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Spitzenkandidat Manfred Sohn vor einem Wahlplakat mit Sahra Wagenknecht

© dpa

Linkspartei: Schöne Bescherung

Mehr Boulevard war nie bei den Linken: Sahra Wagenknecht als Star im niedersächsischen Landtagswahlkampf. Die Partei ist dennoch aus dem Landtag geflogen.

Von Matthias Meisner

Der Star des niedersächsischen Linken-Wahlkampfes lässt sich nicht blicken auf den Wahlpartys. Noch bis zum Nachmittag hat Sahra Wagenknecht teilgenommen an der Parteivorstandssitzung der Linken im Karl-Liebknecht-Haus nahe der Berliner Volksbühne. Zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale aber ist sie gegangen. Und auch nicht nach Hannover gefahren, wohin sie eine Reise für den Fall eines Erfolgs erwogen hat. Es gibt nichts zu feiern. Die Partei hat den Wiedereinzug ins Landesparlament sehr klar verpasst.

Die Niedersachsen-Wahl – die erste unter der neuen Parteispitze – sollte aus Sicht der Vorsitzenden Katja Kipping eine „Schlüsselfunktion“ haben. Wagenknecht, stellvertretende Vorsitzende von Partei und Fraktion und weder Niedersächsin noch dort Landtagskandidatin, ließ sich dafür eine Schlüsselrolle andienen: Für den Fall einer Mehrheit links der Mitte im neuen Landtag sollte sie eine Koalitionsverhandlungsdelegation anführen. Zwar rechnete in der Partei keiner ernsthaft damit, dass sich SPD und Grüne auf ein Linksbündnis einlassen im Bundestagswahljahr. Aber immerhin, die Linke, noch bis zum Jahreswechsel praktisch unbeachtet, erhielt Aufmerksamkeit in der Schlussphase. Die wurde noch angeheizt durch den Wechsel der Landtagsabgeordneten Sigrid Leuschner von der SPD zu den Linken – die Politikerin konnte, die im Kampf um den Direktwahlkreis gegen Doris Schröder-Köpf unterlegen war, konnte ihren Frust über Peer Steinbrück nicht mehr ertragen. Für ihren Wahlkampfeinsatz nahm Wagenknecht eine Neuerfindung ihrer eigenen Person hin. 140 Großplakate mit ihrem Porträt wurden kurz vor dem Wahltag im ganzen Land geklebt. Die Presse feierte sie als „neues Postergirl“. Und nachdem sie bei einer Männerbefragung im Auftrag des „Playboy“ zur „heißesten Politikerin der Linken“ gekürt worden war, stellte sie sich den Fragen von „Bild“. Wie tief darf ein Dekolletee sein, Frau Wagenknecht? Ihr muss das Interview gefallen haben, sie stellte es auf die Startseite ihrer Homepage.

Genutzt hat alles nichts. Da sei „nichts zu beschönigen“, gibt der Vorsitzende Bernd Riexinger zu. „Schmerzhaft“ nennt Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn das Ergebnis. NRW-Landeschef Rüdiger Sagel sieht eine „Katastrophe“ für die Partei im Westen. Vizechefin Caren Lay ist ratlos, denn: „Die großen Fehler sind ausgeblieben.“ Unter den geschockten Genossen wagt sich Fraktionsvize Dietmar Bartsch mit der wohl kritischsten Deutung hervor. Er fand es „bewundernswert“, dass sich Wagenknecht so in Niedersachsenhineingehängt habe, „eine mutige Entscheidung“. Jetzt müsse man fragen, warum sie denn nicht so viele Stimmen geholt habe wie erhofft. Soll wohl heißen: Wenn Wagenknecht auch für volle Säle sorgt, macht der Wähler noch lange nicht das Kreuz bei den Linken. Heinz Bierbaum aus dem Saarland widerspricht: „Nach wie vor ist ihre Ausstrahlung weiter für uns wichtig, auch im Hinblick auf die Bundestagswahl.“

Wagenknecht geht später am Abend ans Handy. Sie sagt, sie sei ja nicht Spitzenkandidatin gewesen. „Wir haben alle unser Möglichstes versucht.“ Gegen ein „mediales Trommelfeuer“ aber, in dem die Linke zwischen den Lagern zerrieben worden und in fast allen Umfragen unter fünf Prozent gedrückt worden sei, habe man „nicht so sehr viel tun“ können. „Die Leute hatten das Gefühl, ihre Stimme löst sich in Luft auf“, sagte Wagenknecht. „So ist es am Ende auch passiert.“

Zu einem Wahlkampfteam um Fraktionschef Gregor Gysi – es soll an diesem Montag benannt werden – sollen dennoch beide gehören, Bartsch und Wagenknecht. Auch wenn er sagt, dass er so ein Team eigentlich nicht brauche, um eine herausgehobene Rolle zu spielen. In den vergangenen Tagen war die Zahl der Kandidaten für das Team auf mehr als acht angewachsen. Die Linken-Werbefirma mag sich nicht vorstellen, alle auf ein Plakat bringen zu müssen.

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