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Politik: Linke kritisieren Linken-Chefs

Abgeordnete bemängelt „Abhängigkeit von ursozialdemokratischen Forderungen“

Von Matthias Meisner

Berlin - Verkehrte Welt in der Linkspartei: Jetzt wettern ausgerechnet die ostdeutschen Reformer mit ihrer SED- und PDS- Geschichte gegen sozialdemokratische Tendenzen. Bisher hatte der linke Flügel die Pragmatiker aus den neuen Ländern verdächtigt, die Annäherung der Linken zur SPD betreiben zu wollen.

Rosemarie Hein, Bundestagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt, ist über die jüngsten Entwicklungen in ihrer Partei wütend. Eben erst hat sich der Parteivorstand – bis auf die noch ausstehenden Beratungen zur Präambel – auf die Novelle für ein neues Grundsatzprogramm verständigt, da kritisiert das Bundesvorstandsmitglied in einer dem Tagesspiegel vorliegenden „Wortmeldung“, dass sich die Linke „in eine Abhängigkeit von ursozialdemokratischen Forderungen“ begeben habe. Die Partei finde nicht hinaus aus diesem „Teufelskreis“, schreibt Hein. Die ehemalige SED-Funktionärin im Bezirk Magdeburg und langjährige Vorsitzende der PDS in Sachsen-Anhalt sieht in der Entwicklung eine Hauptursache für die jüngsten Niederlagen der Linken bei den Landtagswahlen.

Namentlich greift Hein dabei den Bundesvorsitzenden Klaus Ernst an, der aus der SPD zur Linken gekommen ist. Dieser frage, was falsch sei an den Konzepten der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Hein antwortet: Die Rückbesinnung auf die 70er Jahre sei kein Weg für eine moderne Linke, die die Gesellschaft verändern wolle. „Wir gehen mindestens an der Lebenswirklichkeit eines großen, vor allem eines innovativen Teils der Bevölkerung vorbei.“ Die Klassenverhältnisse würden ungebrochen wie die aus dem vergangenen Jahrhundert beschrieben. „Unser Programm ist selbst nicht innovativ.“

Verärgert äußert sich das Bundesvorstandsmitglied Hein auch, dass sich das Gremium nicht verständigen wollte, im Programm den „Stalinismus als System“ abzulehnen. Das berge die Gefahr, den Stalinismus auf Verfehlungen einer kleinen Gruppe machtbesessener und skrupelloser Politiker und Ideologen zu reduzieren. Sie fordert dagegen, sich auch mit allen Strukturen, Mechanismen und Denkmustern auseinanderzusetzen, die Machtmissbrauch sowie Bespitzelung und Entmündigung der gesamten Bevölkerung ermöglicht hätten. In die gleiche Richtung zielt die Kritik Heins an einer vom Parteivorstand geplanten Satzungsänderung, wonach unangepasste Genossen künftig von den Schiedskommissionen der Partei „verwarnt“ werden können. Unverhohlen deutet Hein Rückzugsgedanken an: „Ich will nicht Verantwortung tragen für eine Partei, die Strafen braucht, um Mitglieder zu disziplinieren.“

Der frühere Parteivorsitzende Oskar Lafontaine, einst SPD-Bundeschef, wird in Heins „Wortmeldung“ nicht explizit erwähnt. Doch leicht lässt sich ihre Kritik auch als Kritik an ihm verstehen. Lafontaine, formal nur noch Fraktionschef im Saarland, prägt den Kurs der Partei noch immer maßgeblich. Zu Beginn der Woche hat er das „gute Ergebnis“ der Beratungen zum Parteiprogramm gelobt. „Die große Linie des Programms bleibt erhalten.“

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