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Libyen: Übergangsrat feiert Sarkozy und Cameron

In Tripolis wurden die Staatschefs aus Frankreich und Großbritannien als Verbündete gefeiert. Welche Ziele verfolgten sie mit dem Besuch?

„Es ist aus, gib endlich auf, schick deine Söldner nach Hause“, rief der britische Premier David Cameron. „Alle Diktatoren der Welt müssen begreifen, im 21. Jahrhundert gibt es für sie kein Entkommen und keinen Ort der Straflosigkeit mehr“, sekundierte ihm der französische Präsident Nicolas Sarkozy an die Adresse des untergetauchten libyschen Ex-Machthabers Muammar al Gaddafi.

Wie sind Sarkozy und Cameron in Libyen empfangen worden?

Beider Besuch war quasi über Nacht aus dem Boden gestampft worden, weil sich Paris und London nicht von dem ebenfalls in Tripolis angesagten türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan die Schau stehlen lassen wollten. Der befindet sich diese Woche auf „arabischer Frühlingstour“ durch Ägypten, Tunesien und Libyen. Sein Eintreffen in Tripolis wurde dann auch um einen Tag auf Freitag verschoben.

Und so konnten sich Sarkozy und Cameron ungestört sonnen in ihrer populären Rolle als politische Hauptarchitekten des Nato-Einsatzes über dem ölreichen Mittelmeerland, während Erdogan das internationale Eingreifen damals zunächst als „absurd“ und „undenkbar“ abgetan hatte. Am späten Abend des 17. März hatte der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1973 die Militäraktionen autorisiert, am übernächsten Morgen bereits bombardierten französische und britische Jets Gaddafis Panzer und Raketenwerfer, die bis in die Außenbezirke von Bengasi vorgedrungen waren. „Merci Sarkozy“ und „Thank You Britain“ zieren bis heute zahllose Hauswände in der Rebellenhochburg im Osten, in die Sarkozy und Cameron am Nachmittag weiterflogen.

Auf dem Freiheitsplatz an der Corniche wollten sie dann in der Abendsonne mit den Menschen feiern. Zuvor hatten sie in Tripolis gemeinsam an das libysche Volk appelliert, die Einheit des Landes zu bewahren, nicht auf Rache zu sinnen und innere Versöhnung anzustreben. „Jeder Libyer soll wissen, wer Verbrechen begangen hat, wird auch zur Verantwortung gezogen“, sagte Sarkozy. Straffreiheit werde es nicht geben. Cameron versprach der neuen Führung den Beistand Großbritanniens, damit Libyen „wieder auf die Beine kommt und jeder eine Arbeit findet“. Kein Libyer solle mehr sagen können, er habe in seiner Heimat keine Zukunft.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, was Libyen vom Westen erwartet.

Was erhoffen sich die Libyer vom Westen?

Ungeachtet aller Euphorie und schöner Worte – der Wettlauf um die lukrativen Aufträge hat bereits begonnen. Der siebenmonatige Bürgerkrieg hat enorme Schäden in der libyschen Volkswirtschaft angerichtet. Wohnviertel und Städte liegen in Trümmern. Die Ölproduktion soll zwar nächste Woche wieder anlaufen, ihr Vorkriegsniveau aber wird sich nach Angaben von Ölminister Ali Tarhouni frühestens in einem Jahr erreichen lassen. Drei europäische Konzerne sind besonders am libyschen Öl interessiert: das spanische Unternehmen Repsol, die italienische Eni und der französische Ölkonzern Total.

Übergangsratspräsident Mustafa Abdul Dschalil versicherte seinen beiden Gästen bereitwillig, ihre Nationen würden beim Wiederaufbau Libyens „sicher eine zentrale Rolle spielen“. Er forderte die Nato auf, den Rebellen mit zusätzlichen Waffen zu helfen und mit den Kampfeinsätzen so lange fortzufahren, bis der Rest des Landes befreit sei.

Was treibt Sarkozy an?

Nicolas Sarkozy hat es, wie immer, eilig. Im März war er die treibende Kraft, die zur Unterstützung der libyschen Rebellen durch die internationale Gemeinschaft führte. Und jetzt wollte er mit dem britischen Premier Cameron der erste westliche Staatsmann sein, der sich nach dem Sturz des Diktators auf libyschem Boden feiern lässt. Für den Blitzbesuch werden in Paris mehrere Gründe genannt. Zum einen habe Sarkozy auf diplomatischem Feld dem Besuch des türkischen Premiers Recep Erdogan zuvor kommen wollen. Auch ging es Sarkozy darum, die Kräfte im Übergangsrat zu stützen, die für eine demokratische Entwicklung eintreten. Daneben verfolgt er Wirtschaftsinteressen. Dass es Abmachungen über künftige Erdöllieferungen gibt, wie bei der „Gipfelkonferenz der Freunde Libyens“ in Paris am 1.September berichtet wurde, wird zwar bestritten. Doch dass Konzerne wie Total den Lohn für den Einsatz Frankreichs ernten werden, kann man sich in Paris durchaus vorstellen.

Noch wichtiger ist für Sarkozy aber, die Last der Irrungen der französischen Arabienpolitik – man denke nur an die jetzt enthüllte Zusammenarbeit mit Gaddafis Geheimdienst – vergessen zu machen. Während Cameron die entscheidende militärische Unterstützung der USA für die Intervention würdigte, fand Sarkozy dafür bisher kein Wort der Anerkennung. Er mag den Triumph in Libyen als Kompensation für das geringe innenpolitische Ansehen zu Hause empfinden.

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