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Politik: Libyen führt Sarkozy vor

Enthüllungen von Gaddafis Sohn über Waffengeschäft bringen Frankreichs Präsidenten in Erklärungsnot

Wer sagt die Wahrheit? Saif al Islam, der Sohn des libyschen Revolutionsführers Muammar al Gaddafi, oder Nicolas Sarkozy, der Präsident Frankreichs? Mit einem knappen Nein hat Sarkozy auf die Frage von Reportern geantwortet, ob die Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern durch ein Rüstungsabkommen mit Libyen zustande gekommen sei. Ebenso knapp verneinte der Präsident die Zusatzfrage eines Reporters, ob es andere Gegenleistungen gegeben habe.

Doch mit diesen Auskünften ist die französische Öffentlichkeit keineswegs zufrieden. Einen Tag nach dem Interview in der Tageszeitung „Le Monde“, in dem Saif al Islam mit Details über eine umfangreiche Vereinbarung auf dem Gebiet der Rüstung aufwartete, die vergangene Woche anlässlich des Besuchs des französischen Präsidenten in Tripolis unterzeichnet wurde, warfen Sprecher der linken Opposition Sarkozy „absoluten Zynismus“ vor. Der Parteichef der Sozialisten verlangte eine offizielle Klarstellung. Selbst Politiker der Opposition forderten von dem Präsidenten „mehr als flüchtige“ Fernseherklärungen.

Dabei steht es zweifelsfrei fest, dass vergangene Woche eine Vereinbarung zwischen Frankreich und Libyen auf militärischem Gebiet geschlossen wurde. Welcher Form sie ist, ist unbekannt. Sie wurde, wie bei Sarkozys Besuch in Tripolis offiziell mitgeteilt wurde, neben den Abkommen zur Zusammenarbeit in Kultur und Wissenschaft sowie dem Memorandum über die friedliche Nutzung der Kernenergie unterzeichnet. Über den Inhalt wurde indes nichts mitgeteilt. Er werde geheim gehalten, schrieb „Le Monde“ damals, fügte aber an, dass unter anderem die Modernisierung der libyschen Luftwaffe ganz oben auf Gaddafis Wunschzettel stehe. Ähnliches hatte auch die meist gut informierte Zeitung „Le canard enchaîné“ berichtet. Für weitere Einzelheiten interessierte sich niemand. Im Vordergrund der öffentlichen Debatte stand die mögliche Lieferung eines Nuklearreaktors an Libyen.

Nun hat sich Gaddafis Sohn an „Le Monde“ gewandt, um mit Details über die Rüstungsvereinbarung „einige Dinge richtigzustellen“, wie er es ausdrückte. Neben der Lieferung von Panzerabwehrraketen im Wert von 100 Millionen Euro sollen ein Projekt zur Produktion und Wartung von Waffen in Libyen sowie gemeinsame Militärübungen Gegenstand der Vereinbarung sein. Vertreter französischer Rüstungsfirmen hielten sich seit einem Monat in Libyen auf.

Mit den Enthüllungen wartete Saif al Islam einen Tag nach dem merkwürdigen Auftritt von Außenminister Bernard Kouchner im Auswärtigen Ausschuss des Parlaments auf. Dort hatte er die Absichtserklärung zur Lieferung einer Nuklearanlage als „hypothetisch“ heruntergespielt und einen Zusammenhang mit der Freilassung der Krankenschwestern bestritten. Die Existenz eines Rüstungsabkommens hatte er ebenfalls bestritten und nur von einem Handelsabkommen gesprochen. Nach dem Interview von Gaddafis Sohn erklärte Kouchner dann, nach seinem Verständnis handle es sich bei Rüstungsabkommen stets um Handelsabkommen.

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