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Autonome setzen in Athen Autos in Brand. Die Linksradikalen setzen die Regierung Tsipras immer mehr unter Druck.

© Reuters

Linksradikale bedrängen Regierung: Autonome wüten im Zentrum von Athen

Vermummte Autonome haben in Athen Schaufenster eingeschlagen, Autos zerstört und Müllcontainer angezündet. Die anarchistische Bewegung in Griechenland versetzt der Regierung von Alexis Tsipras seit Wochen empfindliche Nadelstiche.

Rund 200 Vermummte haben am Dienstagabend im Zentrum Athens Schaufenster eingeschlagen, Autos zerstört und Müllcontainer angezündet. Anschließend verbarrikadierten sie sich im Gebäude des Polytechnikums im Stadtteil Exarchia, der als Hochburg der Autonomen Bewegung gilt. Von dort warfen sich Brandsätze gegen die Polizei. Mindestens zwei Autos brannten völlig aus, wie das Fernsehen berichtete.
Die Autonomen hatten zuvor vor dem Parlament Griechenlands lautstark die Schließung von Hochsicherheitsgefängnissen gefordert. Zudem verlangten sie die Freilassung aus Gesundheitsgründen eines zu mehrfacher lebenslänglicher Haftstrafe verurteilten Terroristen. Sie beschmierten die Mauern im Hof des Parlamentes mit Sprüchen „Nieder mit der Demokratie“ und „Das Parlament soll brennen“. Die Polizei setzte Tränengas ein.  Autonome halten seit einigen Tagen mit gleichen Forderungen mehrere Universitätsgebäude besetzt. Die griechischen Oppositionsparteien werfen dem linken Regierungschef Alexis Tsipras vor, „zu sanft“ mit den Autonomen umzugehen.

Die Nadelstiche der griechischen Anarchisten - Autonome hegen für Syriza eine Art Hassliebe

Die in Griechenland traditionell starke anarchistische Bewegung scheint der von Syriza geführten Regierung in einer Art Hassliebe verbunden zu sein. Sie scheut davor zurück, Syriza frontal anzugreifen, versetzt ihr aber immer wieder unangenehme Nadelstiche. Damit versuchen die Libertären und teilweise auch die Linksautonomen, eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen oder Syriza nach links zu drücken. Schon Anfang März, etwas mehr als einen Monat nach Syrizas fulminantem Sieg bei der Parlamentswahl, besetzte eine Gruppe Anarchisten den Sitz der Linksallianz in Athen und befestigte an der Fassade Spruchbänder aus Solidarität mit Aktivisten, die wegen bewaffneter Angriffe inhaftiert wurden. Wie bei einem Ritual folgte jede Woche die Besetzung anderer Einrichtungen: die Rechtsfakultät der Universität Athen, die Studios des Syriza-eigenen Radiosenders Sto Kokkino und zuletzt der Verwaltungsturm der Athener Uni.

Dunkler Himmel über dem Parlament von Athen.
Dunkler Himmel über dem Parlament von Athen.

© rtr

Vergangene Woche protestierten verärgerte Universitätsangestellte schweigend nur wenige Meter von ihren besetzten Räumen entfernt. Der Vizerektor Thomas Sphicopoulos zeigte wenig Verständnis für die Besetzungsaktion: "So etwas gab es seit Jahren nicht mehr. Die Universität ist wegen der Kürzungen schon jetzt in einer sehr schwierigen Lage. Und jetzt das noch!" Ein anderer Lehrbeauftragter kritisierte die Haltung der Behörden: "Wo bleiben die Freiheitsrechte, wo bleibt der Staat?", fragte er. Ein Regierungsvertreter sagte dazu, "der Staat ist da. Er ist im Dialog. Eine Polizeiintervention würde die Spannungen lediglich weiter befördern." Als Oppositionspartei stellte sich Syriza stets gegen Polizeigewalt, unter anderem bei Demonstrationen gegen die von der Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds verordnete Rotstiftpolitik. Auch gegen die Anti-Terror-Gesetzgebung der Vorgängerregierung bezog Syriza Stellung. Die Abschaffung der entsprechenden Gesetze, die vornehmlich gegen linksradikale Aktivisten angewendet wurden, gehört zu den Forderungen der Anarchisten.

Provokationen der extremen Linken

Sie verlangen auch die Freilassung des inhaftierten Mitglieds der Untergrundorganisation 17. November, Savvas Xyros, wegen gesundheitlicher Probleme sowie die Abschaffung der Hochsicherheitsgefängnisse. In der letzten Frage zeigt sich Syriza kompromissbereit.
Für den ehemaligen Bildungsstaatssekretär Theodoros Papatheodorou steht fest: "Die Anarchisten greifen zunehmend zu Provokationen, weil sie sehen, dass die Syriza-geführte Regierung nicht hart gegen sie durchgreift." Dies tue die Regierung nicht, weil sie sich von der Vorgängerregierung absetzen wolle.
In der vergangenen Woche drangen "Antiautoritäre" bis auf den Vorhof des Parlament vor und skandierten Sprüche, unter anderem für die Freilassung von Xyros. In einer Erklärung der Regierung wurde die Aktion als "provozierend und unverständlich" bezeichnet. Die Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou (Syriza) sah in der Kundgebung hingegen einen einfachen "Protest" von Bürgern, die von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hätten.
Einen Tag später nahm der für die Sicherheitskräfte zuständige Vizeminister für Bürgerschutz, Giannis Panousis, in einer Zeitungskolumne Stellung zu dem Vorfall. Er warnte "diejenigen, die meinen, eine Linksregierung bedeute ein Land und eine Stadt ohne Verteidigung". Genauso wandte er sich gegen "Puristen innerhalb der Linken, die als 'faschistisch' bezeichnen, was ihnen nicht passt". Den Mitgliedern der rechten Opposition, von denen einige seinen Kopf forderten, hielt Panousis später entgegen, er stehe "voll und ganz" hinter der Regierung. (dpa/AFP)

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