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Dietmar Bartsch gilt als gemäßigter Reformer der Linken.

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Linken-Spitzenpolitiker: SPD buhlt um Dietmar Bartsch

Ganz im Sinne Lafontaines ist am Wochenende der Bundesparteitag der Linken verlaufen: Seine Getreuen führen nun die Partei, Reformer wurden ausgebremst. Die SPD hofft, einen der Abgestraften für sich zu gewinnen.

Die SPD hat den bei der Wahl zum Vorsitzenden der Linkspartei gescheiterten stellvertretenden Bundestagsfraktions-Vorsitzenden und Reformer Dietmar Bartsch zum Parteiwechsel ermuntert. „Ich würde mich sehr freuen, Sie in der SPD begrüßen zu können. Es wäre ein Gewinn für die SPD und für die Politik in Deutschland“, sagte der Sprecher des einflussreichen konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, Handelsblatt Online.

Kahrs begründete sein Angebot an Bartsch mit dem Ablauf des Linken-Bundesparteitags am Wochenende in Göttingen. Die rund 550 Delegierten wählten mit Bernd Riexinger und Katja Kipping zwei neue Parteivorsitzende, die weitgehend den Wünschen des fundamentalsozialistischen Flügels der Partei entsprechen. Bartsch unterlag knapp Riexinger, nachdem es zuvor zu öffentlichen Auseinandersetzungen in noch nie dagewesener Schärfe zwischen beiden Lagern gekommen war. Damit ist die erhoffte Befriedung missglückt, eine Trendwende der sich in einer Abwärtsspirale befindenden Linken ist nicht abzusehen.

Kahrs sagte dazu: „Die Linke hat keine Zukunft mehr.“ Mit Blick auf Bartsch fügte er hinzu: „Lieber Kollege Bartsch, niemand kann sagen sie hätten es nicht versucht.“ Er würde daher „gerne mit Ihnen in der SPD zusammenarbeiten“, so Kahrs weiter. „Die SPD ist die starke linke Volkspartei, gestalten Sie mit uns aktiv den Wechsel 2013, statt die Linke zu erdulden.“

Die Linkspartei steht derweil nach ihrem Göttinger Parteitag vor einem Scherbenhaufen. Gleich nach der Wahl Riexingers kam es zu einem Eklat: Die Radikal-Linken stimmten die Kommunistenhymne „Die Internationale“ an. Reformer hörten dabei den auf sie gemünzten Text „Ihr habt den Krieg verloren“. Die Verärgerung in dem Lager um Bartsch war so groß, dass sich Vertreter des gegnerischen Flügels am Sonntag genötigt sahen, in Stellungnahmen vor dem Parteitag zu erklären, sie hätten derartiges nie gesungen und sie entschuldigten sich für den Überschwang der Emotionen.

Den vergifteten Ton hatten die beiden grauen Eminenzen der Partei, Fraktionschef Gregor Gysi und Ex-Parteichef Oskar Lafontaine, vorgegeben. Gysi prangerte gegenseitigen Hass in der Bundestagsfraktion an und empfahl die Trennung, sollten die Streitereien nicht beendet werden können. Sichtlich erzürnt widersprach Lafontaine: „Es gibt keinen Grund, das Wort Spaltung in den Mund zu nehmen.“ Eine Trennung sei nur bei gravierenden programmatischen Differenzen gerechtfertigt. Das Partei-Programm sei aber mit über 90-prozentiger Mehrheit verabschiedet worden.

Der Schlagabtausch zwischen Gysi und Lafontaine.

Mit hochroten Köpfen hämmerten beide Männer in aufeinanderfolgenden Reden den Delegierten ihre Sicht der Dinge ein. Gysi stellte sich hinter den Lafontaine-Gegner Bartsch und geißelte die Kritik der Fundamentalsozialisten an Bündnissen mit der SPD: „Viele Wähler wollen, dass wir etwas gestalten. Dazu muss man auch mit anderen zusammenarbeiten.“ Manche Kritik von Mitgliedern aus den alten Bundesländern erinnere ihn an die westliche Arroganz bei der deutschen Wiedervereinigung.

Lafontaine wies den Vorwurf zurück, die Fundamentalisten verfolgten einen strikten Oppositionskurs. In Hessen und Nordrhein-Westfalen habe die Linke der SPD eine Zusammenarbeit angeboten. Dies habe die SPD aber abgelehnt. „Warum dieses dumme Gerede von Regierungsunwilligkeit. Das ist doch nicht mehr nachzuvollziehen“, sagte Lafontaine. In Abwandlung eines Tucholsky-Bonmots verglich er die Sozialdemokratie mit einem angeketteten, kläffenden Hund.

Erst Aufstieg, jetzt der Sinkflug: die Geschichte der Linken

„Trotz aller Schwierigkeiten habe ich den Eindruck, wir sind in der Lage, die Gräben zuzuschütten“, sagte Riexinger zum Abschluss des Parteitages. Kipping forderte, die Genossen sollten übereinander nur noch so reden, dass die Menschen Mitglieder der Linkspartei werden wollten. Zuvor hatte sie erklärt, der Ost-West-Gegensatz in der Partei sei überholt. Allerdings wurde auch auf dem Parteitag wieder offensichtlich, dass sich auch fünf Jahre nach der Vereinigung von PDS und WASG zur Linkspartei die Reformer mehrheitlich in den ostdeutschen Landesverbänden finden, die Fundamentalsozialisten im Westen.

Die neuen Parteichefs starten mit Hypotheken. Im Reformer-Lager war zu hören, Kipping habe mit ihrer Kandidatur Bartsch verhindert. Da sich die 34-Jährige nicht einer der beiden Strömungen zuordnen lassen will, hat sie parteiintern den Spitznamen „Ich-AG“. Auch in den westdeutschen Landesverbänden stößt sie auf Widerstand. Die frühere Partei-Vize Kipping vertritt ein bedingungsloses Grundeinkommen, was bei den Gewerkschaftern auf Stirnrunzeln stößt.

Der Gewerkschafter Riexinger wiederum gilt als Mann Lafontaines und damit des fundamentalsozialistischen Kurses. Der Vorsitzende des Landesverbandes in Baden-Württemberg hatte erst seinen Hut in den Ring geworfen, als Lafontaine seine Bereitschaft für eine Kandidatur für den Parteivorsitz zurückzog. Lafontaine hatte damit auf die Weigerung von Bartsch reagiert, auf seine Kandidatur zu verzichten.

Im Reformlager dürfte auch für Verbitterung sorgen, dass die ostdeutschen Landesverbände beim Parteitag gemessen an ihrem Gewicht unterrepräsentiert waren. Ursache sind Konzessionen der PDS bei der Vereinigung mit der WASG. Damals wurde den westdeutschen Gliederungen ein vorteilhafter Delegiertenschlüssel zugestanden. Ohne dieses Privileg hätte Bartsch womöglich eine Mehrheit gehabt.

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