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Gregor Gysi am Freitag vor der Bundespressekonferenz

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Linke diskutiert Wahlprogramm: Gysi: Merkel gefährdet die europäische Idee

Im Entwurf für das Europawahlprogramm der Linken heißt es, die EU sei eine "neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht". Das will Fraktionschef Gysi so nicht stehen lassen - und die Parteichefs teilen seine Bedenken.

Von Matthias Meisner

Die Linken-Führung hat sich davon überzeugt gezeigt, dass der EU-kritische Entwurf des Europawahlprogramms in wesentlichen Punkten noch korrigiert wird. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, sagte am Freitag vor Journalisten in Berlin, die europäische Idee werde nicht von der Linken gefährdet, sondern von der Bundesregierung unter Angela Merkel. Europa müsse ein Ort des Friedens, von mehr Demokratie und mehr sozialer Gerechtigkeit werden. "Dafür werden wir streiten."

Gysi drückte die Erwartung aus, dass auf dem Bundesparteitag im Februar in Hamburg "angemessene Änderungen" am Programmentwurf durchgesetzt werden. Er hatte sich bereits vor einigen Tagen gestoßen an der Formulierung, die EU sei eine "neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht". Auch hält er nichts von der Forderung nach einem Austritt Deutschlands aus der Nato.

Die umstrittenen Passagen in der Präambel des Entwurfs hatte in einer Vorstandssitzung der linke Parteiflügel um die Vizevorsitzende Sahra Wagenknecht und den Europapolitiker Diether Dehm durchgesetzt. Die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger hatten zunächst eine deutlich europafreundlichere Vorlage präsentiert. Kipping erklärte, die umstrittenen Sätze seinen "reingestimmt" worden. Sie sei "zuversichtlich, dass das veränderte Programm einen anderen Geist hat als die viel zitierten Sätze".

Riexinger: Wir brauchen Flügel, aber auch eine handlungsfähige Linke

Auch Kippings Co-Chef Riexinger versicherte, die Linke stimme in der Europapolitik zu 95 Prozent überein. Dass ein einer lebendigen Partei darüber diskutiert werde, ob es "mehr oder weniger Kritik" an der EU gebe, sei "völlig normal". Die Flügelkämpfe, die die Linke vor Jahren lahm gelegt hatten, würden deshalb nicht neu ausbrechen. Der Parteichef sagte: "Wir brauchen Flügel, wir brauchen aber auch eine handlungsfähige Linke." Den - so Riexinger - "Spagat" zwischen diesen beiden Anforderungen werde seine Partei "sehr gut hinkriegen". Die Forderung nach einem "Zurück zum Nationalstaat" habe bei der Linken "keine Aussicht auf Erfolg", versicherte er.

Die "Süddeutsche Zeitung" zitierte die linke Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau mit einem Appell für eine unmissverständliche Abgrenzung zur euroskeptischen Alternative für Deutschland (AfD). "Ich glaube, dass da Trennschärfe gefragt" ist, sagte Pau - die aus den Erfahrungen im eigenen Berliner Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf nur zu gut weiß, dass Europaskepsis, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit auch in linken Hochburgen leicht nah beieinander liegen können.

Der Berliner Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich, der kürzlich zum Sprecher des Reformerflügels Forum demokratischer Sozialismus gewählt worden war, hatte schon im Dezember erklärt, das Europawahlprogramm in der jetzigen Fassung komme "eher einem Aufruf zum Wahlboykott gleich". Das FdS forderte damals eine "gründliche Überarbeitung" des Programmentwurfs, der Änderungsbedarf sei "immens".

Am Sonntag trifft sich die Linke in Berlin zu ihrem Politischen Jahresauftakt - unter anderem mit Gysi, Wagenknecht und Ex-Parteichef Oskar Lafontaine. Der griechische Oppositionsführer Alexis Tsipras hat seine Teilnahme an der Kundgebung zum Auftakt des Europawahljahres kurzfristig abgesagt.

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