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Gregor Gysi, wie er leibt und redet.

© Wolfgang Kumm/dpa

Linke und DDR-Vergangenheit: Wie Hamburgs Justiz Gysis Aussage zu seinen Stasi-Kontakten versteht

Hamburgs Generalstaatsanwalt will Linken-Fraktionschef Gysi wegen Falschaussage zu seinen Stasi Verwicklungen vor Gericht bringen, ein ihm unterstellter Staatsanwalt ist dagegen - hinter dem Streit könnte die Frage stecken, wie weit seine eidesstattliche Versicherung reichen sollte.

Das Ermittlungsverfahren gegen Linken-Fraktionschef Gregor Gysi wegen Verdachts auf Falschaussage zu Stasi-Tätigkeiten entzweit die Hamburger Staatsanwaltschaft. Generalstaatsanwalt Lutz von Selle fordert, gegen Gysi Anklage zu erheben. Der untergeordnete zuständige Staatsanwalt hält die Anweisung jedoch für rechtswidrig. Jetzt soll Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) entscheiden, wie es weitergeht. Entsprechende Medienberichte hat die Staatsanwaltschaft am Donnerstag bestätigt

2011 hatte der NDR eine Dokumentation über Gysis angebliche Stasi-Verwicklungen ausgestrahlt. In einem anschließenden Rechtsstreit erklärte der Politiker eidesstattlich, „zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden an die Staatssicherheit berichtet“ zu haben. Ein pensionierter Richter stellte daraufhin Strafanzeige, weil Gysi, anders als er angab, eben doch gegenüber Stasi-Mitarbeitern berichtet habe. Eine „falsche Versicherung an Eides statt“ kann mit Haft bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden.

Die Hamburger Justiz hat die Strafanzeige zum Anlass für umfangreiche Recherchen genommen, unter anderem bei der Stasi-Unterlagenbehörde. Nun deutet sich ein Konflikt an, wie das vorliegende Material rechtlich zu bewerten ist. Für die Generalstaatsanwaltschaft ergibt sich daraus der für eine Anklage nötige hinreichende Tatverdacht, für die nachgeordnete Behörde offenbar nicht. Juristisch könnte das mit der Frage zusammenhängen, ob Gysis Aussage nur im Hinblick auf den damaligen Verfahrensgegenstand, die NDR-Sendung, gemeint war, oder ob sie sich allgemein auch auf andere Lebenssachverhalte erstrecken sollte. Gysis Anwälte betonten stets, die Versicherung habe sich nur auf die Darstellungen im Fernsehen bezogen. Unter den Anklägern wurde demgegenüber diskutiert, dass sie weiter gefasst und nicht nur auf die dort genannten Einzelfälle bezogen gewesen sei.

Möglich, dass sich der zuständige Staatsanwalt für eine restriktivere Auslegung entschieden hat, um die Strafbarkeit des Delikts nicht über Gebühr auszudehnen – denn sonst könnten womöglich noch viele andere eidesstattliche Versicherungen mit Strafanzeigen angegriffen werden. Das würde auch erklären, weshalb er „remonstriert“, wie es in der Beamtensprache heißt, und gegen die dienstliche Anweisung vorging, obwohl er entsprechend seinem Status verpflichtet wäre, sie auszuführen.

Der Widerstand des Beamten ist ungewöhnlich. Ankläger sind nicht wie Richter unabhängig. Sie sind Teil einer Hierarchie, die bis zum Justizminister reicht. Auch dieser könnte theoretisch direkt anweisen, Anklage zu erheben. Das sogenannte „externe“ Weisungsrecht ist allerdings umstritten, weil damit politische Erwägungen das Justizhandeln beeinflussen. Ein Beispiel war der Fall Mollath, den Bayerns damalige Justizministerin neu aufrollen ließ.

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