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© ullstein bild/Karwasz

Libyen-Affäre: Wer wusste wann was?

Aus Regierungskreisen wurde bekannt: Das Bundesinnenministerium hatte schon 2006 Informationen über die Polizeiausbildung in Libyen durch deutsche Beamte. Wurde die Öffentlichkeit durch die Behörde falsch informiert?

Von Frank Jansen

In der Libyen-Affäre gerät das Bundesinnenministerium nach Informationen des Tagesspiegels in den Verdacht, die Öffentlichkeit falsch informiert zu haben. Das Ministerium habe, wie es im Umfeld der Bundesregierung am Mittwoch hieß, bereits Mitte 2006 Kenntnis von der Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte durch die umstrittene niedersächsische Firma BDB Protection erhalten. Im Juli 2006 hätten hochrangige Beamte des Ministeriums bei einem Treffen in der deutschen Botschaft in Tripolis erfahren, dass BDB Protection in Libyen tätig ist. Die Zusammenkunft habe am 19. Juli stattgefunden, teilgenommen hätten auch der zweite Mann der Botschaft sowie der Resident des Bundesnachrichtendienstes. Den beiden war die Anwesenheit von BDB Protection in Libyen schon länger bekannt. Am 20. Juli 2006 begann dann die Delegation aus Beamten des Innenministeriums, des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei Gespräche mit den Libyern über eine sicherheitspolitische Kooperation, die allerdings nicht zustande kam.

Das Innenministerium hatte am Dienstag mitgeteilt, weder vor noch während der Verhandlungen mit den libyschen Regierungsvertretern seien die Aktivitäten der BDB Protection bekannt geworden. Ein Sprecher des Ministeriums bekräftigte am Mittwoch die Angaben und wies den Verdacht zurück, die Öffentlichkeit sei falsch unterrichtet worden. Das Innenministerium habe erst im November 2007 durch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf von der Tätigkeit der BDB Protection in Libyen erfahren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Polizisten, der für die Firma libysche Sicherheitskräfte trainiert hat. BDB Protection setzte bei den Trainings in Libyen, wie berichtet, von 2005 bis 2006 ehemalige und aktive deutsche Elite-Polizisten sowie einen Personenschützer von Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan ein.

Im Umfeld der Bundesregierung wird hingegen betont, es sei für die deutsche Botschaft selbstverständlich gewesen, der Delegation des Bundesinnenministeriums über die Aktivitäten der BDB Protection in Libyen zu berichten. Denn bereits im November 2005 waren der zweite Mann der Botschaft sowie der Resident des Bundesnachrichtendienstes bei einem Sportfest für die deutsche Community in Tripolis mit dem Geschäftsführer der BDB Protection, Volker B., in Kontakt gekommen. Bei dem Fußballspiel waren auch deutsche Experten der Firma in paramilitärischer Kleidung anwesend.

Es sei nicht auszuschließen, dass die umstrittenen Aktivitäten der deutschen Firma als „Türöffner“ für eine staatliche deutsche Unterstützung Libyens gedient haben, sagte am Mittwoch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD- Fraktion, Thomas Oppermann. Die „beiden Stränge“ seien jedenfalls auffällig. In diesem Punkt gebe es „großes Aufklärungspotenzial“, sagte Oppermann, der auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorsitzt, das die Nachrichtendienste des Bundes beaufsichtigt. Er sehe aber keine Anhaltspunkte für eine „große Staatsaffäre“. Am Mittwochnachmittag trat das Parlamentarische Kontrollgremium auf Antrag des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele zu einer Sondersitzung zusammen, um sich über die Rolle des BND in der Libyen-Affäre und weitere Details unterrichten zu lassen. Nach der Sitzung sagte Oppermann, die Aktivität der BDB Protection und der Wunsch der deutschen Regierung, eine Kooperation einzugehen, „stehen ganz offensichtlich in keinem Zusammenhang“.

Unterdessen hat der Polizist, gegen den die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen des Verdachts auf Verletzung des Dienstgeheimnisses ermittelt, die Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte zugegeben. Der Beamte, der bis zum Jahr 2000 einem Spezialeinsatzkommando (SEK) angehörte, habe beim Training in Tripolis Powerpoint-Präsentationen in arabischer Sprache sowie Tafelbilder mit Skizzen zu Taktik und Observation benutzt, sagte der Staatsanwalt Johannes Mocken. Der Polizist beteuert nach Angaben von Mocken, nur öffentlich zugängliches Material verwendet zu haben. Bei dem Polizisten seien auch Fotos gefunden worden, auf denen weitere Deutsche bei der Ausbildungshilfe in Tripolis zu sehen sind.

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