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Politik: „Lieber Franz …“

… und dann kommt es dicke: Die Gewerkschaften schreiben an Müntefering

Berlin - Als in der Berliner SPD-Zentrale Ende Juli ein Brief für den „lieben Franz“ eintraf, erholte sich der Adressat noch auf Norderney. Geschrieben hatte IG-Metall-Chef Jürgen Peters, und was er mitzuteilen hatte, dürfte die Urlaubslaune des SPD-Vorsitzenden Müntefering nicht gehoben haben. Denn der herzlichen Anrede ließ der Frankfurter Gewerkschaftsboss in dem fünfseitigen Schreiben neuerliche Grundsatzkritik an der Agenda 2010 folgen: „Die Maßnahmen sind in weiten Teilen ökonomisch falsch und sozial ungerecht.“

Nahezu zeitgleich kündigte auch Verdi-Chef Frank Bsirske in einem Brief an die Verdi-Gliederungen weitere Kritik am Reformkurs der SPD an – schlechte Nachrichten für Müntefering, der sich seit Wochen bemüht, das beschädigte Verhältnis seiner Partei zu den Gewerkschaften zu reparieren. Noch vor Urlaubsantritt hatte sich der SPD-Chef in einer Mischung aus Werben und Drohen direkt an über 10 000 Gewerkschaftsmitglieder und Betriebsräte gewandt und vor einer pauschalen Ablehnung der Reformpolitik von Kanzler Gerhard Schröder gewarnt. Dies „wäre ein schwerer politischer Fehler und würde die Handlungsstärke der Gewerkschaften nachhaltig schwächen“.

Die Antwort von Bsirske und Peters klingt jedoch eher nach Abrechnung als nach Annäherung. So dringt Peters nach wie vor auf einen Kurswechsel und macht die Agenda einmal mehr für die Wahlniederlagen der SPD verantwortlich. Nicht Schwächen in der Kommunikation oder handwerkliche Pannen seien der Grund, sondern „der große Graben zwischen den Erwartungen eines großen Teils der SPD-Anhängerschaft und der praktischen Politik ihrer Partei“. Für Bsirske beweisen wachsende Staatsverschuldung, hohe Arbeitslosigkeit und stagnierende Binnennachfrage die „Erfolglosigkeit“ von Schröders Politik. In Verbindung mit der „wahrnehmbaren Zunahme sozialer Ungerechtigkeiten“ führe diese Erfolglosigkeit dazu, „dass die Agenda 2010 bei immer mehr Menschen, gerade aus der Anhängerschaft der SPD, auf Unverständnis und Wut stößt“.

Wie zum Beweis ist am Donnerstag ein angeblicher Kettenbrief bekannt geworden, in dem die SPD-Basis zum Sturz des Kanzlers aufgerufen werden soll: „Schröder muss gehen, ob er will oder nicht.“ Unterzeichnerin ist das einfache Kölner SPD-Mitglied Eva Gürster. Sie war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter sprach von üblen Diffamierungen. „Wer so redet und schreibt, betätigt sich als Helfershelfer von Merkel und Westerwelle und sabotiert die Arbeit der deutschen Sozialdemokratie.“ Der niedersächsische SPD-Landeschef Wolfgang Jüttner bezeichnete das Papier als „bedeutungslos“. Es stehe mit „Sicherheit nur für eine verschwindende Minderheit in der SPD“.

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