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Politik: Lieber ein Teilzeitdoktor als gar keiner

Die Kassenärztlichen Vereinigungen stehen unter Druck – und sind nun für flexiblere Arbeitsbedingungen

Berlin - Im Moment sind die einstmals starken Lobbyisten in der Zange. Von der einen Seite kneifen die Reformer, die den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) als ausgemachten Wettbewerbs-Verhinderern im Gesundheitswesen schon lange den Garaus machen wollen und sich in neuer Regierung zu neuer Forschheit angespornt fühlen könnten. Auf der anderen Seite istda dieses Problem mit dem Ärztemangel. Der so genannte Sicherstellungsauftrag ist die Existenzberechtigung der KVen. Mit der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung scheint es allerdings in den ländlichen Regionen keineswegs mehr richtig zu funktionieren.

Laut Bundesärztekammer ist die Versorgung mit Hausärzten schon in elf von 99 ostdeutschen Bezirken nicht mehr ausreichend. Und das Problem trifft nicht nur den Osten. Auch in Niedersachsen fehlen 208, in Bayern 64 Allgemeinmediziner. In den Kliniken wird es ebenfalls eng. Dort sind 3200 Stellen offen.

Was also tun? Einfach mal die Regierung um 700 Millionen Euro für die neuen Länder anpumpen, um „das jetzige Versorgungsniveau halten zu können“, wie es die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kürzlich in altbewährter Manier probiert hat? Die Kassen des Bundes sind so klamm wie nie. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ist stinksauer, dass die Kassenbeiträge wegen der Arzneikostensteigerungen im nächsten Jahr wieder nicht sinken können. Und dass Geld allein als Lockmittel nicht zieht, ahnen auch die KVen. Ihre teilweise üppigen Investitionszuschüsse und Umsatzgarantien für ansiedlungswillige Jungmediziner treffen bisher auf wenig Resonanz.

Sollen die Hausärzte halt länger arbeiten, meint Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) – und schlägt die Aufhebung der Altersgrenze von 68 Jahren vor. Bringt nichts, meint KBV-Sprecher Roland Stahl. Das bisherige Limit werde fast nie erreicht. Dass über 70-Jährige den harten Landarzt- Job noch packen und packen wollen, scheint ihm realitätsfremd. „Die meisten sind schon mit 50 ausgelaugt.“ Auch rollende Praxen, wie von der Ärztekammer vorgeschlagen, seien keine Lösung. „Durchs Land brausende Medizin-Mobile können das benötigte Vertrauen nicht stiften“, sagt KBV-Vize Ulrich Weigeldt.

In ihrer Not bewegen sich die Lobbyisten nun in eine Richtung, die auch der Ministerin ganz recht ist: Sie dringen auf mehr Flexibilisierung. Ärzte sollen künftig leichter in Teilzeit arbeiten können, auch Doktores in Anstellung soll es häufiger geben. Was bedeutet, dass es Ärzten auch erlaubt sein muss, mehrere Praxen betreiben zu dürfen. „Bisher“, sagt Stahl, „gibt es da noch ganz erhebliche Hürden.“

Auch das Wort Wettbewerb führen die Lobbyisten immer häufiger im Mund. Allerdings wollen sie kein pures Einzelkämpfertum, sondern mitmischen – etwa über Kollektivverträge bei der integrierten Versorgung. Auch die Beratung von Vertragsärzten möchten die KVen erlaubt bekommen. Die Nachfrage sei da, sagt Stahl, es gebe ja immer mehr Einzelverträge. „Und wir wollen den Ärzten ersparen, dass sie auf teure Berater zurückgreifen müssen.“

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