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Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn spricht von "Völkermord".

© Reuters

Libyen-Krise: Alarm in der Weltgemeinschaft

Der UN-Sicherheitsrat verlangt eine Bestrafung der Schergen des Regimes in Tripolis, doch China und Russland lehnen Sanktionen bislang ab.

Die Vereinten Nationen wollen die Verantwortlichen des Gaddafi-Regimes für die Massaker in Libyen zur Rechenschaft ziehen. Der Internationale Strafgerichtshof könnte nach den Angaben von Diplomaten die Gemetzel in dem nordafrikanischen Staat ahnden. In der Nacht zum Mittwoch einigten sich die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – darunter Deutschland – auf eine Erklärung. Darin wird die „Notwendigkeit“ unterstrichen, die Drahtzieher der Attacken auf die friedlichen Demonstranten nicht ungeschoren davonkommen zu lassen. Das Regime um Libyens Staatschef Muammar al Gaddafi müsse die „Gewalt gegen Zivilisten“ sofort stoppen.

Eine Sprecherin des Strafgerichtshofes sagte dem Tagesspiegel, dass der UN-Sicherheitsrat den Fall der Libyen-Massaker an den Chefankläger des Gerichtshofes, Luis Moreno-Ocampo, übertragen könnte. „Der Fall Libyen liegt klar, das Regime ist für die Gemetzel verantwortlich“, erklärte ein Diplomat.

Bislang hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag allerdings keine Vorermittlungen zu der massiven Gewalt gegen Demonstranten in Libyen unternommen. Chefankläger Moreno-Ocampo erklärte am Mittwoch, eine Intervention des Strafgerichtshofs sei nur möglich, wenn Libyen dessen Rechtsprechung akzeptierte oder der Weltsicherheitsrat die Lage in Libyen vor das Tribunal bringe. Erst nach einem solchen Schritt werde sein Büro tätig, so Moreno-Ocampo. Um die nötigen Beweise für einen Prozess zu sammeln, bot die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, ihre Hilfe an. Die Experten des Hochkommissariats könnten die Massaker vor Ort untersuchen.

Im UN-Sicherheitsrat spielte die Frage nach sofortigen Strafen gegen Libyens Machthaber noch keine große Rolle. Hinter den Kulissen signalisierten die Vetomächte China und Russland, dass sie Sanktion derzeit ablehnen. Der zweite Mann der libyschen UN-Botschaft, Ibrahim Dabbashi, erklärte daraufhin, dass die Reaktion des Sicherheitsrates auf die Gewalt in Libyen „nicht kraftvoll genug“ sei. Dabbashi hatte sich von dem Regime in Tripolis losgesagt. Der abtrünnige Diplomat wirft den Machthabern in seiner Heimat vor, einen „Völkermord“ zu verüben. Dabbashi hatte unter anderem eine Flugverbotszone über Libyen gefordert. Damit könnten Luftangriffe auf Demonstranten verhindert werden.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verlangte ebenfalls ein energisches Eingreifen der Vereinten Nationen, um den „Völkermord in höchster Potenz“ zu beenden. Asselborn forderte die internationale Gemeinschaft auf, ein UN-Mandat zum Schutz der libyschen Bevölkerung vor den Massakern zu erwirken. Im Land seien zehntausende Söldner. Zudem würden Scharfschützen eingesetzt, um die Menschen niederzuschießen. Konkret forderte der luxemburgische Außenminister eine internationale Kontrolle der Flugbewegungen von und nach Libyen, um die Einreise weiterer Söldner zu verhindern. Indirekt forderte Asselborn die Arabische Liga zum Eingreifen auf. Ob ausländische Truppen geschickt werden sollten, müssten die Vereinten Nationen entscheiden. Die Völkergemeinschaft könne aber nicht zuschauen, wenn tausende Menschen abgeschlachtet würden, sagte Asselborn.

Auch der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz (SPD), rief die Vereinten Nationen auf, Ermittlungen gegen Libyens Staatschef Gaddafi einzuleiten. Schulz erklärte, die Berichte über die Anwendung massiver Waffengewalt gegen das eigene Volk während der brutalen Unterdrückungskampagne müssten von den UN untersucht werden. Wenn Gaddafi solcher Verbrechen schuldig sei, müsse er die Konsequenzen tragen, einschließlich eines Prozesses wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Wie ernst die Vereinten Nationen die Libyen-Krise nimmt, machte Generalsekretär Ban Ki Moon klar. Der UN-Chef brach einen Aufenthalt in Kalifornien ab und eilte zurück in die UN-Zentrale nach New York. Vorher hatte Ban rund 40 Minuten mit Gaddafi telefoniert. „Es war kein einfaches Gespräch“, betonte Ban später. (mit KNA)

Jan Dirk Herbermann

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