syrer müssen sich gut überlegen, was sie tun", warnte Asinkot.

Der General warf der Hisbollah vor, Raketen auf das Dorf Merom auf den Golanhöhen abgeschossen zu haben; diese ursprünglich syrische Region war 1967 von Israel besetzt und später annektiert worden. Der Beschuss von Merom solle Damaskus zu einem Eingreifen in den Konflikt provozieren, sagte Asinkot.

Die syrische Armee rief unterdessen im Libanon lebende Rekruten in ihre Heimatkasernen in Syrien ein. Am Busbahnhof der libanesischen Hauptstadt Beirut versammelten sich am Samstagabend Dutzende syrische Reservisten, um in ihr Heimatland zu fahren. "Wir haben den Befehl bekommen, in unsere Kasernen in Syrien einzurücken", sagte ein Rekrut. Im Libanon leben viele syrische Gastarbeiter, die von den vergleichsweise guten Wirtschaftsverhältnissen in dem Land profitieren. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt.

Arabische Liga erklärt Nahost-Friedensprozess für "tot"

Nach den massiven Angriffen der israelischen Armee auf Ziele im Libanon hat die Arabische Liga den Friedensprozess im Nahen Osten für gescheitert erklärt. "Der Nahost-Prozess ist tot", sagte Generalsekretär Amr Mussa nach einem Krisentreffen der arabischen Außenminister in Kairo. "Alle Mechanismen einschließlich des Nahost-Quartetts haben versagt oder sogar zur Beerdigung des Friedensprozesses beigetragen", kritisierte Mussa. Der "einzige Weg" zu einer Lösung der Probleme führe über den UN-Sicherheitsrat.

In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten die Außenminister die israelischen Angriffe auf den Libanon als "brutale Aggression", die dem Völkerrecht widerspreche. Im Verlauf der Sitzung waren aber auch deutliche Differenzen unter den arabischen Staaten sichtbar geworden: Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien ließen Kritik am Vorgehen der libanesischen Hisbollah-Miliz durchblicken, die mit der Entführung israelischer Soldaten die Angriffe ausgelöst hatte. Diese Staaten warfen der Miliz "Abenteurertum" vor. Andere arabische Länder unterstützten hingegen das Vorgehen der Hisbollah.

Iran bestreitet Beteiligung an Angriff auf israelisches Schiff

Die iranische Regierung bestritt unterdessen jegliche Verwicklung in den Raketenangriff auf ein israelisches Kriegsschiff vor der libanesischen Küste. Entsprechende Vorwürfe der israelischen Armee seien "unbegründet", zitierte die Nachrichtenagentur Irna am Samstag eine Mitteilung der iranischen Botschaft in Beirut. Mit den Beschuldigungen wolle Israel von "seiner Ohnmacht angesichts des libanesischen Volkswiderstands" ablenken, hieß es darin weiter.

Am Freitag war nach israelischen Angaben eine Rakete iranischer Bauart auf dem Schiff eingeschlagen. Dabei wurde mindestens ein Soldat getötet; drei weitere wurden vermisst. Den Angaben zufolge handelte es sich um eine radargesteuerte C-802-Rakete, die im Iran mithilfe chinesischer Technologie hergestellt wird. Ein Sprecher des israelischen Miitärgeheimdiensts hatte den Iran ferner beschuldigt, etwa hundert Angehörige seiner Revolutionsgarden zur Unterstützung der Hisbollah in den Libanon entsandt zu haben.

(tso/AFP)

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