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An der Front. Nach einem Angriff von Gaddafis Truppen wird ein Aufständischer in Ras Lanuf ins Hospital gebracht.

© AFP

Libyen: Türkei sieht Flugverbotszone mit Skepsis

Mit deutlicher Skepsis geht die Türkei in die Brüsseler Beratung der Nato-Verteidigungsminister über ein mögliches Engagement in Libyen. EU-Abgeordnete fordern hingegen eine Flugverbotszone.

Berlin/Istanbul/Brüssel - Eine in Brüssel in den zurückliegenden Tagen oft geäußerte Hoffnung hat sich nicht erfüllt: Muammar al Gaddafi, der Revolutionsführer von gestern, hält der Revolution von heute weiter stand. Das Problem des libyschen Staatschefs hat sich somit nicht von selbst erledigt. Damit sind die EU und die Nato im Zugzwang. An diesem Donnerstag kommen die EU-Außenminister und die Nato-Verteidigungsminister in Brüssel zu getrennten Sitzungen zusammen, am Tag darauf beraten die „Chefs“ der 27 EU-Staaten über die Lage in Libyen. Bei allen drei Treffen geht es um eine Antwort auf die Frage: Was ist zu tun, da in direkter europäischer Nachbarschaft ein Despot der eigenen Bevölkerung den Krieg erklärt hat?

Noch ist keine Entscheidung des Weltsicherheitsrats absehbar, die ein militärisches Eingreifen rechtfertigen würde – dies jedoch gilt sowohl in Kreisen der Nato als auch innerhalb der EU als unverzichtbar. Allerdings wird ein UN-Mandat nur für das Durchsetzen einer Flugverbotszone über Libyen oder gar den Einsatz von Bodentruppen verlangt. Im Nato-Hauptquartier wird betont, dass militärisch unterstützte Hilfsaktionen im Mittelmeer oder entlang der libyschen Grenzen zu Tunesien oder Ägypten auch ohne Sicherheitsratsvotum möglich sind. So gilt dies als die wahrscheinlichste Entscheidung, die beim heutigen Nato-Verteidigungsministertreffen und beim EU-Gipfel am Freitag fallen könnte. „Die militärische Option sehe ich in dieser Woche noch nicht“, sagte ein EU-Diplomat.

Die Diskussion in der EU müsse sich vor allem auf die Verhinderung einer humanitären Krise konzentrieren, hieß es auch unter deutschen Diplomaten. In einem Positionspapier des Auswärtigen Amtes wird die EU zudem dazu aufgefordert, ihre Sanktionen auf weitere Angehörige der libyschen Führungselite und ihre Vermögenswerte auszudehnen. Wie ein EU-Diplomat der Nachrichtenagentur AFP sagte, werde ein „gemäßigtes Mitglied“ des Gaddafi-Regimes vor dem Brüsseler EU-Außenministertreffen zu Gesprächen mit der portugiesischen Regierung in Lissabon erwartet. Geplant sei dort ein Treffen mit dem portugiesischen Außenminister Luis Amado.

Mit großer Skepsis geht die Türkei indes in die Brüsseler Beratungen der Nato-Verteidigungsminister über eine Flugverbotszone. Die Lage sei zu unübersichtlich, es gebe zu viele Unsicherheitsfaktoren, betonte ein hochrangiger türkischer Diplomat am Mittwoch. „Was geschieht denn, wenn auf Nato-Soldaten geschossen wird, wenn sie gefangen genommen werden?“, fragte er. „Schicken wir dann Bodentruppen?“ Untermauert wurden die türkischen Sorgen durch ein Interview Gaddafis im türkischen Staatsfernsehen. Es sei für ihn „nützlich“, wenn ein Flugverbot verhängt werde, sagte Gaddafi: Denn dann würden die Libyer merken, dass es dem Westen nur um den Ölreichtum des Landes gehe – und mit vereinten Kräften gegen die Ausländer kämpfen.

Im Europaparlament sprachen sich unterdessen zahlreiche Politiker verschiedener Fraktionen für eine Flugverbotszone über Libyen aus. So sagte der CDU-Abgeordnete Elmar Brok bei der Debatte am Mittwoch in Straßburg, dass eine Flugverbotszone in enger Zusammenarbeit mit der Arabischen Liga und den arabischen Ländern möglichst durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates durchgesetzt werden sollte. Falls sich eine solche Entscheidung wegen des Einspruchs von Vetomächten wie Russland oder China nicht herbeiführen lasse, müsse eine Flugverbotszone notfalls auch ohne einen förmlichen Beschluss der Vereinten Nationen eingerichtet werden. Die EU müsse verhindern, „dass Gaddafi seine eigene Bevölkerung weiter bombardieren kann“, sagte Brok.

Der Fraktionschef der Liberalen, Guy Verhofstadt, forderte ebenfalls, dass die Bombardierung von Städten, die sich in der Hand von Aufständischen befinden, gestoppt werden müsse. Neben zahlreichen anderen EU-Abgeordneten rief auch Verhofstadt dazu auf, dass die EU die Übergangsregierung der Aufständischen anerkennen müsse. Der Ko-Fraktionschef der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, mahnte, dass die internationale Staatengemeinschaft Partei für die Aufständischen ergreifen und nicht denselben Fehler wie im Bosnienkrieg machen dürfe. Damals wurde gleichermaßen gegen Serben und Muslime ein Waffenembargo verhängt – mit der Folge, dass die bosnischen Serben einen militärischen Vorteil erhielten.

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