zum Hauptinhalt
Verzweifelte Anklage. Die Libyerin Iman al Obeidi war nach eigenen Angaben von 15 Soldaten vergewaltigt worden. Ihre Geschichte ging um die Welt, als sie Journalisten von dem Verbrechen erzählen wollte und dabei festgenommen wurde. Foto: Mohamed Messara/dpa

© dpa

Libyen: Vergewaltigung als Kriegswaffe

Der Chefankläger in Den Haag sammelt Beweise gegen libysche Soldaten und wirft Gaddafi Anstiftung vor.

„Erst fesselten sie meinen Ehemann, dann vergewaltigten sie mich vor seinen Augen, schließlich erschossen sie ihn.“ Hunderte Aussagen von Frauen aus jenen Städten, in denen die Soldaten des libyschen Diktators Muammar al Gaddafi wüteten, nähren den Verdacht, dass der Tyrann Vergewaltigungen gezielt als Kriegswaffe einsetzt. Die libysche Ärztin Siham Sergewa, die sich um traumatisierte Kriegsflüchtlinge kümmert, hat viele dieser Fälle dokumentiert und das Material dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag übergeben. Der Chefermittler des Tribunals, Luis Moreno-Ocampo, will Gaddafi deswegen möglicherweise nun auch wegen Anstiftung zur Massenvergewaltigung anklagen. Moreno-Ocampo beantragte bereits beim Gericht einen internationalen Haftbefehl gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al Islam und Geheimdienstchef Abdullah al Senussi wegen Massakern an der Zivilbevölkerung und systematischer Folter.

Es gebe Informationen, wonach es „in Libyen eine Strategie ist, jene zu vergewaltigen, die gegen das Regime waren“, sagte Generalstaatsanwalt Moreno-Ocampo. Dazu gesellten sich auch Hinweise, „dass Gaddafi dies entschied“. Offenbar habe das Regime massenweise Viagra-Produkte gekauft, „um die Möglichkeit der Vergewaltigung zu fördern“.

Nach den Erkenntnissen der Ärztin Siham Sergewa, die in Flüchtlingslagern an der tunesischen und ägyptischen Grenze mit tausenden libyschen Frauen sprach, gab es Massenvergewaltigungen in praktisch allen Orten, in denen Gaddafis Truppen gegen die Opposition kämpften. „Sie benutzen die Vergewaltigung nicht nur, um den Frauen Schaden zuzufügen, sondern um Familien und ganze Dorfgemeinschaften zu terrorisieren.“ Die Opfer seien oft deprimiert, wollten sterben oder seien verstoßen worden. Viele würden aus Angst schweigen, die Dunkelziffer sei deswegen sehr hoch.

Auch zwei Gaddafi-Soldaten, die in der Stadt Misrata von den Rebellen gefangen genommen wurden, berichteten dem britischen Sender BBC vom Massenmissbrauch: „Die Offiziere nahmen die Mädchen mit nach oben. Als sie fertig waren, wurde uns befohlen, die Mädchen ebenfalls zu vergewaltigen. “ Wer sich geweigert habe, sei geschlagen worden. Die Kommandeure hätten ihre Soldaten auch zu diesen Verbrechen angestiftet: „Für jede Frau, die ihr missbraucht, bekommt ihr Geld von uns.“ Ärzte aus der im Osten liegenden Stadt Ajdabiya hatten schon im März berichtet, dass Gaddafis Truppen Anhängerinnen der Opposition verschleppen. „Wir werden alle Frauen, welche auf Seiten der Opposition sind, holen und vergewaltigen“, hatten Gaddafis Militärs unverblümt gedroht.

Vor laufenden Kameras hatte eine 29-jährige Libyerin aus der Oppositionshochburg Bengasi im März ausländischen Journalisten in Tripolis berichtet, dass sie an einem Kontrollposten des Militärs entführt und dann von 15 Männern missbraucht worden sei. „Schaut, was sie mir angetan haben“, rief Iman al Obeidi und zeigte im Journalistenhotel in Tripolis Wunden der Misshandlungen und Fesselspuren an den Handgelenken. Gaddafis Geheimpolizisten zerrten die Frau daraufhin gewaltsam aus dem Hotel und nahmen sie fest. Nach internationaler Vermittlung konnte Iman al Obeidi das Land inzwischen aber verlassen und befindet sich in der Obhut des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR.

Zur Startseite