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Lafontaine

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Linkspartei: „Marx is Muss“

Die Trotzkisten von "Linksruck" unterwandern die Linkspartei und sagen den Pragmatikern den Kampf an. Die Parteispitze beobachtet diese Entwicklung mit Argwohn.

Von Matthias Meisner

Berlin - Die trotzkistische Gruppe „Linksruck“ verstärkt ihre Anstrengungen, sich in Oskar Lafontaines Linkspartei zu verankern. Auf einer Mitgliederversammlung am Wochenende in Frankfurt am Main verständigten sich die Mitglieder der laut Verfassungsschutz linksextremistischen Organisation, sich formal aufzulösen und künftig als Netzwerk „Marx 21“ in der Linkspartei zu arbeiten. Werner Halbauer, Leitungsmitglied von „Linksruck“, sagte am Sonntag dem Tagesspiegel, etwa 90 seiner Genossen hätten auf dem Treffen in Frankfurt den Kurs bestätigt, sich in den Parteibildungsprozess aktiv einzumischen und in der Linkspartei für marxistische Positionen zu streiten.

In der Spitze der Linkspartei wird die Entwicklung mit Argwohn beobachtet. Schon im Frühjahr hatte es heftige Auseinandersetzungen gegeben, als die „Linksruck“-Funktionärin Christine Buchholz sich anschickte, stellvertretende Vorsitzende der Linken werden zu wollen. Sie wurde schließlich auf dem Gründungsparteitag im Juni in den geschäftsführenden Vorstand gewählt, mit Janine Wissler gehört ein weiteres „Linksruck“-Mitglied der Parteiführung an. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sagte dem Tagesspiegel zur geplanten Gründung von „Marx 21“: „Das läuft nach dem Prinzip ,Raider heißt jetzt Twix’.“ „Linksruck“ heiße nun eben „Marx 21“. Bartsch meint, das Problem mit dieser Gruppe dürfe nicht überbewertet werden, aber die Partei müsse „offen darüber reden“.

Inhaltlich geht „Marx 21“ auf Konfrontationskurs zum pragmatischen Flügel der Linkspartei. Regierungsbeteiligungen werden abgelehnt – „solange die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in Deutschland nicht fundamental verändert sind“, wie einer der Aktivisten der Gruppe in der Zeitung „Junge Welt“ erläuterte. Wie sich die Trotzkisten diese Änderung der Kräfteverhältnisse vorstellen, geht aus dem Entwurf der politischen Leitsätze hervor, die in Frankfurt zur Debatte standen. Darin heißt es: „Die Linke kann das Kapital schlagen, wenn Massenbewegungen bereit und in der Lage sind, die herrschende Klasse zu enteignen.“ Das Netzwerk „Marx 21“ wolle mit seinen Ideen dazu beitragen, „eine politische Alternative zum entfesselten Kapitalismus“ aufzubauen. Geplant ist ein „Sozialismus von unten“, der von der „Arbeiterklasse“ getragen werden soll. Die beschlossenen Leitsätze sollen am Dienstag veröffentlicht werden.

Für den Verfassungsschutz geben die Aktivitäten von „Linksruck“ weitere Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen der Linkspartei. Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz verzeichnet in einem aktuellen Bericht nicht nur die Aktivitäten der Trotzkisten im Parteivorstand, sondern verweist auch auf die starke Stellung von „Linksruck“ im Hochschulverband der Partei. Aus dessen Programm zitiert der Geheimdienst: „Der Kapitalismus ist für uns nicht das Ende der Geschichte. Wir stehen ein für die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und stellen ihr unsere handlungsbestimmende Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft entgegen.“

Offensiv geht die Parteiführung der Linken bisher nicht gegen die Linksextremisten in ihren Reihen vor. Parteichef Lafontaine selbst liegt die Sache offenbar nicht am Herzen, verlautet aus der Führung. Andere Mitglieder der Spitze allerdings beobachten mit gewisser Sorge, wie die Trotzkisten Bündnispartner in den Reihen der Linkspartei gewinnen. Beleg dafür ist ein von „Linksruck“ geplanter Kongress „Marx is Muss“, bei dem Anfang November in Berlin auch mehrere Vertreter des linken Parteiflügels auftreten sollen, darunter die Europaabgeordnete Sahra Wagenknecht, Wortführerin der Kommunistischen Plattform, sowie die Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen aus Nordrhein-Westfalen und Werner Dreibus aus Hessen.

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