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Applaus, Genossen. Gregor Gysi, 64, ist überzeugt davon, dass die Linkspartei auf ihn noch eine ganze Weile lang nicht verzichten kann.

© picture alliance / dpa

Linkspartei: Kampf gegen die Doppelspitze

In welcher Formation die Linke in den Bundestagswahlkampf geht, ist noch offen. Eines ist sicher: Ein Spitzen-Duo aus Gregor Gysi uns Sahra Wagenknecht wird es nicht sein. Doch was dann?

Von Matthias Meisner

Um die Rollen führender Linker im Bundestagswahlkampf gibt es weiter Gezerre. Ein Sprecher der Bundestagsfraktion bestritt am Sonntag, dass die Entscheidung über einen „alleinigen Spitzenkandidaten“ namens Gregor Gysi gefallen sei, der von einem „Kompetenzteam“ unterstützt werden solle. „Die Parteivorsitzenden machen einen Vorschlag“, sagte der Linken-Sprecher dazu. „Sie haben noch keinen gemacht.“

Unter der Überschrift „Gysi macht’s allein“ hatte der „Spiegel“ Spekulationen aufgewärmt, die Tage zuvor bereits die „Mitteldeutsche Zeitung“ angestellt hatte. Richtig an den Berichten ist, dass eine Doppel-Wahlkampfspitze mit Fraktionschef Gysi und seiner Stellvertreterin Sahra Wagenknecht offenbar vom Tisch ist – weniger deshalb, weil die Führung sich davon keine Erfolgschancen verspricht, sondern weil Gysi diese Variante partout ausschließt, wie er auch vor Weihnachten in einem Gespräch mit den Parteivorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping unmissverständlich klarmachte. Ein Vertrauter Gysis sagte dem Tagesspiegel, es gehöre zum „politischen Geschäft“, dass ein Spitzenkandidat die Bedingungen für seine Bewerbung formulieren dürfe. Der Fraktionsvorsitzende habe das getan. „Er saß am längeren Hebel.“

Wirklich froh gemacht hat Gysi mit seinem Vorgehen nicht alle seine Genossen. Zum einen will das Lager um Sahra Wagenknecht und ihren Lebensgefährten Oskar Lafontaine – dessen Bewerbung für den Bundestag als unwahrscheinlich gilt, aber nicht ausgeschlossen ist – eine Zurücksetzung nicht ohne Weiteres akzeptieren. Zum anderen sorgt der Gedanke an ein Kompetenzteam rund um Gysi bei einigen Funktionären für zwiespältige Gefühle. Nach der Wende hatte die PDS in Anlehnung an den sowjetischen Kinderbuchklassiker „Timur und sein Trupp“ Plakate mit dem Slogan „Gysi und sein Trupp“ geklebt. Braucht die Partei noch immer den Vormann, der schon im Winter 1989/90 die SED/PDS anführte?

Auf der Agenda der seit Juni amtierenden Vorsitzenden Kipping und Riexinger steht die Frage, wie sich die Partei von ihren alten Männern emanzipieren kann, ziemlich weit oben. Kipping sprach sie kurz nach Weihnachten in einem Interview mit ihrem Heimatblatt an, der „Sächsischen Zeitung“. Sie erwähnte Ex-Parteichef Lafontaine als „großartigen Wahlkämpfer“, der immer wieder gern von der Partei eingeladen werde. Lafontaine habe genauso wie Lothar Bisky und Gregor Gysi „eine besondere Bedeutung für die Gründung unserer Partei“ – eine, mit anderen Worten, historische Bedeutung. Die Zukunft sieht Kipping so: „Wichtig und erfreulich ist auch, dass nach und nach eine neue Generation heranwächst, die aus sich heraus eine Art kooperativen Führungsstil entwickelt und praktiziert.“

Eine Wahlkampf-Spitzenmannschaft könnte in diesem Sinne das Gesellenstück der neuen Parteivorsitzenden sein. Richtig gut gelungen ist es ihr noch nicht – im günstigen Fall wird zur nächsten Parteivorstandssitzung am 20. Januar ein Vorschlag vorliegen. Zuvor geht die Bundestagsfraktion Ende kommender Woche in Hannover in Klausur, am kommenden Sonntag wird es am Rande des „Politischen Jahresauftaktes“ der Partei in der Berliner Volksbühne weitere Abstimmungen geben. Eine Variante ist, verschiedene Funktionäre als Fachleute ins Spitzenteam zu holen – Parteivize Jan van Aken etwa für den Bereich Abrüstung, seine Kollegin Caren Lay für Energie. Der Ex-Vorsitzende Klaus Ernst könnte sich um das Thema Arbeit kümmern, Sahra Wagenknecht um die Finanzkrise. Kipping will selbstverständlich auch dazugehören. Ob ein solcher Trupp harmonisch im Wahlkampf agieren wird? Dietmar Bartsch, der für den Bereich Ostdeutschland gehandelt wird, zögert laut „Spiegel“ mit seiner Teilnahme, schließlich handele es sich beim Kompetenzteam nur um eine „innerparteiliche Befriedungsmaßnahme“.

Weitgehende Übereinstimmung herrscht in der Partei, dass ein Bruch mit Gysi um die Frage der Spitzenkandidatur tunlichst vermieden werden muss. Wolfgang Gehrcke, hessischer Bundestagsabgeordneter und wichtiger Strippenzieher des linken Parteiflügels, sagte dem Tagesspiegel, Gysi, die „herausragende Persönlichkeit“ der Partei, bringe bei einer Bundestagswahl allein „mindestens“ zwei Prozentpunkte Stimmen. Gehrcke bescheinigt Wagenknecht eine „ähnliche Güteklasse“ mit Mobilisierungsfaktor vor allem im Westen der Republik. Dass Gysi nach Ärger um die Kandidatenfrage frustriert auf eine Spitzenkandidatur verzichtet und sich auf seine Wahlkreisbewerbung im Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick konzentriert, mag sich der hessische Abgeordnete lieber nicht vorstellen.

In der Wahlkampfstrategie selbst sind Kipping, Riexinger und Gysi nicht weit auseinander. Alle drei versuchen regelmäßig, die rot-rot-grüne Karte zu spielen: Ein Linksbündnis im Bund soll aus Sicht der Linken denkbar bleiben, selbst wenn die Spitzen von SPD und Grünen es für undenkbar halten. Gysi sagte kürzlich, eine solche Koalition würde es nur dann geben, wenn die SPD eine wirkliche Alternative zur bisherigen Politik anstrebe. Kipping ergänzte im Gespräch mit der „WAZ“, ein Kanzlerkandidat des Mitte-Links-Spektrums könne künftig nach dem Vorbild anderer Länder in Vorwahlen bestimmt werden. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück solle den Rückzug antreten, dann wäre es für die Wahl 2013 noch nicht zu spät.

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