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Iveta Radicova legt den Amtseid ab.

© AFP

Liberale Partei: Neue Regierungschefin will die Slowakei zum Tiger Europas machen

Erstmals werden die Geschicke der Slowakei von einer Frau gelenkt. Iveta Radicova will dem Nationalismus ihres Vorgängers ein Ende machen.

Manchen ist sie zu nüchtern und zu intellektuell. Selbst ihre Freude über den Wahlerfolg bei der Parlamentswahl im Juni zeigte Iveta Radicova in der Öffentlichkeit nur mit einem kurzen Lächeln. Parteikollegen aus der christlich-liberalen SDKU wollen aber wissen, dass sie damals die ganze Wahlnacht durchgetanzt habe. Die Spannung war von der immer seriös auftretenden Soziologin abgefallen. Die Wende sei zum Greifen nahe, sagte sie am Tag danach in Bratislava.

Inzwischen hat sie ein Regierungsbündnis geschmiedet, nachdem es einem oppositionellen Bündnis im Juni gelungen war, die Mehrheit der Parlamentssitze zu erringen. Die regierenden Sozialdemokraten des Ministerpräsidenten Robert Fico waren aus der Wahl zwar mit knapp 35 Prozent als stärkste Partei hervorgegangen, hatten aber die Mehrheit verfehlt. Am Donnerstag konstituierte sich nun in Bratislava das neue Parlament. Anschließend wurde die Regierung von Radicova ins Amt eingeführt. Als ihre Hauptaufgabe betrachtet sie es, die unter Fico aus dem Lot geratene Staatskasse wieder zu sanieren.

Vorsichtig zu sein, hatte die heute 53-jährige Witwe während des Studiums in Bratislava gelernt, als sie begann, sich in Dissidentenkreisen herumzutreiben. Gleich nach der Wende packte sie die Gelegenheit beim Schopf und bildete sich in Oxford weiter. In ihrer Heimat arbeitete die Soziologin danach auch als Sozialarbeiterin im Roma-Milieu und mit Behinderten.

In die Politik stieg Radicova erst 2005 ein, als sie in der rechts-liberalen Regierung von Mikulas Dzurinda das Arbeits- und Familienministerium übernahm. Nach dessen Abwahl zog sie 2006 für die SDKU ins Parlament ein. Ihr Abgeordnetenmandat legte sie in diesem Frühjahr aber nieder, nachdem sie – angeblich versehentlich – für eine abwesende Kollegin mitgestimmt hatte. Der ungewöhnliche Schritt verhalf Radicova zu einiger Popularität, sind die Slowaken doch gewohnt, dass ihre Politiker so lange wie nur möglich an ihren Sesseln kleben.

Schon ein Jahr zuvor hatte die Soziologieprofessorin, die Angela Merkel als eines ihrer Vorbilder bezeichnet, als Außenseiterkandidatin bei den Präsidentschaftswahlen beachtliche 44,5 Prozent erreicht. Dieser Achtungserfolg gelang ihr trotz ihrer Befürwortung liberaler Abtreibungsregeln und eingetragener Partnerschaften für Homosexuelle in einem größtenteils ländlich geprägten Staat. Statt billigem Nationalismus predigte sie eine Stärkung der Bürgergesellschaft.

Erst als Wahlsieger Fico trotz der 35 Prozent, die seine Smer-Partei bei der Wahl im Juni erreicht hatte, mangels Koalitionspartnern das Handtuch geworfen hatte, wurde Radicova lauter. „Wir wollen die Slowakei wieder zum Tiger Europas machen“, sagt die Regierungschefin heute. In nur drei Wochen hat ihre Viererkoalition ein Regierungsprogramm unterschrieben und die wichtigsten Posten verteilt. Der Koalitionsvertrag sieht Einigkeit in allen Schlüsselfragen vor, die Juniorpartner haben ein Vetorecht. Als Regierungschefin steht Radicova künftig einem reinen Männerkabinett vor.

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