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Betonte Nähe. Linken-Chefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst.

© dapd

Glückloses Führungsduo: Linke: Klaus Ernst und Gesine Lötzsch wollen wiedergewählt werden

Kommunismus-Debatte, Ärger um Zusatzbezüge: Vielen erscheint die Amtszeit der beiden Vorsitzenden wie eine Pannenserie, doch Ernst und Lötzsch laufen sich bereits für den Machterhalt warm.

Von Matthias Meisner

Wolfgang Methling ist in der Rostocker Linkspartei die graue Eminenz. Der 63-jährige Professor für Tiergesundheitslehre war jahrelang stellvertretender Bundesvorsitzender der PDS, von 1998 bis 2006 war er Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern. Inzwischen konzentriert er sich auf die Kommunalpolitik, ist der Kreisvorsitzende der Rostocker Linken. Gern ist er persönlich ins „Nordlicht“ gekommen, einen Veranstaltungskomplex im Plattenbaubezirk Lichtenhagen, um seine Parteivorsitzende Gesine Lötzsch zur Wahlkampfveranstaltung zu begrüßen. Schließlich kann Methling bei dieser Gelegenheit den Genossen aus der eigenen Landesspitze eine Breitseite verpassen, die von der seit Mai 2010 amtierenden Führung mit Lötzsch und Klaus Ernst wenig halten und auch sich von deren Wahlhilfe keine wirkliche Hilfe erwarten.

Methling schwärmt von der „großartigen Arbeit“, die Lötzsch geleistet habe. Er sagt, sie habe der Linken eine „gute politische Perspektive“ verschafft. „Ich freue mich, dass Gesine Lötzsch heute eine der Parteivorsitzenden der Partei Die Linke ist. Sie ist gern gesehen. Ich hoffe und ich bin davon überzeugt, dass uns das auch nützen wird.“ Methling lobt dann noch eine Reihe von anderen Genossen, Klaus Ernst und die Vizevorsitzende Sahra Wagenknecht etwa. Den Landesvorsitzenden Steffen Bockhahn und den Spitzenkandidaten Helmut Holter, beide vom Reformerflügel, erwähnt er nicht.

Im „Nordlicht“ fand zu DDR-Zeiten die Schulspeisung statt, nun lassen sich bei der Linken Rentner aufmuntern, die den Großteil der rund 100 Zuhörer ausmachen. Die örtliche Landtagsabgeordnete Regine Lück hat sich vorgenommen, dass die Partei an diesem Abend „nicht nur im eigenen Saft schmoren“ möge – das aber hat erkennbar nicht geklappt. „Endlich Gerechtigkeit“ lautet der Titel von Lötzschs Vortrag, es geht um die Macht der Banken, Niedriglöhne und die Vermögenssteuer. Zum Ende wird die Vorsitzende nach eigenen Worten etwas romantisch. „Gleichheit ist Glück“, ruft sie ins Mikrofon, „Gerechtigkeit ist für alle besser. Und wir sind die Partei der Gerechtigkeit.“ Die Genossen applaudieren, dann meldet sich einer von ihnen zu Wort: Wieso denn die Querelen in der Linkspartei kein Ende nähmen? „Wir vergeben uns hier viel.“

Lötzsch antwortet, natürlich sei der Zwiespalt nicht gut. Es liege auch am Tempo des Schlagabtauschs. Früher habe man einen Brief geschrieben, heute werde eine E-Mail an 150 Leute geschickt, man sei „der eigenen Geschwindigkeit nicht mehr gewachsen“. Aber natürlich sei Streit dieser Art nicht gut. „Wir bemühen uns, das zu ändern, aber es ist nicht immer von Erfolg gekrönt.“

Über eigene Fehler und Schwächen spricht Lötzsch nicht. Aber sie und ihr Ko-Chef Ernst schicken sich an, im Juni kommenden Jahres noch einmal zu kandidieren. Dabei galten beide schon als abgeschrieben, Ärger wegen der Zusatzbezüge von Ernst, die von Lötzsch angezettelte Kommunismus-Debatte, vielen erschien die Amtszeit der Nachfolger von Oskar Lafontaine und Lothar Bisky als Pannenserie. Auch wenn, wie Parteisprecher Alexander Fischer betont, offiziell noch nichts entschieden sei, rechnen Genossen mit einer neuen Kandidatur von Lötzsch und Ernst. „Ich gehe davon aus, dass die beiden wieder antreten und auch wieder gewählt werden“, sagt Wolfgang Zimmermann, Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen, dem Tagesspiegel.

Auch andere Linken-Politiker beobachten seit einer Weile, wie sich das Duo warmläuft für den Machterhalt. Belege dafür liefert etwa der Einsatz der Vorsitzenden für einen Kompromiss beim Grundsatzprogramm, das im Oktober auf einem Parteitag in Erfurt verabschiedet werden soll. „Natürlich trägt das auch zur Stabilisierung der Führungsspitze bei“, sagt ein ostdeutscher Landesvorsitzender. Nach einem erfolgreichen Programmparteitag werde es „nicht einfach, eine Gegenkampagne zu organisieren“. Als Problem gilt zudem, dass eine überzeugende Alternative zu Lötzsch/Ernst nicht in Sicht ist. Der frühere Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch wird von Ex-Parteichef Lafontaine nicht akzeptiert, Bodo Ramelow aus Thüringen fehlt es am breiten Rückhalt, Parteivize Katja Kipping ist schwanger, für sie steht die Familiengründung im Vordergrund. Zudem ist die Bereitschaft gesunken, sich das Personalpaket von Bundestagfraktionschef Gregor Gysi schnüren zu lassen. Er hatte das 2010 übernommen. Es ist völlig unklar, wie er nun ein personelles Aufbruchsignal setzen will.

Begeistert von ihrer Spitze sind die wenigsten. Als „beratungsresistent“ beschreiben Funktionäre beide Chefs. Ernst, so heißt es, sei ein Choleriker, „mit seiner Aufgabe überfordert“. Lötzsch wiederum mache es sich nur deshalb leicht, weil „sie sich in viele Konflikte erst gar nicht begibt“. Schon vor ihrer Wahl kursierte die Warnung von langjährigen politischen Weggefährten: Werde Lötzsch einmal gewählt, werde man sie nicht mehr los. Ein Nordost-Linker meint, sie habe sich „nur mit Jasagern umgeben“, blende Kritik völlig aus. Ein anderer ostdeutscher Spitzenfunktionär sagt: „Ein bisschen eine Strategie wie bei Helmut Kohl. Im Amt immer breiter werden und einfach sitzen bleiben.“

Zurück nach Rostock. Nach der Wahlkampfveranstaltung kommt ein Fernsehreporter zu Lötzsch. Er stichelt gegen Klaus Ernst, aber Lötzsch mag nicht mitmachen. Ernst sei halt, sagt sie, ein „sehr temperamentvoller Mensch“, das müsse man respektieren. Sie will nicht zulassen, dass ein Keil zwischen die beiden Vorsitzenden getrieben wird. Ob sie denn selbst Konsequenzen ziehen wolle, falls es bei den Landtagswahlen im Herbst nicht gut läuft für die Linke? Doch vom miesen Bundestrend will sie nichts wissen: „Für Landtagswahlergebnisse sind in allererster Linie Landesvorsitzender und Spitzenkandidat verantwortlich.“

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