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Libyen: US-Senator McCain für gezielten Schlag gegen Gaddafi

Nach einem Luftschlag der Nato, bei dem nach Angaben der libyschen Regierung ein Haus der Familie von Machthaber Gaddafi zerstört worden sein soll, ist die Debatte um den Umgang mit Gaddafi entbrannt.

Nach dem gezielten Nato-Luftangriff auf ein Haus in der libyschen Hauptstadt Tripolis hat der republikanische US-Senator John McCain derartige Schläge befürwortet. In der CBS-Talkshow „Face the Nation“ erklärte der ehemalige Präsidentschaftskandidat McCain am Sonntag, es wäre in Ordnung, wenn Machthaber Muammar al-Gaddafi durch einen gezielten Nato-Luftangriff auf seine Kommandozentrale getötet werden würde. "Wir sollten sein Kommando und seine Kontrolle ausschalten und wenn er dabei getötet oder verletzt wird, ist das gut", erklärte der ehemalige Jagdbomberpilot der US-Armee. Ebenso wichtig sei aber auch eine Strategie, um die Rebellen darin zu unterstützen, Gaddafi und seine Gefolgsleute zu stürzen. McCain kritisierte die Vorgehensweise von Präsident Barack Obama im Libyen-Konflikt. Die USA beteiligten sich nicht aktiv genug und hätten dadurch eine "Rolle auf der Hinterbank".

In Tripols gab es ein Verwirrspiel. Ein gähnendes Loch in der Decke, verbogene Stahlträger ragen in den Raum, an denen noch Betonfetzen hängen. Auf dem Boden verstreut liegen Matratzen, an der Wand steht unbeschädigt ein rosa Sofa. Inmitten der Trümmer ist eine Blindgänger-Rakete zu sehen, während sich internationale TV-Crews auf ihrer vom Regime arrangierten Pressetour im schwankenden Schein von Taschenlampen durch den Schutt tasten. Hier sollen am Samstagabend, so jedenfalls behauptet Regierungssprecher Mussa Ibrahim, Gaddafisohn Saif al-Arab sowie drei Enkelkinder des Diktators „den Märtyrertod“ gestorben sein – zerfetzt von einer Nato-Rakete.

Muammar Gaddafi selbst und seine Frau Safia Farkash, ebenfalls im Haus, hätten den Angriff unverletzt überlebt, fügte er hinzu und sprach von einem „gezielten Mordversuch“. „Was wir hier sehen, ist das Gesetz des Dschungels“, erklärte er. Jedem müsse jetzt klar geworden sein, was sich in Libyen abspiele, habe mit dem Schutz von Zivilisten nichts zu tun.

Eine unabhängige Überprüfung der libyschen Darstellung war jedoch bislang nicht möglich, weil sich ausländische Journalisten in Tripolis nicht frei bewegen können und bei ihren arrangierten Touren nur sorgfältig vorbereitete Propaganda-Szenarien vorgeführt bekommen. So blieb unklar, ob es sich bei dem völlig zerstörten Gebäude wirklich um das Wohnhaus von Saif al-Arab handelt. Augenzeugen, wie der BBC-Korrespondent Christian Fraser, äußerten zudem Zweifel, dass überhaupt jemand im Inneren eine solch schwere Explosion hätte überleben können.

Das aber würde bedeuten, dass Muammar Gaddafi – entgegen der offiziellen Darstellung - bei dem Angriff gar nicht vor Ort war. Der angeblich getöteten Saif al-Arab wiederum ist in Libyen ein Mann ohne Gesicht. Er lebte bis vor kurzem in München, trat nie in der libyschen Öffentlichkeit auf oder nahm in den letzten Wochen an keiner der organisierten Kundgebungen für seinen Vater teil. Und so äußerte am Sonntag auch der Vizepräsident des Provisorischen Nationalrats in Benghazi, Abdul Hafiz Ghoga, Zweifel an der Darstellung des Regimes. Das Ganze könnte inszeniert worden sein, um internationale Sympathien für Gaddafi zu wecken, erklärte er auf Al Jazeera.

Auch von Seiten der Nato wurden die Angaben aus Tripolis nicht näher kommentiert. Man habe Kommando- und Kontrollgebäude des Regimes bombardiert, hieß es lediglich. „Ich weiß von unbestätigten Medienberichten, wonach einige Mitglieder der Familie Gaddafis getötet worden sein könnten“, erklärte der zuständige Kommandeur, General Charles Bouchard, ohne jedoch Details zu bestätigen. Alle Nato-Ziele seien militärischer Natur. „Wir greifen keine Einzelpersonen an“.

Der Nachrichtensender CNN berichtete, ein hoher US-Regierungsmitarbeiter habe sich ebenfalls zurückhaltend geäußert. Er wisse von diesen Berichten, könne sie aber nicht offiziell bestätigen. Dagegen bezweifelte Russland die Darstellung der Nato, der Luftangriff in Tripolis habe nicht Gaddafi und seiner Familie gegolten. Erneut rief Moskau die Alliierten auf, ihre Militäraktionen in Libyen einzustellen.

Vor einer Woche erst hatte die Nato bei einem Angriff die persönlichen Büros des Gewaltherrschers sowie eine Protokollgebäude zerstört, in dem Gaddafi vor kurzem noch eine Delegation der Afrikanischen Union (AU) empfangen hatte. Am Samstag war eine Rakete nahe einer staatlichen TV-Station eingeschlagen, in der Gaddafi zuvor per Fernsehansprache den Rebellen einen Waffenstillstand sowie den USA und Frankreich Verhandlungen „ohne Vorbedingungen“ angeboten hatte. Einen Rücktritt schloss der Diktator dabei erneut aus. Er werde sein Land nicht verlassen und bis zum letzten Atemzug kämpfen.

Der britische Premierminister rechtfertigte unterdessen das Vorgehen des Militärbündnisses, wollte aber den von Tripolis behaupteten Angriff auf das Familientreffen nicht bestätigen. Auf Gaddafi zu zielen, sei von der UN-Resolution 1973 gedeckt, sagte David Cameron in einem Interview der BBC. Denn Gaddafis Kriegsmaschine anzugreifen, diene dem Ziel, den Tod von zivilen Opfern zu verhindern.

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